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3.3.3 wârheit

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Anders als in Diu urstende ist die Aussage Jesu, dass er für die Wahrheit Zeugnis ablege (Io 18,37Neues TestamentJohannesevangelium Io18,37; vgl. Nikodemusevangelium, cap. III 2),1 in den Prozess vor Pilatus integriert (vv. 1772–1775). Verfahren zur Wahrheitsfindung spielen dagegen im Rahmen dieses Prozesses sonst eine bemerkenswert geringe Rolle: So erklärt der Läufer, der einen Augenzeugenbericht (ze Jerusalem sah ich daz, v. 1453) über Jesu Einzug in Jerusalem gibt, von sich aus, dass ihm der hebräische Hosanna-Gesang übersetzt worden sei (vv. 1451–1475). Daraus ist zwar abzuleiten, dass ErfahrungszeugenschaftZeugenAugenzeugenschaft plausibilisiert werden muss, aber die Wahrheitsproblematik wird nicht auf der Figurenebene erst diskutiert.2 Denjenigen, die in der Verhandlung selbst dem Vorwurf widersprechen, Jesus sei unehelich geboren, wird allein schon dadurch Autorität zugeschrieben, dass sie sich mit semftichait äußern (vv. 1603–1605). Weder wird die Herkunft ihres Wissens thematisiert noch ihre VertrauenswürdigkeitZeugenGlaubwürdigkeit bekräftigt.3 Auch der Eid als Mittel der WahrheitssicherungEidals Mittel der Wahrheitsfindung tritt nicht in den Blick.4EidJudeneidEidEidesformel Nur in der in die Prozesshandlung eingeschobenen Petrus-Episode kommen Eide vor, wenn es dort heißt: unt swur er hiet in nie erchant. / alsus laugent er mit eiden / dreistunt umbescheiden (vv. 1840–1842). Angesichts der Bedeutung, die Eiden im weiteren Handlungsverlauf zukommt,5 wird man aus den falschen EidenEidMeineid des Petrus nicht auf eine grundsätzliche Kritik am Eid schließen können. Vielmehr scheint es dem Erzähler wohl nicht nötig, die bechanten mære (v. 1648) über Jesu Wirken zu seinen Lebzeiten in der Darstellung des Prozesses noch weiter bekräftigen zu lassen.

Erst mit Jesu Auferstehung wird ,Wahrheit‘ auf der Figurenebene zu einem Diskussionsgegenstand. Die erste AugenzeuginZeugenAugenzeugenschaft für die Auferstehung ist Maria Magdalena. Sie hat nicht nur das leere Grab, sondern auch den Auferstandenen gesehen, und sie habe ihn sprechen hören, wie sie Johannes und Petrus berichtet (vv. 2357–2370). Diese wollen ihr glauben, weil sie es besser wisse als ‚die lügenhaften Juden‘, ihr Bericht habe Beweiskraft (vv. 2371–2374).6 Ob die Glaubwürdigkeit Maria Magdalenas in ihren Sinneseindrücken begründet liegt oder darin, dass sie charakterlich ,den Juden‘ überlegen ist, bleibt an dieser Stelle offen.

Als nächste bezeugen die Grabwächter gegenüber ‚den Juden‘ die Auferstehung Jesu (vv. 2466–2487), indem sie berichten, was sie gehört und gesehen haben ([…] daz hort wir unt sahen’, v. 2487). Bei den Wächtern zweifelnZeugenGlaubwürdigkeit ,die Juden‘ ihre charakterliche Integrität an und werfen ihnen Bestechlichkeit vor (vv. 2460–2465; 2488–2492). Die Wächter rufen daraufhin Wunder in Erinnerung, die Jesus zu Lebzeiten vollbracht habe und die ,die Juden‘ auch nicht hätten glauben wollen (vv. 2493–2524), schieben also zugleich ,den Juden‘ die Schuld für deren Skepsis zu und untermauern ihre eigene Aussage durch Analogieargumente. Sie beteuern im weiteren Verlauf ausdrücklich, dass das, was sie gehört haben, wahr sei,7 und bekennen sich angesichts der ersten Bestechungsversuche ,der Juden‘ ausdrücklich zur warheit (vv. 2548–2557). Es dürfte kein Zufall sein, dass ausgerechnet bei der moralischen Gegenüberstellung von Wahrheit und Lüge der Terminus Wahrheit leitend wird (vv. 2549; 2557). Zwar geben die Wächter schließlich nach (vv. 2558–2566), was vom Erzähler eindringlich verurteilt wird (vv. 2567–2582), doch wird so ein Gegensatz zwischen dem Bekenntnis zur Wahrheit als vorbildhaftem Verhalten und den Lügen ,der Juden‘ aufgebaut, die schon in Bezug auf den aus dem Gefängnis verschwundenen Joseph im Text thematisiert worden waren.8

