Читать книгу Rayan - Im Auge des Sturms - Indira Jackson - Страница 10

02.02.2015 - München: Polizeirevier - Das Verhör

Оглавление

Es war bereits 14 Uhr 15, als sie endlich ankamen. Man verfrachtete Rayan in einen Vernehmungsraum und ließ ihn warten. Der Kommissar nannte das „schmoren lassen“, Rayan nannte es zufrieden „Zeitgewinn“.

Er überlegte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Hanif endlich bei seinem Freund vom Innenministerium anrufen würde. Langsam verging ihm die Lust an diesem Spiel, aber er zwang sich zur Ruhe.

Erst eine halbe Stunde später trat die Beamtin Miriam in das kleine Zimmer.

„Ist es wirklich so furchtbar, mit mir zu sprechen?“, versuchte sie es erneut. „Ich will Ihnen doch nur helfen.“

Weber kam in den Raum mit einem Becher Kaffee, doch anstatt ihn Rayan anzubieten, trank er ihn selber. „Wie albern“, dachte sich Rayan und diesmal machte er sich keine Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken. Er war inzwischen gelangweilt und wollte sich die Zeit verkürzen, indem er den Mann ein wenig provozierte.

Und prompt funktionierte dies besser als erhofft, denn der polterte an die Frau gewendet los: „Fragen Sie ihn, warum er auf einmal so blöd grinst!“

Als Miriam etwas höflicher die Frage in Arabisch wiederholte, lächelte Rayan erneut. Trotzdem gab er keine Antwort. Das Versteckspiel machte ihm mittlerweile Spaß.

Als er gerade wieder darüber nachgedacht hatte, wie weit er es wohl noch treiben musste, bis endlich der erlösende Anruf kam, riss endgültig der Geduldsfaden des Kommissars. Offenbar hatte sich Rayan sein Vergnügen zu sehr anmerken lassen.

Auf einmal fast knurrend fragte er den Scheich: „Ach so, du findest das alles amüsant, ja? Warte nur, ich bringe dich für Jahre in den Knast wegen dreifachen Mordes - mal schauen, ob du dann immer noch grinsen kannst.“ Mit einer Geschwindigkeit, die Rayan dem Kommissar nicht zugetraut hätte, haute dieser mit der Faust vor ihm auf den Tisch. Einen Moment lang dachte Rayan wirklich, er würde ihn schlagen, doch der Kriminalbeamte hatte sich im Griff.

Als er dann jedoch erneut nur herablassend grinste, stützte Weber sich mit beiden flachen Händen vor ihm auf die Tischplatte. Er kam mit seinem Gesicht ganz nahe an Rayan heran und zischte bedrohlich: „Dich arroganten Kerl kriege ich auch noch klein!“ Dabei war seine Aussprache so feucht, dass es sich nicht vermeiden ließ, dass einige Tröpfchen seines Speichels in Rayans Gesicht landeten. Der Kommissar, der lediglich hoffte, seinen Verdächtigen zu beeindrucken, bemerkte nicht, welche Grenze er damit, eigentlich aus Versehen, überschritt.

Rayan spürte verblüfft den Speichel auf seiner Wange. Schlagartig war für ihn der spaßige Teil vorbei und er empfand diese Behandlung als Demütigung, was seinen Stolz regte.

Er fühlte, wie heiße Wut in ihm hochstieg, die er nur mit Mühe bezwingen konnte. Doch bevor er sich wieder beruhigen konnte, traf ihn ein weiterer Redeschwall, inklusiver feuchter Aussprache. Diesmal hatte Rayan es zwar kommen sehen, doch verhindern konnte er ihn aufgrund seiner am Tisch befestigten Handschellen nicht.

Seine Augen verengten sich. Wie üblich, wenn er wütend wurde, wurde das Blau in ihnen eine ganze Nuance dunkler. „Vorsicht Kommissar - Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen! Der letzte Mann, der es gewagt hat, mir zu drohen, fand sich mit herausgeschnittener Zuge mitten in der Wüste wieder …“, sagte er hasserfüllt auf Arabisch. Obwohl der Kommissar seine Worte nicht verstanden haben konnte, zuckte er zurück. Rayans Körperhaltung strahlte nun unbändigen Stolz aus. Auch ohne weitere Erklärung war ihm klar geworden, dass dieser Mann Macht hatte. Hier saß jemand, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Und der wenig Spaß verstand, wenn diese missachtet wurden.

