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VII. Grundsatz der Öffentlichkeit
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Mündliche Verhandlungen vor dem Zivilgericht sind grundsätzlich öffentlich (§ 169 GVG). Jeder Bürger soll Gelegenheit haben, „dem Richter einen Blick über die Schulter zu werfen“. Geheimgerichte, die hinter verschlossenen Türen Urteile fällen, sind in einem Rechtsstaat verboten.[38] In Familiensachen ist die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten grundsätzlich ausgeschlossen (§ 170 Abs. 1 S. 1 GVG). Die Urteilsverkündung muss aber in jedem Fall öffentlich erfolgen (§ 173 GVG). Die Idee, bei den Landgerichten Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, die in englischer Sprache verhandeln, verstößt jedenfalls nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Gleiches gilt für das richterliche Verbot, bestimmte Motorradkleidung (Hells Angels) im Gerichtssaal zu tragen.[39] Neuerungen bringt das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit (EMöGG).[40] Danach bleiben Fernsehaufnahmen im Rahmen der mündlichen Verhandlung grundsätzlich weiterhin verboten (§ 169 Abs. 1 S. 2 GVG). Jedoch kann der BGH bei Urteilsverkündungen Ton- und Filmaufnahmen gestatten (§ 169 Abs. 3 S. 1 GVG). Zudem sind künftig Tonübertragungen für Journalisten in Medienarbeitsräume zulässig (§ 169 Abs. 1 S. 3 GVG). Vor Beginn und nach Schluss der mündlichen Verhandlung sind Bild- und Tonaufnahmen (in anonymisierter = gepixelter Form) möglich.[41] Aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz resultiert zudem die Pflicht der Gerichte, ihre Entscheidungen öffentlich zugänglich zu machen.[42] Ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr. 5 ZPO).
Beispiel
Liest das erstinstanzliche Gericht nur den Urteilstenor vor und stellt es das mit Gründen versehene Urteil den Parteien erst später zu und dürfen nur die Parteien das Urteil auf der Geschäftsstelle einsehen, verletzt dies den Grundsatz der Öffentlichkeit, da nach Art. 6 EMRK eine öffentliche Verkündung des Urteils vorgeschrieben ist (EGMR NJW 2009, 2873).
2. Teil Erkenntnisverfahren › B. Verfahrensgrundsätze › VIII. Beschleunigungsgrundsatz