Die Konstellation von Lüge, Wahrheit und Bestechung wiederholt sich in veränderter Form nach dem Pfingstgeschehen:9 ,Die Juden‘ erklären die Predigten der Jünger zur Lüge (vv. 2962–2968); die Jünger berufen sich jedoch auf ihre Erfahrungen, wobei sie sich ausdrücklich als Zeugen benennen:10Neues TestamentApostelgeschichte Act2,32

[…]

des sei wir gezeuge:

niemen dar an triuge,

wir haben in wærlich gesehen

und ist daz dicke geschehen

da wir mit im haben gaz.11Neues TestamentLukasevangelium Lc24,36–43

fur war sag wir iu daz:

wir sahen in loblich

varen gegen himelreich

[…] (vv. 2981–2988)

Der Versuch ,der Juden‘, auch die Jünger durch Bestechung zum Schweigen zu bringen, misslingt kläglich, da den Jüngern ihr Hab und Gut ohnehin nicht mehr wert ist als ‚fauliges Heu‘, wie der Erzähler sagt (vv. 3000–3032).

Die Serie der Versuche, die Verbreitung der Wahrheit durch Bestechung zu unterdrücken, gipfelt im Umgang ,der Juden‘ mit der Aussage von drei Männern aus Galiläa (vv. 3038–3090), Finees (grozer ewart, v. 3041), Adras (gebieter, v. 3043) und Egeas (diaken, v. 3044). Obwohl sie, die wegen ihrer hohen Ämter für ,die Juden‘ vertrauenswürdig sein müssten, übereinstimmend angebenZeugenMehrzeugenregelung, dass sie Christi Himmelfahrt gesehen hätten, und die Aussage jeweils eidlich bekräftigenEidZeugeneid (vv. 3038–3057),12 erklären ,die Juden‘ sie für tumbe und argumentieren, sie könnten die Himmelfahrt nicht gesehen haben, weil sie unmöglich sei (vv. 3058–3063). Nikodemus macht jedoch auf die ,Gefahr‘ aufmerksam, dass andere Leute der Aussage der drei Vertrauen schenken könnten (vv. 3064–3076), indem er auf die GlaubwürdigkeitZeugenGlaubwürdigkeit der drei (v. 3071) sowie ihren Eid verweist (v. 3075) und außerdem ihre Aussage für plausibel erklärt (ez gelichet sich wol der warheit, v. 3076). Nikodemus schließt den Rat an, die drei zu bestechen, dem ,die Juden‘ gern Folge leisten (vv. 3077–3090). Dass das im lateinischen Nikodemusevangelium (cap. XIV 2) nur angedeutete Bestechungsmotiv in Christi Hort Nikodemus zugeordnet wird, ist erstaunlich,13 aber möglicherweise so zu erklären, dass er bereits an dieser Stelle als jemand auftreten sollte, der der Wahrheit näher ist als ,die Juden‘, aber noch in das jüdische Ordnungssystem eingebunden ist.

