Читать книгу Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage) - Horst Bartnitzky - Страница 28

„Streit um das Fernsehprogramm“ – Didaktik der sprachlichen Kommunikation

Оглавление

Das Zitat stammt aus einem Sprachbuch, das eine Alltagssituation unter Geschwistern zum Thema von Rollenspielen machte.

Die Didaktik der sprachlichen Kommunikation entwickelte sich zur gleichen Zeit wie die „kritische Didaktik“, ihr ähnlich in vielen Zielen, Inhalten und Verfahren, aber nicht exponiert sozialistisch, sondern eher sozialliberal orientiert. Sie nahm ihren Ausgang einmal von der Infragestellung der sprachphilosophisch begründeten Muttersprachlichen Bildung und griff die Forderungen der internationalen Curriculumbewegung auf. Gefordert war die Revision des Curriculums und ein neues Verständnis von schulischen Zielen: nicht als Bildungswissen, sondern als Qualifikation, um Lebenssituationen zu bewältigen. Übrigens wurde dieser Entwicklungsstrang in der gegenwärtigen didaktischen Diskussion wieder aufgegriffen. Statt Qualifikation ist nunmehr der Begriff der Kompetenz leitend.

Qualifikation bedeutete im Selbstverständnis der emanzipationsbewussten Aufbruchstimmung weniger Anpassungsleistung, als vielmehr Fähigkeiten wie eigene Interessen erkennen und vertreten, Äußerungen anderer kritisch einschätzen usw. Gleichzeitig interessierten sich auch die Sprach- und Literaturwissenschaften, insbesondere die sich etablierende Linguistik, zunehmend mehr für die Verwendung von Sprache und Texten, gerade auch in Alltagssituationen.

Diese Strömungen zusammengenommen führten zu didaktischen Konzepten, die im zentralen Stellenwert „Kommunikation“ übereinstimmten. Ihre aufklärerische Grundintention fand im entsprechenden Zeitgeist Anfang der 70er Jahre rasche Zustimmung. Dadurch konnte die Didaktik der sprachlichen Kommunikation den Platz einnehmen, der durch den Sockelsturz der sprachphilosophisch begründeten Muttersprachlichen Bildung entstanden war.

Für den Bereich der Grundschule kam hinzu, dass den grundschulpädagogischen Forderungen nach mehr Wissenschaftsorientierung kommunikationstheoretisch entsprochen werden konnte, dass aber gleichzeitig der zentrale Stellenwert der Kommunikation den lernpsychologischen Grundsätzen nach Umweltorientierung und handelndem Lernen entsprach (zur Didaktikdiskussion der 70er Jahre siehe Bartnitzky 2009 a, 24 ff.). Damit war das eingetreten, was heute im Rückblick als „kommunikative Wende“ des Deutschunterrichts bezeichnet wird. In der Lehrerbildung nahmen die Bücher von Behr, Groenwoldt, Nündel, Röseler und Schlotthaus eine wichtige Rolle ein (Behr, Groenwoldt u. a. 1972, 1975).

Drei didaktische Ansätze flossen dann in diese Entwicklung ein:

 Der neu belebte Projektgedanke: Als Projekt galt eine von der Lerngruppe gemeinsam geplante und verantwortete Aktion, die eine von der Gruppe gewünschte Veränderung bewirken sollte. Dies konnte das Bemühen sein, eine Fußgängerampel an einem gefährlichen Übergang aufzustellen, den Spielplatz zu säubern und Geräte instand zu setzen, aber auch den eigenen Schullandheimaufenthalt zu gestalten, eine Klassenzeitung herauszugeben. Hierbei waren von der Sache und vom Ablauf des Geschehens her immer wieder kommunikative Handlungen nötig: Pläne entwerfen, Briefe und Plakate schreiben, Verordnungen, Adressenverzeichnisse, Briefe lesen, Zwischenbilanzen ziehen, Interviews führen usw.

 Die Entdeckung der Freinet-Pädagogik für die Schule hierzulande: Dabei galt zunächst das besondere Interesse einigen kommunikationsträchtigen Elementen der Freinet-Pädagogik: der Klassenkorrespondenz und der Druckerei. Erst später mit der Ausbreitung der Freinet-Gruppen und dem Subjektivismus wurde der Freinet-Ansatz grundsätzlicher wahrgenommen: „Den Kindern das Wort geben“ – dieses Motto wurde inzwischen zum geflügelten Wort.

 Das verstärkte didaktische Interesse an der Unterrichtskommunikation: Besonders einflussreich war hierzu die sogenannte „Aachener Gruppe“; eine wichtige Veröffentlichung, die aus diesen Bemühungen hervorging, war die von Böttcher, Otto, Sitta und Tymister (Böttcher/Otto u. a. 1976).

Diese drei Ansätze regten die Kommunikation in der Klasse an, machten sie zu einer wichtigen Lernsituation und boten inhaltliche sowie methodische Anregungen, die zu einem auch für die Kinder als sinnvoll erfahrenen Sprechen, Schreiben, Lesen, Sprachuntersuchen führten. Damit verhalfen sie dem „kommunikativen Ansatz“ zu einem großen Repertoire an unterrichtlichen Möglichkeiten, das zum Teil inzwischen wieder verlorengegangen ist und ins Bewusstsein zurückgeholt werden muss.
Lehrerbücherei Grundschule: Sprachunterricht heute (19. Auflage)

Подняться наверх