Читать книгу Jesus und das Landrecht - Henrike Manuwald - Страница 34
4 Verfahren der kulturellen Aneignung in Diu urstende, Christi Hort und dem Evangelium Nicodemi
ОглавлениеBei der interpretierenden Lektüre der Kerntexte (Kap. 3) wurden – besonders bei der Analyse der Gerichtsverfahren gegen Jesus und gegen Pilatus – punktuell Referenzen auf die zeitgenössische Erfahrungswirklichkeit (soweit sie sich rekonstruieren lässt) herangezogen, um Sinnpotenziale zu erschließen. Dieser selektive Zugriff auf externe Bezugsfelder muss, da das ,Hinterland‘ der Texte prinzipiell unbegrenzt ist, durch eine systematisierende Analyse der Mechanismen, mit denen sich die Texte explizit oder implizit auf die zeitgenössische Erfahrungswirklichkeit beziehen, gestützt werden. Die folgenden Ausführungen sollen daher zum einen die bei der Untersuchung der Kerntexte vorgenommenen Kontextualisierungen auf eine grundsätzlichere Argumentationsbasis stellen, zum anderen die Basis dafür schaffen, zeitgenössische Diskussionszusammenhänge als weitere externe Bezugsfelder zu erkunden (Kap. 5).
Auch wenn das Ziel der Analyse letztlich darin besteht, die Funktion von Referenzen auf die zeitgenössische Erfahrungswirklichkeit bei der Rezeption der Texte (näherungsweise) zu bestimmen, setzen die Überlegungen an einem produktionsästhetischen Punkt an, nämlich bei den Verfahren der kulturellen Aneignung eines historisch fremden Stoffes, weil sich hier Bezugnahmen auf die zeitgenössische Erfahrungswirklichkeit besonders gut identifizieren lassen. Bevor die Funktionsweise impliziter Aktualisierungen aufgeschlüsselt wird, soll in einem ersten Schritt untersucht werden, welches kulturelle Umfeld die Erzähler für sich und ihre Rezipienten explizit als gemeinsam reklamieren und in welcher Form das geschieht. Denn diese kontextuelle Verankerung kann auch als indirekte Aufforderung an den Rezipienten gelesen werden, weitere Bezüge zu diesem Umfeld herzustellen.1