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Wissenschaftsmeister Koriat

System: 1654-Z65-7559-MM08-2884

Interner Systemname: Tauros

Zeitrechnung: Jahr 23 nach der Ankunft (n.d.A.), 26. Woche

Berichterstatterin: Eyra (nachgetragen)

Am letzten Wochenende habe ich heulend auf dem Bett gelegen. An diesem Wochenende bin ich glücklich und erschöpft. Heute war wieder Training. Ich hatte Thanat erzählt, dass ich Kampfsport betreibe. Er hat mich gefragt, ob er zum Training mitkommen könne. „Warum nicht?“, habe ich gesagt.

So kam es, dass Thanat heute vor meinem verblüfften Trainer stand. Der hat sich aber schnell gefasst.

„Hast du schon Erfahrung im Kampfsport?“

„Hmm, hin und wieder habe ich mich damit befasst. Und ich habe ein Buch darüber gelesen.“ Auffällig gleichmütig sah er meinen Trainer an.

Mein Trainer lachte. „Ein Buch, soso. Dann zeig mal, was du kannst. Ich greife dich an.“

Zwei Sekunden später lag mein Trainer auf der Matte. Ich konnte nicht erkennen, wie Thanat das gemacht hat. Auch alle anderen Angriffe hat er mühelos abgewehrt. Dann sollte er angreifen. Mein wirklich, wirklich guter Trainer hatte nicht den Hauch einer Chance. Der längste Widerstand dauerte zwanzig Sekunden. Ich hatte ganz leicht das Gefühl, dass Thanat sich extra zurück genommen hatte.

Nach der - Demonstration ist wohl das richtige Wort - hat mein Trainer gelacht. „Kannst du mir das Buch mal leihen?“ Anschließend hat er Thanat und mich zusammen trainieren lassen. Er meinte nur, dass ich dann endlich mal einen Gegner hätte, den ich nicht nur durch meine überlegene Reichweite besiegen kann.

Anfangs war ich etwas scheu, ihn anzufassen oder zu schlagen. Thanat hat nur gelacht, mich ein paar Mal schwungvoll auf die Matte geschleudert und gemeint: „So, jetzt zeig es mir.“

Und es ist wirklich ein Unterschied, wenn man nicht auf seinen größten Vorteil vertrauen kann. Thanat ist ein exzellenter Trainer. Interessanterweise bekomme ich manchmal immer noch Stiche im Kopf, wenn wir uns die Hand geben. Ich habe das Gefühl, als wenn ich seine Anweisungen sofort fest im Bewegungsspeicher meines Gehirns ablegen und von dort abrufen kann. Neue Techniken saßen nach nur wenigen Wiederholungen.

Am Ende des Trainings hat Thanat sich vor mir verneigt. „Es war mir ein außerordentliches Vergnügen, mich mit einer wahren Dame herum zu prügeln.“ Gemeinerweise sagte er das, als ich gerade etwas Wasser trank. Völlig undamenhaft habe ich einen ganzen Schluck Wasser durch meine Nase wieder hinaus geprustet. Der Lump. Das hat er extra gemacht. Bestimmt.

Auch meine Eltern registrieren meine veränderte Stimmung. Wie könnte es anders sein? Wahrscheinlich kann man mir ansehen, dass ich viel entspannter bin. Ich bin nicht mehr der einzige Riese in der Schule. Und Thanat ist überall, wo ich auch bin. Jeden Morgen steht er an der Haltestelle, wenn mein Bus ankommt. Er trägt meine Tasche zur Schule und ins Klassenzimmer. Ich hake mich immer bei ihm ein, wenn wir über den Schulhof gehen. Wie bei einem Eisbrecher teilt sich die Schülerschar vor uns, wenn wir auf den Eingang der Schule zusteuern. Jeder begafft uns, aber niemand sagt auch nur ein abfälliges Wort. Schon wenn einer den Mund verzieht, fängt er sich einen warnenden Blick von meinem Beschützer ein. Eine ganze Woche ohne Pöbeleien, herrlich! Selbst die Privaten halten sich zurück. Ein paar Mal habe ich mitbekommen, wie sie dazu ansetzten, mich mies zu behandeln. Jedes Mal sah ich aber auch DIE Blicke von Thanat. Das genügte.

