Читать книгу Li - Isabella Maria Kern - Страница 8

Li, ganz in weiß

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Peter sah auf die Uhr. Fünf vor neun. Abends. Er war wieder zuhause. Sollte er Klara anrufen? Doch wozu? Sie würde ihm auch nichts sagen können. Hoffentlich hatten sie das Mädchen schon in Sicherheit gebracht. Unruhig ging er im Wohnzimmer auf und ab. Er hatte schon viel zu viele Zigaretten geraucht. Es ekelte ihm davor, dennoch zündete er sich immer wieder eine neue an. Im Grunde passte das Rauchen gar nicht zu Peter. Alles war perfekt und geordnet. Penibel sauber und kein Quäntchen Staub. Doch das Einzige, was nicht perfekt war, waren die Aschenbecher, in denen sich die Zigarettenstummel türmten. Aber sobald Asche rund um den Aschenbecher lag, holte er ein Tuch und machte sauber.

Peter riss das Fenster auf. Wenn er doch nur damit aufhören könnte! Aber was hatte er denn sonst für ein Laster? Ordnungsfimmel, kam ihm in den Sinn. Blödsinn. Er liebte es eben, wenn seine Umgebung ordentlich aussah! Das war auch so an seinem Arbeitsplatz. Peter hatte sein eigenes Büro. Er schrieb für eine Zeitung, war verantwortlich für den Veranstaltungsteil und hatte in jeder Wochenausgabe einen großen Beitrag zu schreiben. Meistens war es ein Interview mit einem besonders bekannten Stadtbürger oder er schrieb über Skandale. Er liebte seine Arbeit. Aber seine Kollegen liebte er nicht besonders. Sie nervten ihn, so wie ihn im Grunde alles nervte. Er war meistens unfreundlich, außer er ging zu einem seiner Interviews, da wusste er schon, wie er sich benehmen musste. Sein Arbeitsplatz war – abgesehen vom Aschenbecher – blitzsauber und alles stand in Reih und Glied. Man konnte die Ordner sogar mit der Wasserwaage kontrollieren – sie standen bestimmt alle perfekt.

Peter setzte sich auf die Couch. Hinter ihm kam die kalte Abendluft durch das geöffnete Wohnzimmerfenster und der Rauch verzog sich schön langsam. Er hatte noch nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, den Glimmstängel für immer aus seinem Leben zu verbannen, dafür war ihm diese Angewohnheit zu vertraut. Wahrscheinlich würde es ihm guttun, denn seit zwei Jahren fiel ihm auf, dass er in der Früh vermehrt hustete. In Gedanken versunken saß er vor dem Fernseher. Er hatte keine Ahnung, welches Programm gerade lief. Er hatte nur eine Sorge: Li!

Einen Moment fragte er sich, warum das so wichtig für ihn war. Er hatte sich doch nicht etwa in sie verliebt? Er erschrak vor diesem Gedanken. Peter versuchte auf seine Gefühle zu hören und er vergewisserte sich, dass es Liebe war, aber reine Nächstenliebe. Li war ein Kind. Und sie tat ihm unendlich leid. Er wollte ihr einfach nur helfen. Denn er konnte ihren traurigen Blick nicht vergessen. Peter hatte noch nie jemandem geholfen, zumindest nicht wissentlich. Er kam sich etwas fremd dabei vor, denn er kannte dieses Gefühl nicht. Beschämt musste er sich eingestehen, dass es ein gutes Gefühl war.

Plötzlich schlug ein starker Windstoß das Fenster zu. Peter erschrak heftig. Sein Herz schlug schneller. Noch nie hatte der Wind das Fenster zugeschlagen. Es gab auch keinen Luftzug. Wie war das möglich? Peter ging zum Fenster und spähte hinaus in die Nacht. Es war ganz leise. Kein Lüftchen regte sich und keine Autos waren auf der Straße. Irgendwie kam es ihm gespenstisch vor. Den Abendstern konnte man am wolkenlosen Himmel strahlen sehen. Aber warum war das Fenster zugefallen, wenn nicht einmal ein Wind ging? Kopfschüttelnd und mit klopfendem Herzen schloss er das Fenster und setzte sich wieder auf die Couch. Er fand keine Erklärung, es war auch egal. Ein paar Minuten später sprang er wieder von der Couch auf und rief Klara an. Aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Er brauchte jemanden zum Reden. Er fühlte sich elend.

Peter legte sich auf die Couch und schlief ein. Letzte Nacht hatte er so gut wie gar nicht geschlafen und der Schlafmangel holte ihn nun ein. Im Traum sah er Li in einem weißen, wallenden Gewand über eine Blumenwiese laufen. Sie blieb stehen und sah ihn an. Ihre Augen hatte wieder etwas Leuchtendes. Ihre ganze Traurigkeit war von ihr abgefallen. Sie streckte ihm die Hände entgegen. „Komm! Spiel mit mir. Hier ist so schön. Alles!“, rief sie fröhlich. Schweißgebadet wachte Peter auf. Er hatte ihre Stimme so deutlich vernommen. Er setzte sich auf der Couch auf und schaute um sich. Niemand war da.

Im Fernsehen lief Endloswerbung. Er sah auf die Uhr. Viertel nach drei. Er war doch tatsächlich eingeschlafen. Am Handy war Klaras Rückruf. Den hatte er verpasst! Um diese Zeit konnte er sie nicht mehr anrufen. Er rappelte sich auf, ging ins Badezimmer, putzte sich rasch die Zähne und wankte ins Schlafzimmer, wo er sich angezogen ins Bett fallen ließ. Er hatte nicht einmal mehr die Zahnpastatube zugeschraubt und das Handtuch einfach liegen gelassen.

Li

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