Читать книгу Die Verlorene Form - wie zwölf dänische Königspferde zu einem Guss wurden - Inka Benn - Страница 13
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ОглавлениеEigentlich hatte sich der König ein Prunkgemälde von Van Loo gewünscht. Aber Madame konnte sich ihrer Majestät erwehren und ihn durch den unschuldigen Anblick eurer Mädchenbüste auf eine neue Idee bringen. Ihr seht, ein wichtiger Auftrag!“
Man war sich einig, dass Bronze in jedem Fall abzulehnen sei und Saly begann, vom seinem Stein zu reden. Boucher ließ sich anstecken und bot an, ihn in die Schatzkammer der Akademie zu führen. Zuvor wollten Adoree und Saly jedoch ihren Besuch beim grünen Cäsar machen. Man verabredete sich für später in Bouchers Wohnung. Nach dessen Weisung war das Büro des Monsieur Coypel leicht zu finden. Saly trug dem Schreiberling im Kontor das Anliegen vor. Nachdem Adoree den Brief übergeben hatte, durfte man auf den hohen Herren warten. Dieser empfing sie alsbald: „Mademoiselle“, er verbeugte sich, „ Monsieur Saly! Es freut mich, euch kennen zu lernen. Schon Einiges über seine Forschungen und Arbeiten traf einige Zeit vor ihm hier bei uns in Paris ein! Darf man ihn zum Fund unseres einzigartigen grünen Cäsars beglückwünschen? Ein Kulturgut unschätzbaren Wertes! Man ist stolz auf euch, Monsieur! Sogar unserem König wurde das Artefakt schon vorgeführt. Er zeigte sich derart begeistert, dass er unserer Einrichtung eine erhebliche Summe zugedachte!“
Adoree sah ihren väterlichen Freund von der Seite an. Ich Blick sagte: Los, unterbrich ihn! Saly trat von einem Bein auf das andere und wirkte verunsichert. Er bedankte sich brav für die Ehre und formulierte, weil er nur ungefähr wusste, was in dem Brief gestanden hatte, noch einmal sein Anliegen:
„Sie erlauben, Monsieur Coypel, dass meine Begleiterin, die von der Marquise de Pompadour persönlich beauftragt wurde, und ich Gelegenheit erhalten, den Cäsar zu besichtigen? Die Madame wünscht eine exakte Beschreibung aus erster Hand. Man wird ihr das Kunstwerk dann später mittels einer Zeichnung zu erläutern wissen.“
Wieder einmal zeigte der Einfluss der Madame eindrückliche Wirkung. Die promte Servilität dieses Monsieurs schien Adoree ein wenig zu jovial. Der Wichtigkeit halber wurden sie nun vom Anstaltsleiter daselbst durch die Räumlichkeiten geführt. Die Gemäldegalerie passierte man abseits und folgte zur Abteilung der Skulpturen. Mehrere Säle öffneten sich vor den Besuchern. Der Anblick war überwältigend. Selbst für Saly, der ja die wichtigsten Kunstsammlungen in Italien kannte und die der französischen Könige bereits in jungen Jahren studiert hatte, tat sich eine neue Welt auf. Es war ihm nicht bewusst gewesen, wie viele seltene und außergewöhnliche Werke für die französischen Herrscher zusammengetragen worden waren. Das Ganze musste, abgesehen vom Aufwand, eine Unmenge gekostet haben. Wie betäubt wandelte der Bildhauer durch die Skultpturengärten der kulturellen Vorzeiten. Ab und zu blieb er vor einem Monument stehen und schüttelte ungläubig sein Haupt. Am liebsten hätte er Adoree gleich sein ganzes Wissen über die Schätze kund getan, aber der Bewacher im Hintergrund behinderte seine Euphorie. Es kam ihm vor, als würden sie zielstrebig und eilig durch die Ausstellung geschleust. Vor einigen Stücken konnte Saly nicht anders, als Halt zu machen und bewundernd deren Namen, Fundort und ungefähres Alter zu flüstern. Er wollte nicht besserwisserisch erscheinen, obwohl er sich kaum zügeln konnte. Dann und wann wies Coypel auf ein gutes Stück und sprach herausfordernd von dessen Provenienz. Aber Saly ging auf keinen Wettstreit ein, denn zu kostbar galten ihm seine Gedanken zu den Objekten. Als man eine kleine Bronzefigur querte, war es jedoch um die Contenance des Künstlers geschehen: „Der Dornauszieher! Welch wunderschönes Abbild! Wo ist dieses Stück verzeichnet? Wann hat man es gefunden? Es muss sich um ein Original aus hellenistischer Zeit handeln! Welch Seltenheit!“ Saly umsteuerte die kleine Figur mit gerecktem Hals und nahem Blick. Coypel wirkte zufrieden. Er ließ Saly staunen und sprach stattdessen zu Adoree von den Fakten. Saly murmelte vor sich hin: „Welch kindliche Anmut in dieser feinen Geste! Siehst du, wie er das linke Bein winkelt? Wie eine Wildkatze, die ihre Pfoten säubert. Der Dorn wird gezogen, der Sünde vergeben - Erbarmen wohnt dem Werke inne! Das selbe Thema in Rom beim Kapitol! Aber dieser hier: Viel feiner gearbeitet, anmutiger und ehrlicher. Nur ein junger Körper wird diese gymnastische Verrenkung durchführen können. Sieht man nicht sogar das Modell des Jünglings in Fleisch und Blut vor sich sitzen? Kann ein Mensch aber diese Gebärde halten? Wohl kaum in der Wirklichkeit...“
Saly berührte den Rücken des Jünglings, fuhr mit dem Zeigefinger die Wirbelsäule hinauf, strich sanft über den Nacken und ordnete die Locken. Adoree sah das Bild eines liebenden Vaters vor sich. Coypel im Hintergrund lächelte süffisant:
„Ja, Monisuer Bildhauer, ein besonders schönes Stück.“ Mit strenger Geste wies der Führer zum nächsten Saal:
„Dort drüben befindet sich ihr grüner Cäsar! Wir haben gut auf ihn aufgepasst!“
Saly fiel in sich zusammen. Man eilte dorthin.