Und der Grund dafür? Den hat Thanat gleich am zweiten Tag, dem Tag nach seiner Ankunft in der Schule, geliefert. Er erwartete mich das erste Mal an der Bushaltestelle. Lächelnd nahm er mir meine Tasche ab und hängte sie sich um. Mit einer Verbeugung bot er mir seinen linken Arm an. Lachend und mit dem Gehabe einer Dame von Welt hakte ich mich bei ihm ein. Plaudernd betraten wir den Schulhof. Als ich sah, wie aufmerksam wir von allen Seiten beobachtet wurden, war mir augenblicklich klar, dass etwas im Busch war. Das altbekannte Grummeln im Magen setzte sofort ein. Thanat drückte kurz meinen Arm an seinen Körper. Irgendwie wirkte das beruhigend. Wir passierten eine Gruppe der Privaten. Plötzlich trat einer vor und warf eine Frucht in meine Richtung. Reaktionsschnell fing Thanat die überreife Frucht auf, bevor sie mich traf. Aus der Fangbewegung heraus schleuderte er sie zurück. Mit einem quatschenden Geräusch zerplatzte die Frucht im Gesicht des Werfers. Von der Wucht des Aufpralls und sicherlich durch den Schreck stolperte der Kerl einen Schritt zurück und riss eines der Mädchen um, die hinter ihm standen und meine geplante Demütigung beobachten wollten. Ich sah, dass ein weiterer Schüler eine Frucht in der Hand hielt. Ein Blick von Thanat veranlasste ihn dazu, sie fallen zu lassen. Der Typ wurde regelrecht bleich, nur durch die Art, wie Thanat ihn angesehen hat.

Wir gingen weiter zum Eingang der Schule. Weit kamen wir aber nicht. Denn Aftan baute sich vor uns auf. Drohend ließ er seine Fingerknöchel knacken. Verächtlich spuckte er vor mir auf den Boden. Ansatzlos holte er aus, um mir eine Ohrfeige zu verpassen. Zentimeter vor meinem Gesicht wurde sein Arm von Thanat abgefangen, bevor ich reagieren konnte. Er riss den Arm herum, so dass Aftan mit dem Rücken zu ihm stand. Thanat packte sich den Kragen von dessen Jacke, verdrehte ihn und hob Aftan mit einem Arm hoch. Ich hätte das Muskelpaket wahrscheinlich nicht mal mit beiden Armen heben können. Thanat aber hielt ihn mit einem Arm in der Luft, als wenn er nichts wiegen würde. Und das, obwohl Aftan wie verrückt zappelte. Am ausgestreckten Arm trug Thanat ihn zu dem großen Baum, der in der Mitte des Schulhofes steht. Unter dem Baum sind Bänke und zwei Mülleimer aus einem Metalldrahtgeflecht. Gut gefüllte Mülleimer. Mit Essensresten gefüllte. Thanat packte sich ein Bein von Aftan, wirbelte ihn herum und ehe mein Peiniger es sich versah, steckte er tief im Mülleimer. Im gefüllten. Mit dem Kopf voran. Mit eingeklemmten Armen. Und zappelnden Beinen.

Lässig lächelte Thanat und bot mir erneut seinen Arm an. Ich hakte mich wieder ein und wir gingen den restlichen Weg bis zu den fünf Stufen zum Eingang des Gebäudes. Am Fuß der breiten Treppe wartete Dani und lachte über das ganze Gesicht. Sie folgte uns die Treppe hinauf. Oben angekommen drehte Thanat sich um und zog mich mit. Er legte mir seinen linken Arm in beschützender Geste um die Schulter. Seine rechte Hand ruhte auf Danis Schulter. In aller Ruhe ließ er seinen Blick über die Schüler schweifen. Es herrschte absolute Stille, außer dem Gejammer von Aftan. Aber das klang nur gedämpft aus dem Müll hervor.