Einen Moment lang war der Kommissar über die Veränderung in seinem Verdächtigen überrascht. Wen hatte er da nur vor sich? Und vor allem: War er zu weit gegangen?

Miriam war blass geworden. Leise und mit zitternder Stimme übersetzte sie die Worte des Scheichs. Auch ihr war spätestens jetzt klar, dass hier kein gewöhnlicher Mann saß. Sie erklärte ihm, dass sein Verhalten gerade eine schwere Beleidigung gewesen war.

Doch der Kommissar hatte viele Jahre Berufserfahrung und bereits einiges gesehen in seinem Leben. So leicht ließ er sich also nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Rayans Drohung brachte ihn sofort erneut auf die Palme: „Soso! Du kannst also doch sprechen. Na zumindest haben wir jetzt mal eine Reaktion von dir provoziert“, sagte er auf Deutsch mit einem gehässigen Grinsen. Dann wandte er sich an Miriam: „Sagen Sie ihm, dass er mich mit seinen Geschichten nicht beeindrucken kann. Wir sind hier in Deutschland und nicht bei seinen Kamelen. Es ist mir scheißegal wen oder was er dort darstellt. Hier wird nach meiner Pfeife getanzt! Und wenn er nicht bald mitspielt, dann bringe ich ihn in das dunkelste Loch, das ich hier finden kann. Und werfe den Schlüssel weg!“

Er hatte sich richtig in Rage geredet und war laut geworden. Im Gegensatz dazu übersetzte Miriam die Worte ruhig, aber fast wortgetreu.

Rayan lächelte kalt. Ein Lächeln, das sanft seine Mundwinkel umspielte, aber nicht bis in seine Augen gelangte, die ihr kaltes Glitzern nicht verloren hatten. Es entging ihm nicht, dass Miriam fröstelte. Zumindest sie schien sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen zu können. Sie war klug genug zu spüren, dass nun Vorsicht geboten war.

Gefährlich sanft und dabei mit einem Tonfall, der verriet, dass er keinerlei Gewissensbisse hatte, einen anderen Mann, wenn es sein musste, zum Tode zu verurteilen, antwortete Rayan: „Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass es Sie nicht eines Tages nach Arabien verschlägt. Ich habe ein gutes Gedächtnis …“.

Wieder lief Miriam sichtbar eine Gänsehaut über den Körper, als sie die Worte in Deutsch für den Kommissar wiederholte. Der öffnete den Mund, um etwas Heftiges zu erwidern, als sich just in diesem Moment die Tür öffnete. Ein Beamter steckte seinen Kopf herein. „Weber – Du musst sofort kommen. Es gibt Ärger.“ Der Blick, den der Mann dabei Rayan zuwarf, sagte eindeutig, wen er für den Urheber der Schwierigkeiten hielt.

Einen Moment lang sah der Kommissar von seinem Kollegen zu Rayan und wieder zurück, dann stand er seufzend auf und verließ den Raum.

Rayans Ärger wandelte sich in Genugtuung. „Na endlich!“, dachte er zufrieden, „das wurde auch Zeit.“

Miriam hatte seinen Stimmungswandel beobachtet und dachte für sich: „Er wirkt kein bisschen überrascht, allenfalls ein wenig erleichtert. Er hatte die ganze Zeit noch ein Ass im Ärmel.“ Aber sie sagte nichts, sondern blieb einfach sitzen, wo sie war. Ihr war anzusehen, dass sie sich nicht wohlfühlte in ihrer Haut. Sie hatte selbst genügend Sorgen und wollte nicht in die Angelegenheiten des Kommissars hineingezogen werden. Wenn der keine Angst hatte, weil er nicht vorhatte, jemals nach Arabien zu gehen – schön für ihn. Sie jedenfalls hatte Familie dort.

