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2 Das Fach Deutsch: Entwicklungen zu einer Didaktik des sprachlichen Handelns 2.1 Die Situation ist widersprüchlich bis diffus

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Unterschiedliche Praxistendenzen sind derzeit zu beobachten: Aufsatzunterricht mit festgelegten Stilmerkmalen hier (Einleitung, Höhepunkt, Schluss; keine Wortwiederholungen und „Zeitenhopser“), freies Schreiben da; phänomen- oder silbenbasierter Rechtschreibunterricht hier, an den Schreibwörtern der Kinder orientierter Unterricht da; Vernachlässigung der Orthografie bis in die Klasse 3 hinein hier, Beachtung der Rechtschreibung von Anfang an da; an Lehrwerken orientierter Unterricht hier, Unterricht mit Karteien und Arbeitsblättern da; integrativer und themenbezogener Unterricht hier, getrennte Arbeitsgänge beim Schreiben, Rechtschreiben, Lesen, Grammatikunterricht da usw. Traditionelle Konzepte mischen sich mit aktuellen, wohldurchdachte didaktische Konzepte mit Modernismen, kluge Lernarrangements mit Aktivismus.

Hinzu kommen Entscheidungen der Bildungspolitik und Arbeiten eines Teils der Bildungsforschung: Bereits 2001 legte sich die Kultusministerkonferenz nach den enttäuschenden Ergebnissen der ersten PISA-Studie auf die „Output“-Steuerung der Schule fest, eine Festlegung, die bis heute gilt (siehe "Die „Output-Steuerung“ des Bildungswesens"). Dies führte bildungspolitisch u. a. zu den flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VERA) und in Folge zu vielen Testformaten in Lehrwerken der Verlage; mit der internationalen Vergleichsstudie IGLU wurde ein Lesekonzept zum Modell, das allein durch testbare Aufgaben bestimmt wird (siehe "Lesekompetenz des „Literacy“-Konzepts").

Durch diese besondere Wertsetzung testbezogener Leistungsprüfungen wurden und werden didaktische Errungenschaften in den Hintergrund gedrängt: Die testbestimmte Trennung in Lern- und Leistungssituationen missachtet die reichhaltigen Möglichkeiten, individuelle Lernentwicklungen durch Beobachtung, Diagnose der Arbeitsdokumente der Kinder, durch Lerngespräche festzustellen – also während der Lernarbeit und im dialogischen Austausch mit den Kindern. Das testtaugliche Lesemodell verdrängt das mehrdimensionale Lesekonzept, für das nicht testbare Kompetenzen konstituierend sind wie Lesemotivation, individueller Zugang zu Literatur, Kreativität und Lesekommunikation (siehe "Begründungen für das Lesen und den Umgang mit Medien").

Insgesamt ist das didaktische Erscheinungsbild des Faches Deutsch also widersprüchlich bis diffus. Dies ist didaktisch unbefriedigend und schadet der Sicherung und Entwicklung von Unterrichtsqualität. Deshalb ist ein didaktisch stimmiges Gesamtkonzept des Deutschunterrichts in der Grund­schule notwendig.

 Es muss die aktuelle didaktische Entwicklung und die Einsichten der Grundschulforschung berücksichtigen, dabei aber alle Arbeitsbereiche des Sprachunterrichts einbeziehen, auch solche, die zur Zeit nicht im Blickpunkt des didaktischen Interesses stehen.

 Es muss die Schatzkammer der Didaktikgeschichte in die Überlegungen einbeziehen: Was ist aus heutiger Sicht überholt? Was ist nach wie vor wert, im Repertoire gehalten zu werden? Was sollte – neu gewendet und gewichtet – in aktuelle Konzepte integriert werden?

 Mit Blick auf frühere Streitfälle kann auch der Blick auf aktuelle Dogmatismen und didaktische Verengungen geschärft werden: Wo stecken in aktuellen Ansätzen Einseitigkeiten, wo dogmatische Positionen, die wir in Kenntnis der Genese überwinden oder aufbrechen können?

Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage)

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