Читать книгу Unter Käfern und Schlangen - Hermine Stampa-Rabe - Страница 24
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Seit der Passabfahrt hat sich der Bewuchs der Landschaft verändert. Es gibt keine Palmen mehr. Hier herrschen Pinien und Eichen vor. Ich radle durch Wald. Mal eine schöne Abwechslung für die Augen und meine Seele. In Neu Mexiko kommt es mir so vor, als hätten die Farmer dort alle Kakteen vernichtet und fruchtbares Weideland daraus gemacht.
Leider fängt es zu tröpfeln an. Ich komme in immer tiefere Regionen. Vor mir am Horizont steht ein imposanter und mächtiger Gebirgszug. In Mule Creek bellt ein Hund ganz giftig. Er ist aber weit genug weg und kann zum Glück nicht nachkommen.
Und dann kommen die Dips: Ein Gelände wie die Ozarks in den mittleren USA: steil hinunter und steil wieder hinauf. Zum Glück habe ich eine gute Schaltung am Rad. Meine Beine machen es mit.
Über dem nächsten großen, sehr hohen und Ehrfurcht einflößenden Gebirgszug hängen drohend dunkle Regenwolken. Auch von rechts kommen sie herangestürmt. Es blitzt. Und dann erreicht mich der erste Gewitterschauer und prasselt auf mich hernieder. Schnell packe ich meinen Schlafsack, die Unterlage und mein Zelt in eine große Plastiktüte. Und weiter geht es die Dips auf und nieder.
Endlich erreiche ich die Kreuzung, von wo ich rechts auf der (180) nach Buckhorn radeln kann. Herrlich, es geht nicht mehr so tief hinunter und noch weniger hinauf. So komme ich langsam tiefer. Und dann fängt es wieder zu blitzen an. Kurz darauf jagt ein Gewittersturm von rechts mit strömendem Regen auf mich hernieder. Ich kann mich nicht mehr auf dem Fahrrad halten, habe auch große Mühe, abzusteigen, ohne umgestürmt zu werden. Ich muss rechts neben dem Fahrrad gehen und es ganz schräg mit dem Wind schieben, sonst hätte es mich nach links zu Boden gerissen.
Nach ca. fünf Minuten ist auch das Unwetter vorbei und zum Gebirge gezogen. Dort tobt es sich an zwei Stellen aus. Ich kann wieder aufsteigen und die letzten Kilometer radeln.
Bald erreiche ich Buckhorn, wo ich nur einen Campingplatz finden kann. Dort melde ich mich an und frage gleich die Besitzerin, ob sie für mich vielleicht eine kleine Hütte oder dergleichen hat, denn heute Nacht wird mein Zelt bestimmt geflutet. Sie bietet mir an, im kleinen Waschautomaten-, WC-und Dusch-Häuschen zu schlafen. Glücklich nehme ich dieses Angebot an.
Ich inspiziere den Raum. Es gibt für mich genug Platz, um meine Unterlage und meinen Schlafsack auszubreiten und mein Fahrrad neben die Waschmaschinen zu stellen. Es ist darin überwindig und sogar etwas warm. Was wünsche ich noch mehr? Mit einem sicheren Gefühl sehe ich der kommenden stürmischen Nacht entgegen. In diesem Raum kann mir nichts passieren.
Im Windschatten zweier Häuschen setze ich mich draußen an einen Tisch und nehme mein Abendessen ein. Dazu erhalte ich Gesellschaft. Ein Mann kommt in seinem Rollstuhl und unterhält sich mit mir freundlich und interessiert. Er erzählt, dass er hier in seinem Wohnwagen auf dem Campingplatz lebt. Dann verabschieden wir uns. Ich gehe in mein neues Domizil. Hier sitze ich schön warm und trocken, während draußen ein Gewitterschauer nach dem anderen vom Himmel heruntergejagt. Mein Zelt wäre heute Nacht, wenn es nicht weggeflogen wäre, so doch bestimmt vom Regenwasser voll gelaufen.
Die Nacht in diesem kleinen Häuschen ist meine Rettung. Draußen jagen sich die Blitze. Der Donner überschlägt sich. Der Sturm peitscht den Regen gegen die Glasscheiben. Im Schein der auf dem Campingplatz leuchtenden Lampen sehe ich, wie die Bäume vom Sturm gebeutelt werden. Das einfach nur aus Holzlatten erstellte Gebäude, in dem ich mich befinde, ächzt jedes Mal in allen Fugen. Es raubt mir den Schlaf.