Annas und Kaiphas versuchen, ,die Juden‘, die durch die Geschehnisse verunsichert sind (vv. 3091–3093), mit der Erklärung zu trösten, dass die Grabwächter auch von den Jüngern Geld genommen haben dürften und deshalb verkündeten, dass Jesus noch lebe (vv. 3094–3106). Sie versuchen also, der Auferstehung Jesu, obwohl sie durch die Augenzeugenschaft der drei bestätigt ist, wieder den Status unbewiesenen Hörensagens zuzuweisen (wer solt den hûtæren / gelauben und irn mæren, vv. 3105f.). Nikodemus, der jetzt als weise apostrophiert wird, kann jedoch ,die Juden‘ überzeugen, sich aktiv Gewissheit zu verschaffen und nach Jesus zu suchen (vv. 3107–3126): Als dabei Joseph gefunden wird (vv. 3127–3153), wird er nach Jerusalem eingeladen (vv. 3154–3250) und vom Hohen Rat befragt (vv. 3298–3300), allerdings nicht öffentlich (vv. 3276–3278). Während bei der Befragung von Joseph seine Beteuerung, die Wahrheit zu sagen, von ihm ausgeht (vv. 3319–3321), sind es bei der erneuten Befragung von Finees, Adras und Egeas ,die Juden‘, die von ihnen nichts als die Wahrheit verlangen (vv. 3400–3408).14 Um das sicherzustellen, werden verschiedene formale Mechanismen angewandt: Die drei werden voneinander getrenntZeugengetrennte Befragung (v. 3398), sie müssen jeweils einen EidEidZeugeneidEidals Mittel der Wahrheitsfindung ablegen (v. 3399), negative FolgenZeugenGefahr für Zeugen einer wahrheitsgemäßen Aussage werden ausgeschlossen, indem ihnen sicherhait geleistet wird (v. 3418). Schließlich wird durch die Art der Fragestellung verlangt, dass sie angeben sollen, ob sie von der Himmelfahrt nur gehört oder ob sie sie selbst gesehenZeugenAugenzeugenschaft haben (vv. 3409–3417). Wiedergegeben wird die Antwort von Finees, dem Ranghöchsten der drei (vv. 3039–3044), der an dieser Stelle als Hohepriester bezeichnet wird (der hohe priester, v. 3419). Er bekräftigt die Augenzeugenschaft, verweist auf seinen früheren Eid und bietet an, weitere zu schwören (vv. 3420–3430). Die Glaubwürdigkeit seiner Aussage wird weiterhin dadurch untermauert, dass die Aussagen der drei übereinstimmenZeugenMehrzeugenregelung (v. 3431).

Die Methoden zur Wahrheitssicherung kulminieren im Abschnitt zur Befragung der Simeonsöhne. Zunächst wird die Identität der wiederauferstandenen Simeonsöhne gesichert, indem Joseph sich von ,den Juden‘ bestätigen lässt, dass sie gesehen haben, wie die beiden begraben wurden (vv. 3455–3465), und sie dann zu deren leeren Gräbern führt (vv. 3466–3476).15 Dann hebt Joseph die besondere Qualifikation der Simeonsöhne als AugenzeugenZeugenAugenzeugenschaft hervor: Sie hätten sowohl im Diesseits als auch im Jenseits alles gesehen und sprächen nichts als die Wahrheit (vv. 3493–3499). Dementsprechend erwarten sich ,die Juden‘ von den beiden Aufklärung darüber, ob die Nachrichten über die Auferstehung Jesu wahr seien (vv. 3551–3560). Als die Simeonsöhne aufschreiben wollen, was sie gesehen haben (vv. 3593–3600), wird der zusätzliche Kontrollmechanismus aktiviert, dass die beiden voneinander getrenntZeugengetrennte Befragung werden, sodass sie sich nicht sehen können (vv. 3608–3611). In dem wörtlich wiedergegebenen Bericht des Karicius verweist er sowohl darauf, dass er und sein Bruder alles scheinberlich gesehen, als auch darauf, dass sie es getrennt voneinander schriftlich niedergelegtSchriftlichkeitFixierung von Zeugenaussagen hätten (vv. 3843–3848). Dem Wunder der identischen SchriftstückeZeugenMehrzeugenregelung haben die Oberen ,der Juden‘ nichts entgegenzusetzen (vv. 3870–3880). Die Konsequenz ist allerdings nicht ein Bekenntnis zur Wahrheit, sondern die Aufforderung, sich eine (erneute) Täuschung des Volkes zu überlegen (vv. 3881–3884). Joseph und Nikodemus sorgen jedoch dafür, dass die priefe, die die Simeonsöhne geschrieben haben, Pilatus zur Kenntnis gelangen (vv. 3885–3902), der sie nach Rom sendet (vv. 3903–3905), sodass die warhait dort bekannt wird (v. 3930).

