Читать книгу Trugbild der Schatten - Helmut Aigner - Страница 8

Kapitel 3

Оглавление

Das Wetter wurde am jungen Abend schlecht. Eine graue Wolkendecke fegte über die Ebene und brachte reichlich Wind und diesige Luft mit sich. Mondaves Straßen leerten sich, weil sich ein Gewitter näherte und die einzige Wache, die man entbehren konnte und einsam auf dem Friedhof das frische Grab bewachte, fühlte sich unwohl in ihrer Haut.

Die Bewachung einer eingebuddelten Urne war blamabel, geradezu überflüssig.

Er war ein Pechvogel, hatte das falsche Zündholz beim Ziehen gezogen.

Man sagte ihm, dass ein Magusketzer in der Grube beigesetzt war. Der Soldat, der Stadtwache, der sonst pflichtbewusst seiner Arbeit nachging, hielt sich selbst für verrückt, weil er an diesem Tag nicht blaumachte. Er tröstete sich mit dem Gedanken, diese Standardprozedur nur bis zum frühen Morgen ertragen zu müssen. Das sind nun mal die Regeln. Wurde ein Ketzer erwischt und bei außerordentlichen Fällen gerichtet, so musste man wenigstens einen Tag und eine Nacht auf die Gebeine aufpassen. Mochte sich ein Geist aus dem Grab erheben, so musste man sofort Bericht erstatten.

Der Wächter war ein wenig verwirrt über diese Anweisungen, schließlich wusste keiner, wie man die zornige Erscheinung eines hingerichteten Ketzers bannen sollte.

Aber er glaubte, noch nie von einem Beigesetzten gehört zu haben, der sich jemals in seinem Grab regte. Der Orden würde solche Dinge bestimmt ohne Umstände verbreiten. Er hielt es also für die oberste Pflicht und gleichzeitig für dummen Aberglauben.

Nach drei Stunden taten ihm die Beine weh und da kein Zeuge ihn verpfeifen konnte, setzte er sich auf einen Grabstein, der bequem genug aussah, und stützte sich gegen seinen Speer. Die Rüstung saß unbequem und rieb die Schultern und andere Körperstellen wund.

Er fragte sich, warum zur Hölle er nicht einfach verschwinden sollte.

Und doch blieb er.

Er zog an den Ledergurten und löste seinen Brustharnisch, daraufhin kratzte sich die Stadtwache ausführlich den juckenden Oberkörper, wenigstens gab es keine Zuschauer zu dieser Uhrzeit.

Nach weiteren Stunden interessierte es ihn einen Dreck, ob der Leichnam sich unter der Erde regen würde. Hauptsache die Nacht war für ihn schnell überstanden, ohne dass ihm die Augen zu fielen.

Nachdem sich wieder Zweifel bei ihm meldeten, begann wie auf Befehl, ein prasselnder Regenschauer den Boden zwischen den Grabdenkmälern aufzuweichen.

Tropfen fielen gleichmäßig auf seinen Helm, er seufzte und zog seinen Mantel um den Oberkörper.

Er fluchte knurrend über sein Pech, dann musste er niesen.

Als sich das Wetter ein bisschen besserte, lähmte ihn die Müdigkeit und seine Augen fielen zu, ohne dass er in der Lage war, sich dagegen zu wehren.

„Aufwachen, Tölpel!"

Spät in der Finsternis weckte ihn eine kehlige, unfreundliche Stimme. Der Mann war schlagartig wach und versuchte festzustellen, woher der Klang kam, der ihn wachgerüttelt hatte. Die Stimme des Fremden raunte durch seinen Schädel, wie die Drohung eines Dämons aus der Unterwelt.

Es jagte ihm Angst ein und das nicht wegen der nackten Dunkelheit, die ihn dicht umgab.

Er fühlte eine gefährliche Präsenz.

Er drehte und wendete sich, aber da gab es keine Gestalt, er war völlig allein.

„Ihr werdet hier nicht mehr benötigt, verschwindet !“

Plötzlich meldete sich mit wütender Sprechweise ein groß gewachsener Greis aus nächster Nähe.

Der Bewaffnete antwortete mit einem lang gezogenen Ausruf des Schreckens.

Er verspürte Beklemmung, doch der Tonfall kam nicht aus dem Grab, wie ihm sein schlaftrunkener Verstand einreden wollte, sondern von einer verhüllten Erscheinung direkt vor ihm. Der Mann musste sich angeschlichen haben, lautlos wie ein Schatten. Dem Soldaten war es nicht möglich, das Gesicht unter der Kopfbedeckung zu sehen, nur dunkle, aufgeweckte Augen, die ihn gezielt anfunkelten. Pflichtgefühl meldete sich zurück, ausgerechnet jetzt, als er das am wenigsten gebrauchen konnte.

