Читать книгу Rayan - Im Auge des Sturms - Indira Jackson - Страница 12
02.02.2015 - München: Polizeirevier - Die Wahrheit
ОглавлениеRayan hatte in einem Büro einige Schritte den Gang hinunter gemeinsam mit seinem „Retter“ Platz genommen.
Der sah ihn über den Schreibtisch hinweg an. „Mein lieber Scheich. Sie wissen, dass Sie aufgrund Ihres politischen Status jederzeit zur Tür hinausgehen können. Wir können und wollen Sie nicht aufhalten.“ Er hielt einen Moment inne, um Rayans Reaktion abzuwarten. Der nickte kurz. Sie sprachen erneut Englisch miteinander.
Daraufhin fuhr der Mann vom Innenministerium fort: „Ich möchte Sie trotzdem bitten, uns bei diesem Fall weiterzuhelfen. Wir haben immerhin drei Leichen mitten in einem der beliebtesten Parks Münchens liegen …“, er wollte noch mehr sagen.
Doch Rayan hatte ihn mit einer Geste seiner Hand zum Schweigen gebracht. „Ich will Ihnen gerne behilflich sein. Natürlich. Alle drei Männer wollten mich ermorden. Sie haben meinen Sohn entführt und ihn als Druckmittel benutzt. Dafür haben sie ihre gerechte Strafe nun erhalten“, führte Rayan ruhig aus, als spräche er über das Wetter.
Sein Gegenüber sah ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann sagte er: „Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Trotzdem benötige ich ein paar mehr Details. Wir wissen, dass nur einer der drei Männer aus direkter Nähe getötet worden ist. Die beiden anderen starben an Schüssen aus fast 200 Metern Entfernung …“
Wieder nickte Rayan. „Das ist die Stelle an der ich mich bei Ihnen entschuldigen muss.“ Der hob überrascht die Brauen. Der Scheich überlegte einen Moment, wie viel er dem Mann anvertrauen konnte. Dann fuhr er fort: „Die Schüsse aus dem Scharfschützengewehr wurden von einem meiner Leibwächter abgegeben. Der Mann hat mein Leben verteidigt. Den dritten Täter habe ich selbst mit der Waffe seines Kollegen getötet.“ Gespannt wartete er auf die Reaktion seines Gegenübers.
Der nickte bestätigend und sagte: „So etwas habe ich mir schon gedacht. Sie verstehen aber sicher, dass wir mit Ihrem Leibwächter darüber sprechen müssen …“.
Rayan lächelte sanft: „Das wird leider nicht möglich sein. Beide Leibwächter sind heute Mittag, direkt nach dem Vorfall, auf meinen Befehl hin mit meinem Sohn nach Hause geflogen. Inzwischen sind sie hoffentlich fast da. Sicher verstehen Sie, dass ich meinen Sohn keinem weiteren Risiko aussetzen wollte …“.
Sein Gegenüber verzog das Gesicht. Diese Information gefiel ihm nicht. Ihm war anzusehen, dass er Rayans Verzögerungstaktik durchschaut hatte. Auch war ihm klar, dass „hoffentlich fast da“ übertrieben war. Jedoch war ebenfalls offensichtlich, dass sie keinen Einfluss mehr auf die Maschine hatten, die sicher den deutschen Luftraum bereits verlassen hatte.
Er nickte bedächtig: „Wie bedauerlich. Aber in diesem Falle habe ich keine weiteren Fragen mehr an Sie. Ich danke Ihnen für Ihre Kooperation. Einer der Beamten wird Sie – ich nehme an zum Flughafen? – fahren.“ Er lächelte ironisch. Sie sprachen immer noch in Englisch, denn Rayan hatte bei ihren bisherigen Treffen wohlweislich seine Deutschkenntnisse verschwiegen. Manchmal hatte er den Eindruck, dass der Mann seine Hausaufgaben gemacht hatte und um sein Sprachwissen wusste, oder es zumindest ahnte. Trotzdem spielte er das Spiel mit – das war Politik.
„Benötigen Sie sonst noch etwas?“, fragte der Deutsche mit einem eindeutigen Blick auf das ramponierte Äußere des Scheichs, doch der verneinte. „Ich komme schon klar. Am Flughafen habe ich alles, was ich benötige.“
Rayan wollte sich schon erheben, als ihm noch etwas einfiel. „Ich hätte noch eine Bitte: Kann mich die freundliche Kollegin von der Verkehrspolizei, die sich so bereitwillig zum Dolmetschen hierher bemüht hat, fahren?“ Der Mann vom Innenministerium hob fragend die Brauen und Rayan fuhr fort: „Wissen Sie, ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich fürchte, ich war nicht sehr nett zu ihr. Ich wollte mich bei ihr für mein Verhalten entschuldigen …“, Rayan lächelte nun, als wäre er verlegen.
„Aber natürlich – kein Problem.“ Und lächelnd setzte er hinzu: „Ich würde mich auch lieber von einer attraktiven Dame fahren lassen, als von einem anderen Beamten.“