Wie die Reihe der Augenzeugenberichte zeigt, bedarf das Wunder der Auferstehung der Beglaubigung. Die hier kurz skizzierten Szenen haben mit Sicherheit die Funktion, die ,Verstocktheit‘ ,der Juden‘ zu demonstrieren, die die Wahrheit zunächst nicht anerkennen und dann verschleiern wollen, sie dienen aber auch dazu, dem Rezipienten die Heilswahrheit unmissverständlich vor Augen zu führen. Bezieht man die erzählerische Vermittlung in die Überlegungen mit ein, so wird auch die Doppelfunktion des Motivs deutlich, dass es Nikodemus ist, der zusammen mit Joseph die Verbreitung der priefe in die Wege leitet. Denn es ist Nikodemus, von dem das Autor-Ich die Wahrheit (die rechten warhait ich ew sage, v. 1371) über das Martyrium Jesu vermittelt bekommen haben will (vv. 1369–1380). Um den Wahrheitsgehalt zu garantieren, werden auf der Erzählerebene Argumentationstechniken angewandt, die denen auf der Figurenebene vergleichbar sind. Am wichtigsten ist sicherlich die Augenzeugenschaft des Nikodemus, die gleich zu Beginn der Passionsschilderung hervorgehoben wird.16 Außerdem wird – ähnlich wie bei der Aussage des Läufers – die sprachliche Übermittlung thematisiert: Nachvollziehbar ist nur die Übertragung vom Lateinischen ins Deutsche (vv. 1377f.), aber es wird auch die hebräische Urfassung benannt, die Nikodemus diktiert habe und die die Basis der lateinischen Version bilde (vv. 1373–1376).17 Die durch Nikodemus garantierte Wahrheit tritt in Konkurrenz zu derjenigen der kanonischen Evangelien, wie anlässlich der Erzählung von der Befreiung Josephs aus dem Kerker im Text diskutiert wird:

swie ez doch nicht geschriben ist

an dem ewangelio,

so ist ez doch benam also.

ez ist endlichen war

daz ern mit der gevangen schar

lost, daz was pillɩͤch;

iz ist der warhait wol geleich,

wand er durch in gevangen was;

pilleich er von im ouch genas

des ersten er lobliche erschæin.

daz ist zwivel dehain

daz daz diu rechtiu warheit sei:

daz mugt ir versten da pey

daz er in loste zemitter nacht,

e die juden mit ir macht

chomen fur den chærcher,

den si des morgens funden lere. (vv. 2276–2292)

Um zu beweisen, dass das Erzählte wahr ist, wird ein Plausibilitätsargument eingesetzt (vgl. v. 3076), indem gesagt wird, es sei (rechtlich) angemessen (pillɩͤch, v. 2281; pilleich, v. 2284),18 dass Joseph, der um Jesu willen gefangen genommen worden sei, von jenem befreit werde. Des Weiteren gilt der genaue Zeitpunkt der Befreiung als Wahrheitskriterium. Es ist unklar, wie dieses Argument zu verstehen ist,19 aber es könnte mit den Bemühungen des Verfassers zusammenhängen, die im Nikodemusevangelium nur rückblickend geschilderten Ereignisse in die Chronologie von Tod und Auferstehung einzupassen. Danach muss Jesus Joseph noch vor dem Sonntagmorgen befreit haben, da ,die Juden‘ nur den Sabbat abwarten wollten, bevor sie ihn töteten (vv. 2201f.). Dass die Szene in einen Abschnitt eingeschoben ist, der eigentlich den Evangelien folgen will (vv. 2242–2246), könnte auch der Grund dafür sein, warum ausgerechnet an dieser Stelle der Wahrheitsgehalt apokrypher Quellen zur Sprache gebracht wird.20Pilatus-Veronika-Legende