Er sprang auf und ging dem Störenfried zwei Schritte entgegen, „Gebt Euch zu erkennen, sofort, Ihr stört eine Wache Mondaves beim Dienst!“

Seine eigenen Worte kamen ihm dumm vor.

„Schweigt!“, raunte es der Wache entgegen.

Der Unbekannte wollte nicht gehen und schüttelte den Kopf. Er zog seine Kapuze zurück, silbrig weißes Haar, wie das kranke Gefieder eines Raben, kam zum Vorschein. Er hatte eine kalte, ausgeblichene Miene, vom Alter stark gebeutelt. Vor allem die linke Hälfte seines Gesichtes war von Narben übersät, dazu kamen noch schlecht verheilte Brandwunden hinzu, die den Kerl auch nicht schöner machten.

Überbleibsel von unzähligen Auseinandersetzungen, einige davon mit großen Opfern gewonnen. Der Mann wirkte vom Aussehen sehr vergreist. Doch die Bewegungen, die von ihm ausgingen, waren die eines impulsiven Raubtiers. Er hob die Hand scheinbar zum Gruß gerichtet, aber der Ausdruck, der in seinem Gesicht lag, war hassgetränkt. So viel Hass, wie man unmöglich in einem einzigen Leben erlangen konnte.

Es ist mir egal, welche Pflicht ihr zu haben glaubt oder wen ich störe, ich muss einen Bekannten besuchen und ihr seid mir dabei im Weg .“

Zu spät erkannte der Soldat, dass Magie im Spiel war.

Ein Spruch wurde gewirkt.

Der Weißhaarige übermittelte ihm einige düstere Bilder, sie geisterten nur verkürzt durch den Kopf der Wache, genügten aber, um ihn komplett auszuschalten.

Es war der pure Schrecken, den der Alte für diesen Fall ausgesucht hatte, zu viel für eine einzige jämmerliche Gestalt, um bei Bewusstsein zu bleiben.

Nur eine dürftige Demonstration der Kräfte des Magiers, eine dunkle Gabe, kaum eine Mühe für ihn, unbesonnene Menschen kostete es dagegen fast den Verstand. Der Gardist brach auf der Stelle zusammen, seine Lanzenschaft mit dem schweren bleiernen Endstück sauste knapp nach dem Fall auf den eigenen Schädel zu und schlug mit Wucht auf. Er würde viel später mit einer ordentlichen Beule auf den Kopf erwachen, mit schlechter Laune und, zum Glück für ihn, ohne Erinnerung an die Begegnung.

Der Magier berührte ihn kurz am Hals, fühlte nach dem Puls und stellte fest, dass er sich nicht geirrt hatte. Das Blut zirkulierte nach wie vor, die Atmung blieb flach, viel Sorge um das Leben eines Einzelnen hatte er jedoch nicht.

Es ging nur um den Plan und alle Möglichkeiten eines Scheiterns zu verhindern.

Er näherte sich dem gesuchten Grab, einer einfachen Aufschüttung ohne Erkennungszeichen. Der Besucher wusste allerdings genau, wer dort einen guten Meter unter der Oberfläche lag.

„Armes Schwein, reicht wohl nicht mehr dazu, ein Held zu werden.“

Er machte eine kurze Pause und spie auf den Erdhügel aus, Respekt für den Kerl konnte der Magier nicht empfinden.

Eine magische Geste folgte, die verhüllte Gestalt umschloss beide Hände und zog sie dann ruckartig auseinander. Der Hügel vor ihm riss sogleich entzwei und zeigte seinen Inhalt.

Die Urne, die darin lag, wurde nun nass von Nieselregen.

Er hatte Glück, die Seele war noch vorhanden, er wusste, dass dies oft der Fall war, wenn Menschen abrupt aus den Leben gerissen wurden.

Dann trennten sich Körper und Geist nur mühsam voneinander.

Für das Ritual benötigte man nicht viel Zeit und es beanspruchte keine Mühe.

Er berührte die halb verrostete Urne und verschloss das Grab auf gleiche Weise, wie er es geöffnet hatte.

Um ein Leben zu stehlen, brauchte der Magier kaum etwas Verbliebenes von der Person.

Nachdem er fertig war, entfernte er sich vom Friedhof, bemerkte die äußerliche Änderung an sich und war zufrieden.

Nun brauchte er nur noch neue Kleidung.

Trugbild der Schatten

Подняться наверх