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Mutlose Beatrice

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Beatrice war am Ende der Treppe zusammengebrochen. Sie konnte den Anblick nicht ertragen. Der fein gekleidete Polizist war atemlos im Obergeschoß angekommen und ahnte Schreckliches. Was er sah, verschlug ihm tatsächlich den Atem. Das junge Mädchen hatte sich, nach Aussage ihrer Kolleginnen, das Leben genommen. Nur wenige Minuten später waren eine Menge Polizisten und Beamte von der Spurensicherung vor Ort. Alle Mädchen heulten und schrien hysterisch durcheinander. Eine Polizistin kümmerte sich um sie und brachte sie ins Erdgeschoß, in eine Art Aufenthaltsraum, wo die Mädchen zwischen ihren „Diensten“ eine kurze Pause machen konnten. Er lag gleich hinter der Bar und war ein sehr hässlicher Raum. Die Wände waren kahl und der Zigarettenrauch hatte seinen Teil dazu beigetragen, um sie gelblich-braun erscheinen zu lassen. Eine kleine Kochplatte erlaubte ihnen Tee zu kochen und in einer Ecke, auf einem schiefen Kästchen, das umzukippen drohte, stand eine alte Kaffeemaschine, die offensichtlich schon lange nicht mehr gereinigt worden war, denn das Glas war von braunen Schlieren durchzogen und der Kalk tat sein Übriges. Die Mädchen setzten sich an den großen Tisch. Es lagen Brösel zwischen den klebrigen Rändern, die die Gläser hinterlassen hatten. Keine sagte ein Wort. Zwei Mädchen hielten sich eng umschlungen und schluchzten abwechselnd. Die Polizistin war nicht sicher, ob sie wegen dem Verlust einer Kollegin traurig waren, oder ob sie Angst hatten vor der Tatsache, dass es vielleicht doch kein Selbstmord, sondern Mord war. Nun betrat Beatrice den Raum. Ihre Beine wollten sie kaum tragen. Die Polizistin schob ihr einen Stuhl hin, Beatrice nickte dankbar und ließ sich darauf nieder.

„War die Kleine neu hier?“, begann die Polizistin mit ihrer Befragung. Sie bekam keine Antwort. Die Polizistin seufzte. Viel würde sie von den Damen wahrscheinlich nicht erfahren, vermutete sie, zumindest jetzt nicht. Sie öffnete die Tür einen Spalt und rief nach einem Kollegen. Oben standen genug herum. Sie brauchte hier Hilfe. Johann, ein etwas älterer, grau melierter Kollege, betrat den Raum. Ängstlich blickten ihn die Mädchen an.

„Wer ist euer Chef?“, fragte er unfreundlich und stemmte seine Hände in die Hüften. Andrea, seine Kollegin, sah ihn strafend an. Mit diesem Ton würde er bei denen nicht weit kommen. Also mischte sie sich ein:

„Ihr habt doch einen männlichen Vorgesetzten, nicht?“, Johann verdrehte die Augen.

„Wo ist euer Zuhälter?“ bellte er. Beatrice fasste sich zuerst. Sie schaute ihn an.

„Der ist abgehauen. Ich weiß nicht wohin.“ Johann machte einen Schritt auf sie zu.

„Das glaube ich dir. Wo könnte er denn sein?“ In seinem Ton schwang Verachtung. Doch als er sie lange ansah und Beatrice nicht antwortete, fiel ihm ihre blasse Schönheit auf. Er dachte an ihren Beruf und unweigerlich regte sich in ihm ein Verlangen. Was könnte man mit der wohl alles anstellen?, fragte er sich insgeheim. Beatrice kannte die Männer nur allzu gut, um zu wissen, woran er gerade dachte. Sie hasste ihn. Er war einer dieser Männer, die kein Fünkchen Respekt vor ihnen hatten. Der nicht den Menschen hinter der Hure sah. Sie hasste ihn abgrundtief.

