Читать книгу Rayan - Im Auge des Sturms - Indira Jackson - Страница 17
2005 - Alessia - Versuch der Wiedergutmachung
ОглавлениеLeila staunte nicht schlecht, als ihr Hausdiener etwa vier Wochen später den Anwalt Raschid Aziz als Besuch ankündigte. Neugierig bat sie darum, ihn hereinzubringen. Was wollte der Mann wohl von ihr?
Doch zu ihrem Erstaunen war es nicht der ältere Herr, sondern Taib, der ihrem Angestellten in den Wohnraum folgte. „Hallo Leila. Es tut mir leid, dass ich diesen kleinen Trick anwenden musste. Nachdem du beim letzten Mal so wütend auf mich warst, war ich mir nicht sicher, ob du mich empfangen würdest.“
Er sah bei diesen Worten derart zerknirscht aus, dass Leila ihm wegen der Täuschung nicht lange böse sein konnte. Sie forderte ihn auf, sich zu setzten.
„Nachdem es dir offenbar so wichtig ist, mit mir zu sprechen: Was kann ich für dich tun?“, fragte sie ihn, nachdem die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht und Taib mit Tee versorgt worden war.
„Ich bin deinem Rat gefolgt! Die letzten Wochen, seit wir uns gesehen haben, habe ich nichts anderes gemacht, als mich über deinen Scheich zu erkundigen“, informierte sie Taib.
Bei den Worten „deinen Scheich“, runzelte Leila die Brauen, ließ ihn aber ausreden.
„Es ist nicht so leicht, wirklich echte Informationen über ihn herauszufinden, offenbar gibt es da auch jede Menge Mythen und abstruse Geschichten. Aber ich habe ausreichend gefunden, dass ich nun ehrlich davon überzeugt bin, dass ich ihm Unrecht getan habe! Und darum bin ich hier. Wie kann ich ihm meine Entschuldigung zukommen lassen?“
Diese Offenheit, mit der Taib nun seinen Fehler zugab, erstaunte Leila. Trotzdem antwortete sie knapp: „Überhaupt nicht.“
Betroffen sah ihr Gast sie an: „Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, ihn zu besuchen?“
„Natürlich. Du müsstest nur mitten in die große Wüste reiten. Etwa sechs Tagesritte von hier – so habe ich zumindest gehört – liegt Zarifa. Dort wohnt er. Viel Glück bei der Suche“, antwortete sie sarkastisch.
Doch so leicht gab Taib sich nicht zufrieden: „Du hast ihn doch auch erreicht. Damals, als du von Saras Tod erfahren hast …“ Damit hatte er natürlich ins Schwarze getroffen, doch das konnte Leila nicht zugeben. Ein wenig zu schnell antwortete sie: „Das war Zufall. Da war er ohnehin gerade hier.“
„Aha. Dann kommt er also regelmäßig hierher?“, konterte Taib.
„Nein. Nicht regelmäßig. Etwa zweimal im Jahr. Beim nächsten Mal also sagen wir – etwa in 6 Monaten?“, log sie frech.
Doch auch dafür hatte Taib sich vorbereitet. „Dann lass ihm wenigstens diesen Brief von mir zukommen. Es ist eine schriftliche Entschuldigung von mir. Ähm – er kann doch lesen, oder?!“, fragte er dann verunsichert.
Leila wusste nun wirklich nicht mehr, ob sie verärgert oder belustigt sein sollte. Ohne die Frage zu beantworten, sagte sie: „Na gib schon her“ und riss ihm den Brief fast aus der Hand.
„Ich kann ihn ihm ja vorlesen“, fügte sie honigsüß hinzu. Taib schaute sie verwirrt an, er wusste nun wirklich nicht mehr, ob sie das ernst meinte oder ihn gerade auf den Arm nahm.
Er wollte sich erheben, um zu gehen, als ihm noch etwas einfiel: „Darf ich dich noch um etwas bitten?“
Und wieder sah er sie so eindringlich zerknirscht an, dass sie gegen ihren Willen lachen musste: „Na sag‘ schon, was willst du noch?“
„Erzähl mir deine Geschichte!“, platzte er heraus.
Leila sah ihn einen Augenblick lang zweifelnd an, dann begann sie zu berichten. Von ihrem Verlobten und ihrer Reise, auf der sie eigentlich die Utensilien für ihre Hochzeit hatten kaufen wollen. Von der Ermordung aller ihrer Lieben und der gesamten Karawane. Von den fürchterlichen drei Tagen, in denen man sie missbraucht und misshandelt und schließlich als Sklavin auf einem Markt verkauft hatte. An Rayan! Der im letzten Moment der flehentlichen Bitte ihres Vaters gefolgt und gekommen war, um sie zu retten. Ohne den sie in irgendeinem Harem jämmerlich verrottet wäre und der seitdem stets seine schützende Hand über sie gehalten hatte. Ohne auch nur ein einziges Mal etwas für sich selbst herauszuschlagen.
Mal abgesehen davon, dass sie seit einigen Monaten miteinander schliefen, aber dieses Detail ließ sie in ihren Erzählungen aus.
Erstaunt schwieg Taib, nachdem sie geendet hatte. Diese Geschichte hatte ihn noch mehr beschämt und nachdenklich ging er nach Hause.
Leila jedoch rief Rayan auf seinem Satellitentelefon an, kaum dass er gegangen war. Sie überlegten eine Weile hin und her, was sie nun tun sollten und natürlich las Leila tatsächlich Taibs Brief vor. Nicht, weil Rayan nicht lesen konnte, wie der Anwaltsgehilfe geglaubt hatte, sondern weil sie ihm den Brief übers Telefon ja schlecht zeigen konnte.
Über Taibs zweifelnde Frage amüsierten sich die beiden eine ganze Zeitlang. „Hast du ihm nicht gesagt, dass ich sechs Sprachen spreche?“, grinste Rayan.
„Nein, ich fand, dass das eine überflüssige Information wäre. Dann hält er dich nur wieder für arrogant“, zog Leila ihn auf.
Nach einer Weile kamen sie zu dem Schluss, dass es sehr anständig von Taib war, seinen Fehler so offen zuzugeben. Auch der Brief war mit dem nötigen Respekt geschrieben und ließ auf echte Reue schließen.
Schließlich sagte Rayan: „Ich glaube, ich weiß eine ganz vorzügliche Bestrafung für diesen besonderen Fall!“ Leila kannte ihren Freund inzwischen gut genug, um zu erkennen, dass sein Unterton eher amüsiert war und er die Formulierung nicht wörtlich meinte. Trotzdem hatte sie ein wenig Bedenken beim Wort „Bestrafung“, doch es gelang ihr nicht, ihn zu einer Erklärung zu bewegen. Sie beendeten das Telefonat.
Leila seufzte. Sie hasste es, wenn Rayan das tat: Eine Andeutung fallen zu lassen, aber dann nicht damit rauszurücken, was er plante. Doch sie war sich sicher, dass sie genau das bald erfahren würde. Solange würde sie sich wohl oder übel gedulden müssen.