Miriam überlegte, was sie sagen sollte, um klarzustellen, dass sie lediglich die Dolmetscherin war, doch sie kam nicht mehr dazu, ihre Gedanken in Worte zu fassen.

Ein Mann in einem sichtbar teuren, dunkelblauen Anzug trat ein, gefolgt von einem kleinlauten Kommissar. „Verdammt Weber, was tun Sie hier? Machen Sie den Mann sofort los!“

Er wartete, bis der Kommissar Rayan die Handschellen abgenommen hatte, dann eilte er um den Tisch herum auf ihn zu. „Mein lieber Scheich! Das ist alles ein riesengroßes Missverständnis! Ich muss mich bei Ihnen in aller Form entschuldigen! Bitte kommen Sie mit in ein angenehmeres Büro nebenan.“ Er sprach Englisch, wie sie es bei ihren sonstigen Treffen auch getan hatten.

Zufrieden registrierte Rayan, dass der Kommissar betreten wie ein begossener Pudel neben ihm stand. Von seiner Angriffslust vorher war nichts mehr übrig. Miriam dagegen kam aus ihrer Verwunderung nicht mehr heraus. Was passierte hier gerade? Und offenbar verstand ihr mysteriöser Verdächtiger auf einmal problemlos Englisch? Ein Scheich? Sie beschloss, sich so schnell wie möglich auf den Heimweg zu machen und am besten nie wieder mit diesem Fall in Kontakt zu kommen. Hoffentlich musste sie nicht als Zeugin eine Aussage machen. Und wer war eigentlich dieser Wichtigtuer im Anzug, der Weber offenbar zur Schnecke gemacht hatte?

Es handelte sich bei dem Neuankömmling um Rayans Kontaktmann im Innenministerium, der ihn bei offiziellen Besuchen betreute, dessen Nummer er Hanif gegeben hatte. Und dem im Gegensatz zu Weber sowohl Rayans politischer Status in Deutschland, speziell in München, aber vor allem auch sein Einfluss zuhause in Arabien klar war. Entsprechend respektvoll schüttelte er nun die Hand des Scheichs.

Weber warf er beim Hinausgehen einen wütenden Blick zu, der den Kopf daraufhin noch ein wenig weiter einzog. Weiterhin auf Englisch fuhr er fort: „Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Warum haben Sie mich denn nicht sofort verständigt?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, geleitete er Rayan zur Tür hinaus und erkundigte sich dabei: „Scheich, ich hoffe Sie sind wenigstens anständig behandelt worden“, woraufhin Weber ruckartig den Kopf hob. Er war blass geworden. In all der Aufregung hatte er die Beleidigung, die er Rayan vorher laut seiner Kollegin hatte zuteilwerden lassen, schon wieder vergessen.

Kurz verengten sich Rayans Augen, als er Webers Blick erwiderte. Der trat entsetzt einen Schritt zurück. Nachdem der Scheich ihn um einen halben Kopf überragte und mit seinem leichten Bierbäuchlein kaum gegen dessen Muskeln ankäme, fühlte er sich nicht mehr so sicher, jetzt, wo die Handschellen entfernt worden waren.

Zu seiner Erleichterung antwortete Rayan in diesem Moment auf Englisch: „Keine Sorge, mein Freund, alles in bester Ordnung.“ Der Kommissar wollte gerade ausatmen. Sollte er wirklich Glück haben und mit seinem Verhalten durchkommen? Da fuhr Rayan mit deutlichem Sarkasmus fort: „Ich habe Mister Weber sogar gerade in mein Heimatland eingeladen.“

Weber zuckte zurück, als hätte ihn eine Schlange gebissen. Die Drohung war überdeutlich. Er machte sich eine interne Notiz, seine nächsten Urlaube auf jeden Fall weit weg von der arabischen Wüste zu verbringen. Das Nordkap schien ihm auf einmal sehr sympathisch!

Rayan, der die Gedanken des Mannes mühelos erriet, lächelte noch einmal kalt, drehte sich dann weg und verließ den Vernehmungsraum.

Rayan - Im Auge des Sturms

Подняться наверх