„Er ist vor einer halben Stunde mit einem Koffer in seinem Auto weggefahren. Er hat nichts mehr zu uns gesagt. Er meinte nur, dass jetzt alles aus ist.“ Beatrice fühlte sich matt. Sie wollte schlafen. Vergessen. Sie nahm einen Schluck Vodka aus der Flasche, die in der Mitte des Tisches stand.

„Wo ist sein Zimmer?“, fragte Johann unfreundlich.

„Im ersten Stock, gleich die zweite Tür links.“

Es war Beatrice egal, wenn sie die Tür eintraten. Außerdem war es ihr egal was aus Mario wurde. Lange genug hatte er sie und die Mädchen gedemütigt. Vielleicht würde er nun seine gerechte Strafe bekommen. Sie wusste, was er mit Li gemacht hatte. Die Brandwunden hatten fast alle ihre Kolleginnen bekommen. Ungehorsam und Abhärtung! Ja, das war es, was Mario konnte – züchtigen! Beatrice nahm noch einen Schluck. Johann ging zur Tür und schickte zwei Kollegen nach oben, um das Zimmer des Zuhälters zu durchsuchen. Dann wandte er sich wieder an Beatrice.

„Na, Chefin. Das bist du doch, oder?“, seine Augen funkelten.

„Nein. Aber ich bin schon am längsten im Gewerbe und ich habe die Mädchen unter meine Fittiche genommen, falls es dir passt, Schlaumeier.“ Beatrice konnte ihren Zorn nicht mehr im Zaum halten. Dieser präpotente Polizist machte sie aggressiv. Beatrice hatte sich noch nie als Chefin gesehen, aber sie war bestimmt diejenige, die sich um alles kümmerte. Sie machte Termine beim Frauenarzt aus, war da, wenn ein Mädchen sie brauchte, ging mit ihnen einkaufen und versorgte sie mit allem Möglichen. Johann verzog keine Miene. Irgendwie machte ihn ihre aufmüpfige Art nur geil. Am liebsten hätte er sie hier und jetzt gevögelt.

„Habt ihr Papiere?“, wollte er wissen.

Beatrice spielte mit dem Feuer. Sie wusste, dass nicht alle der Mädchen registriert waren. Und Li schon gar nicht.

Sie nickte. „Natürlich. Dafür hat Mario immer gesorgt.“

„Gut, das werden wir überprüfen. Solange bleibt ihr alle hier“, sagte Andrea, die Polizistin, und verließ den Raum.

Sie schaute noch einmal zur Tür herein und wandte sich an Beatrice.

„Wissen Sie, wo er die Papiere aufbewahrt hat?“ Beatrice zuckte mit den Achseln.

„Vermutlich in seinem Zimmer. Oder bei seinem Steuerberater. Keine Ahnung. Wenn wir zum Frauenarzt mussten, hat er sie uns immer mitgegeben. Danach mussten wir sie ihm sofort wieder zurückgeben.“ Andrea ging.

Johann starrte Beatrice an. Ihr war es unangenehm. Sie trug nicht viel an ihrem Körper und in diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher als Jeans und einen dicken Rollkragenpullover.

„Darf ich mich umziehen gehen? Ich komme gleich wieder.“, fragte sie deshalb. Johann grinste dreckig.

„Nein, Süße. Wer weiß, ob du dann wiederkommst. Außerdem gefällst du mir so besser… Es sei denn, ich darf dir beim Umziehen helfen.“ Beatrice wurde übel. Dieses Schwein! Typisch! Sie hasste Männer. Dieses Gefühl wurde immer stärker. Sie hasste sie aus tiefstem Herzen. Sie wusste, dass es ihr letzter Tag hier war. Das Bordell würde seine Türen schließen müssen. Und sie wusste, dass sie nie wieder die Beine breit machen würde für einen Kerl. Sie hatte genug. Arme Li!

Li

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