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VI. Grundsatz der Unmittelbarkeit
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Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit müssen die mündliche Verhandlung sowie die Beweisaufnahme unmittelbar vor dem erkennenden Gericht stattfinden (vgl. §§ 128 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 ZPO). Damit soll gewährleistet werden, dass sich das Gericht einen eigenen Eindruck verschafft und einen Prozess aufgrund eigener Beurteilungskraft entscheidet. Da auch Richter pensioniert werden oder die Kammer wechseln, ist eine kontinuierliche „Prozessbetreuung“ nicht durchweg möglich. Daher reicht es aus, wenn der erkennende Richter zumindest der letzten mündlichen Verhandlung beigewohnt hat (§ 309 ZPO; siehe auch „Mündlichkeit“).
Ausgangsfall
Der Richter vernimmt Thomas, den Freund von Mona, als Zeugen. Im Protokoll vermerkt er, dass „der Zeuge den Eindruck einer wahrheitsliebenden und gewissenhaften Person vermittelt, die intellektuelles Denkvermögen besitzt und ein sicheres Erinnerungsvermögen hat.“ Wird dieser Richter nun während des Prozesses pensioniert und kommt eine neue Richterin, muss diese die Beweisaufnahme wiederholen, wenn sie den persönlichen Eindruck des Zeugen zur Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit in ihrem Urteil aufnehmen will.[35] Dies gilt insbesondere, wenn auf die „Urteilsfähigkeit“, das „Erinnerungsvermögen“ oder die „Wahrheitsliebe“ des Zeugen verwiesen wird.[36] Andernfalls kann die Zeugenaussage im Wege des Urkundenbeweises durch Auswertung des Vernehmungsprotokolls verwertet werden.
Auch zum Unmittelbarkeitsgrundsatz existieren Ausnahmen. So darf die Beweisaufnahme in bestimmten Fällen einem beauftragten oder ersuchten Richter übertragen werden (z.B. §§ 355 Abs. 1 S. 2, 361, 372 Abs. 2, 375, 434, 479 ZPO). Seit neuestem können die Parteien von Amts wegen (bzw. Zeugen, Sachverständige auf Antrag) auch per Videokonferenz an Terminen teilnehmen (§ 128a ZPO), sofern das Gericht über diese Technik verfügt.[37] Ein Verstoß gegen § 309 ZPO führt zu einem absoluten Revisionsgrund (§ 547 Nr. 1 ZPO).
2. Teil Erkenntnisverfahren › B. Verfahrensgrundsätze › VII. Grundsatz der Öffentlichkeit