Читать книгу Li - Isabella Maria Kern - Страница 21

Der Crash

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Es war ein scheußlicher Tag. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht als er seine Wohnung verließ, um sich auf dem Weg in die Arbeit zu machen. Es war genau sieben Uhr fünfundvierzig als er aus dem Haus ging. Beatrice schien noch zu schlafen. Am Vorabend, bevor Klara nach Hause ging, hatte er zu Beatrice gesagt, dass er in der Mittagspause nach Hause kommen würde, um nach ihr zu sehen. Er würde von der Kantine zwei warme Essen einpacken lassen und sie vorbeibringen.

Die Morgenbesprechung war übel ausgefallen. Der Chef wollte wissen, wie weit Peter mit seinen Recherchen war. Peter konnte ihm darauf keine Antwort geben. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sein Chef war sauer. Nun saß Peter wieder vor einem leeren Blatt Papier. Er griff zum Telefon. Automatisch. Aber er nahm die Hand wieder zurück. Wen sollte er denn anrufen? Die Polizei? Im „La Nuit“ war niemand mehr, den er interviewen hätte können. Er wollte die Geschichte nicht für seinen Chef schreiben!

Plötzlich flog die Tür auf und eben dieser stand vor ihm. Erwartungsvoll trat er näher und sah auf das leere Blatt Papier.

„Was ist los mit dir, Peter?“, begann er in freundschaftlichem Ton, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Peter zuckte mit den Achseln.

„Warum kommst du mit dieser Geschichte nicht vorwärts? Das ist doch eine großartige Sache. Du bist geschaffen für so eine Story. Du holst das letzte Detail heraus. Du begeisterst die Leute mit deinem Schreibstil. Bausch es auf, mach es groß! Bring mir eine Story. Du kannst es! Du kommst groß damit raus, ich spür es.“

Er versuchte wie gewohnt, ihn mit seinen Worten zu motivieren. Meistens gelang es ihm. Er war ein wahrer Motivationskünstler. Seine Leute kamen großartig mit ihm aus. Auch Peter. Normalerweise. Doch nun spürte er Hass in sich aufsteigen. Der Chef ging ihm auf die Nerven. Was hatte der für eine Ahnung? Was wusste er über Li? Er hatte keine Vorstellung davon, wie verzweifelt dieses junge Mädchen gewesen war. Er wusste nichts über das Leid der Mädchen. Es war ihm auch egal. Er wollte seine Story. Peter sah zu ihm auf:

„Ich brauche Urlaub!“, meinte er trocken und ließ den Blick des Chefs nicht los. Dieser rang offensichtlich nach Atem.

„Was soll das?“, fragte er verärgert.

„Was soll was?“, äffte Peter zurück.

„Ich rede gerade von deiner Story, die nächste Woche zum Drucken fertig sein soll und du fragst mich nach Urlaub. Den kannst du vergessen! Nach dem Drucktermin kannst du meinetwegen für eine Woche weg, oder auch länger.“ Er sah Peter verächtlich an und seine Mundwinkel begannen zu zucken.

„Ich brauche JETZT Urlaub. Ab morgen“, sagte Peter ruhig.

„Du bist übergeschnappt!“, schrie ihn der Chef an. Peter war zu seiner eigenen Überraschung noch immer ruhig.

„Du bekommst deine Story auch. Aber nicht jetzt. Ich brauche noch Zeit. Wenn du mich gehen lässt, dann hast du in ein paar Wochen noch eine viel bessere Story.“

Der Chef hatte Mühe seinen aufsteigenden Ärger zu unterdrücken und den Worten von Peter zu folgen. Er kniff die Augen zusammen.

„Was für eine Story?“, fragte er misstrauisch.

„Ich weiß es noch nicht genau“, ließ ihn Peter wissen, was sein Gegenüber nun endgültig aus der Fassung brachte.

„Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank! Ich lass dich jetzt nicht gehen. Eine Woche vor Redaktionsschluss. Ich brauche die verdammte Geschichte über diesen Hurenselbstmord. Die Leute wollen so etwas lesen und du schreibst es! Basta!“ Um seinen Worten mit einer Geste die gebührende Autorität zu verleihen, knallte er mit der Faust auf den Tisch. Peter stand langsam auf, ohne ein Wort zu sagen.

„Was tust du?“, der Chef schaute ihm nervös zu, während Peter die Jacke anzog.

„Ich gehe in Urlaub“, sagte er ruhig.

„Du gehst jetzt nicht!“, brüllte der Chef.

„Ich muss“, war das Einzige, was Peter dazu einfiel.

„Wenn du jetzt dieses Gebäude verlässt, dann brauchst du dich nicht mehr blicken zu lassen“, er spuckte ihm die Worte förmlich über den Schreibtisch. Sein Gesicht war knallrot und er sah aus, als würde er jeden Augenblick vor Wut zerspringen. Peter genoss beinahe dieses Szenario, fühlte sich eher als Zuseher, denn als Mitspieler. Er hatte seinen Chef noch nie besonders geschätzt. Eigentlich war er ein Mensch, der sich an den Schicksalen anderer Menschen ergötzte und damit eine Menge Geld machte. Peter blieb stehen und sah diese mitleiderregende Gestalt an. Er tat ihm leid. Mehr nicht. Peter wurde in diesem Augenblick schmerzlich bewusst, dass er bis vor Kurzem nicht anders war als dieser Mann. Er hatte absolut kein Mitleid mit den Menschen, die er in seiner Zeitung durch den Dreck zog. Er scherte sich nicht darum, wie sehr er andere damit verletzte. Es war ihm sogar egal, ob wirklich alles stimmte, was er schrieb. Sollten sie doch die Zeitung verklagen, wenn es ihnen nicht passte. Ihm war es einerlei. Er war ein arrogantes Arschloch – und stolz darauf!

Peter richtete sich den Kragen, nahm seinen Aktenkoffer, tat noch alle seine persönlichen Sachen hinein und bemühte sich dann, ihn zu schließen. Sein Chef hatte sich auf den Sessel vor dem Schreibtisch niedergelassen, denn er merkte, dass Peter es ernst meinte. Nervös knetete er seine Hände und versuchte nun doch einzulenken.

„Peter. Nun sei doch gescheit. Du weißt, dass es keinen Urlaub vor Redaktionsschluss gibt. Ich kann dich nicht weglassen.“

Peter hatte nun mit Müh und Not den Deckel des Aktenkoffers geschlossen. Er hob den Kopf und wich dem Blick des Chefs nicht aus.

„Es tut mir leid. Ich gehe. Ich kann nicht bleiben. Auch wenn du es momentan nicht verstehst.“

Mit diesen Worten und hoch erhobenem Kopf verließ er sein Büro. Sein Chef blieb noch auf dem Sessel sitzen und sah ihm nach. Er wusste, dass er es akzeptieren musste. Wenn Peter etwas sagte, dann zog er es durch. So gut kannte er seinen Mitarbeiter, der jetzt seit mehr als zehn Jahren bei ihm als einer der besten Journalisten gearbeitet hatte. Aber er konnte nicht verstehen, wie er seinen Posten so mir nichts dir nichts aufgab.

Li

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