Читать книгу Unter Käfern und Schlangen - Hermine Stampa-Rabe - Страница 19
Montezuma schlägt zu
ОглавлениеDer Campingplatz befindet sich direkt neben der (60) Richtung Phoenix. Sogar nachts brausen die Trucks die Straße entlang und machen einen unglaublichen Lärm. Von Schlafen kann da kaum die Rede sein. Aber irgendwie muss ich doch geschlafen haben. Ich wache um 4.00 Uhr auf. Einfach nur so im Zelt liegen möchte ich nicht. So fange ich an, mein Frühstück zu essen und meine Vitamine zu schlucken. Kaum bin ich damit fertig, muss ich unbedingt eilig zur Toilette. Aber erst muss ich mir meine Fahrradschuhe anziehen. Das dauert schon fast zu lange. Kaum habe ich mein Zelt geöffnet und bin hinausgekrabbelt, passiert mir ein Malheur. Montezuma hat bei mir zugeschlagen! Ich muss mir meine neuen Fahrradhosen gleich auswaschen. Das dauert eine halbe Stunde. Zum Glück ist es früh in der Nacht, und noch niemand der Frauen hat das Bedürfnis, auf die Toilette zu kommen.
Hier mache ich mich gleich frisch und wandere mit nackten Beinen zurück zu meinem Zelt. Der Fließpullover ist so lang, dass er gerade meinen Po verdeckt. Nun muss ich für heute die schon gestern gebrauchte Fahrradhose und die zweite lange Fahrradhose darüber ziehen. Schnell habe ich meinen Schlafsack verpackt, die Unterlage aufgerollt und das Zelt abgebaut.
Da rumort es auch schon in Marikas Zelt. Ich merke, dass sie darin schon alles in ihre Packtaschen steckt. Fast gleichzeitig sind wir mit unseren Zelten fertig. Eigentlich möchte ich gleich starten, aber Marica bittet mich um ein Foto, das sie ihren Freunden und ihrer Mutter und Schwester zeigen möchte. Sie hätte nie gedacht, dass man in meinem Alter (Jugend, bitte!!!) noch solche Touren fahren kann und nicht fett geworden ist. Ich muss lächeln und fühle mich durch dieses Kompliment gestreichelt. Sie erzählt mir, dass sie diese große Tour als Abschluss ihrer Selbständigkeit macht. Sie hat einen Freund, mit dem sie sich Kinder wünscht. Und nun sieht sie zu ihrer großen Freude, dass sie später als Rentnerin doch auch wieder aufs Rad steigen und neue Touren fahren kann. Sie will auf ihren Körper aufpassen, damit sie nicht fett wird. Sie war früher holländische Meisterin in der Gymnastik. Sie will mit meinem Bild ihre Mutter motivieren, auch aufs Rad zu steigen und loszufahren.
Ich lasse mich von ihr knipsen und nehme sie auch noch am Tisch sitzend und essend auf. Wir verabschieden uns und wollen uns per Email schreiben.
Auf der (60) verlasse ich bei strahlendem Sonnenschein noch mit der dicken Fließjacke den Campingplatz und radle der Sonne entgegen. Zuerst geht es bergab, ändert sich dann aber, als ich die (60) verlasse und links auf die (74) abbiege. Überall stehen sie, die Kaktus-Giganten. Andere hübsche blühende Kakteen finde ich auch noch zum Ablichten. Ein warmer Gegenwind bremst meine Emotionen.
Vor der Abzweigung auf die (74) radle ich an einer Klapperschlange vorbei, die auf dem Seitenstreifen in der Sonne liegt. Ich stelle das Rad ab, um sie zu knipsen. Das kann ich aber nicht, da sie vor mir ausreißt. Später rolle ich über eine Schlange, die ich überhaupt nicht gesehen habe, weil meine Augen in der Gegend nach hübschen noch nicht fotografierten blühenden Kakteen suchen. Ich stelle das Rad ab und nehme die Schlange mit meiner Kamera auf. Es ist eine andere Sorte. Und weiter geht es.
Die Sonne brennt heiß vom Himmel. Der Weg nach Phoenix ist endlos aber mit nur wenig Verkehr. Als ich endlich nach rechts abbiege, gehe ich erst in ein Restaurant und trinke kalte Getränke. Die kühle Raumtemperatur tut mir gut. Hier sitzen und unterhalten sich Angler.
Weiter radle ich nach meinem Plan nach Phoenix und finde nach Umwegen den Fahrradweg am Arizona-Kanal und lasse mich von einem Fahrradfahrer in Richtung Jugendherberge bringen. Leider drängt mein Körper nach einer sofortigen Toilette. Ich muss mich verabschieden und erreiche noch im letzten Augenblick die Toilette in einem Mexikanischen Restaurant. Vorsorglich esse und trinke ich hier gleich als Abendessen.
Und dann geht die Odyssee nach der Jugendherberge los. Die Straße, an der sie liegen soll, ist eine Sackgasse und geht nicht weiter. Es wird schon dunkel. Ich frage einen in seinem Garten sitzenden Mann nach der Jugendherberge. Er lässt sich von mir die Adresse geben und geht dann hinein zu seiner Frau und seinem Sohn. Sein Sohn soll mich mit dem Auto zur Herberge bringen. Aber sie besitzen „nur“ ein normales Auto. Der Sohn will mein Rad tatkräftig so ganz von oben in den leeren Kofferraum stecken. Der Platz ist aber nicht groß genug. Beim Herausziehen bricht meine Fahrradlampe ab. Ich bedanke mich für ihre Hilfsbereitschaft und schiebe mit meinem Rad weiter. Es ist schon vollständig dunkel geworden.
Mit Hilfe einer anderen Amerikanerin, die bei der Herberge anruft, und mir aufschreibt, wie ich dorthin kommen kann, setze ich mich ohne Beleuchtung in Bewegung. Bald fahre ich auf dem sowieso nicht benutzten Fußgängerweg einer großen Hauptstraße bei Straßenlampen-Beleuchtung in der Stadt gen Süden. Hier hätte mich kein Sheriff angehalten und verwarnt.
Nach endloser Suche erreiche ich mein Ziel.
Und was erwartet mich da? Mein schon von San Diego vor geschicktes Paket ist nicht in der Herberge angekommen. Für morgen habe ich mir eigentlich einen Ruhetag mit viel Schlafen vorgenommen. Das muss ich mir abschminken. Morgen habe ich viel zu erledigen. Und ich weiß noch nicht, ob ich morgen noch eine Nacht hier schlafen kann oder weiterfahren muss.
Es ist schon 21.30 Uhr, als ich unwahrscheinlich müde ins Bett falle.