Während der Wahrheitsgehalt des apokryphen Nikodemusevangeliums einer Herleitung bedarf, wird es als feststehende Tatsache präsentiert, dass die Heiligen Evangelisten die Wahrheit wussten (vv. 2245f.). Den Evangelien wird vom Verfasser eine solche Autorität zugestanden, dass er Veronika (die zur Zeit von Jesu Auferstehung selbst gelebt hat) sich für die Tatsache, dass Jesus nach seiner Auferstehung 40 Tage auf Erden gelebt habe, auf die vier Evangelisten berufen lässt (vv. 4754–4757).21 Die schrift kann urchunde geben (v. 1154), also die Wahrheit einer Sache kundtun.22 Das Wort urchunde wird (auf der Figurenebene) auch verwendet, um Wunder zu bezeichnen, mit denen Gott seinen Willen offenbart.23

Die Worte der Evangelisten und die Wunder verweisen auf eine göttliche Wahrheit, die eine andere Qualität hat als über Augen- und Ohrenzeugenschaft zu sichernde Handlungsabläufe. Das ist zunächst einmal die heilsgeschichtliche Wahrheit, die die Propheten geäußert haben.24 Jesus hält diese Wahrheit den Emmaus-Jüngern vor, die doch die Notwendigkeit seines Martyriums von den Propheten hätten gewusst haben sollen (vv. 2643–2650).25 Zur heilsgeschichtlichen Wahrheit gehört auch die Wahrheit der Auferstehung, die Thomas durch den Anblick Jesu begreifen soll ([…] / want du die warhait sihst an mir, / […], v. 2740). Inbegriff der Wahrheit ist der Heilige Geist, der in Christi Hort – angelehnt an johanneische Konzepte – gaist der waren warhait genannt wird (v. 2859).26Neues TestamentJohannesevangelium Io6,64Neues TestamentJohannesevangelium Io14,17Neues TestamentJohannesevangelium Io15,26f.Neues TestamentJohannesevangelium Io16,13Neues TestamentPaulusbriefe1. Io 5,6Neues TestamentApostelgeschichte Act1,8 Erfüllt von diesem Geist können die Jünger ihre Worte mit Wundern untermauern.27 Anders als in der Apostelgeschichte (1,8)Neues TestamentApostelgeschichte Act1,8 wird die Zeugenschaft der Jünger jedoch nicht direkt mit dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht, sondern sie nennen sich selbst aufgrund ihrer Erfahrungen Zeugen (v. 2981).28

Ein Zeuge der Wahrheit zu sein, kommt in Christi Hort nur Jesus zu, der Pilatus auf die Frage, was er verbrochen habe, folgendermaßen antwortet:

Jesus sprach: ‘ich wil dir sagen:

ich pin dar umbe her chômen

daz diu warheit werd vernomen;

der warhait ich ein gezeug pin.’

do sprach Pilatus wider in:

‘waz ist diu warhait?

daz hort ich ob mir daz wurd gesait.’ (vv. 1772–1778)

Jesus bezieht sich hier eindeutig auf die göttliche Wahrheit (Io 18,37f.Neues TestamentJohannesevangelium Io18,37f.). Die Antwort des Pilatus nimmt für einen wissenden Leser das Argument aus dem Johannesevangelium auf, dass nur wer ex veritate ist, die Stimme Jesu verstehen könne (Io 18,37; vgl. auch Io 8,47Neues TestamentJohannesevangelium Io8,47).29 In dem Konditionalgefüge (v. 1778) bleibt offen, ob Pilatus die Wahrheit vernommen hat. Doch scheint sein Anspruch nicht vollkommen vermessen, denn er ist empfänglich für die Wunder Jesu (vv. 1510–1514; 1655–1657) und erkennt das religiöse Königtum Jesu an (vv. 1973–1983).

Da in Christi Hort die Fortsetzung des Dialogs über die Wahrheit auf Erden aus dem Nikodemusevangelium (cap. III 2) nicht eingegangen ist, erfolgt hier keine Rückbindung an das Prozessgeschehen, in das der Dialog eingebettet ist. Wahrheit vor Gericht ist auch in dem zweiten Prozess in Christi Hort kein Thema. Zwar sind die Techniken zur Wahrheitsfindung und -absicherung (Eid, getrennte Zeugenaussagen) aus juristischen Kontexten übernommen, sie bleiben aber der Absicherung einer heilsgeschichtlichen Wahrheit vorbehalten.

Jesus und das Landrecht

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