Er sagte nichts. Kein Wort. Trotzdem haben ihn alle verstanden. Nun wusste es selbst der größte Dummkopf. Dieses war ab sofort SEINE Schule. Es gelten nun SEINE Regeln. Und wir stehen unter seinem Schutz. Die Macht, die von ihm ausstrahlte, war fast greifbar.

Nach dieser wortlosen, aber klaren Ansage gingen wir ins Gebäude. Vorbei an einer Frau Mondran, die uns mit strahlenden Augen angrinste.

Dani ist voll in der Fangemeinde von Thanat angekommen. Er hat sie im Sturm erobert, als am zweiten Tag in der Mittagspause eine Gruppe der hübschesten Mädchen zu uns kam und Thanat zu sich an den Tisch einladen wollte.

Thanat hat sie nur kurz angesehen und dann gesagt: „Danke für das Angebot. Aber ich fühle mich hier sehr wohl. Eyra und Dani bieten mir mehr Charme, Witz, intelligente Gespräche und Anmut als ich benötige für eine entspannte Pause. Deshalb bleibe ich lieber hier.“

Beleidigt zogen die selbst ernannten Schönheitsköniginnen ab.

Dani hatte Thanat nur angesehen. Dann hat sie laut losgelacht und ihn umarmt. Habe ich schon erwähnt, dass sie manchmal sehr direkt ist?

Heute beginnt also Woche zwei meiner persönlichen Zeitrechnung. Vor und seit Thanat.

Als ich den Klassenraum betrete, ist Frau Mondran schon da. Thanat betritt den Raum direkt nach mir. Nachdem wir uns hingesetzt haben, sieht Frau Mondran mehrfach mit einem sehr komischen Blick zu uns rüber. Auch während des Unterrichts fange ich mehrere Blicke von ihr auf, die ich einfach nicht deuten kann. Ich werde immer unruhiger.

Zehn Minuten vor Ende der Stunde sind wir alle völlig überrascht, als Frau Mondran mitteilt: „Das genügt für heute. Ihr könnt schon gehen. Eyra und Thanat bitte ich noch zu bleiben.“

Ich sehe Thanat mit fragendem Blick an. Der zuckt aber nur mit den Schultern und lehnt sich entspannt zurück. Als die Klasse leer ist, kommt Frau Mondran zu uns.

Sie sieht Thanat eine Weile stumm an. Dann geht ihr Blick zu mir. „Du hast doch letzte Woche mitbekommen, wie Thanat mir eine Telefonnummer aufschrieb, die ich wegen eurer Theorie anrufen soll.“ Ich nicke. „Weißt du, wem die Nummer gehört?“ Ich schüttele den Kopf. Frau Mondran sieht wieder zu Thanat. „Ich habe sie gestern angerufen. Gemeldet hat sich Wissenschaftsmeister Borde Koriat!“

Ich schnappe nach Luft und sehe Thanat an. Bevor ich etwas sagen kann, fährt Frau Mondran fort.

„Es ist schon erstaunlich genug, dass du überhaupt seine private Telefonnummer kennst. Er hat mich auch sofort danach gefragt, woher ich sie haben würde. Als ich ihm von dir erzählte, hat er laut aufgelacht und gemeint: ‚Ach, da treibt der Kerl sich herum.‘“

Frau Mondran mustert Thanat einen Moment. „Er fuhr dann fort, dass es sicher einen guten Grund geben würde, weswegen ich ihn anrufe. Ich habe ihm dann von eurer Theorie erzählt. Er bat mich, ihm eure Zeichnungen zu faksimilieren. Nach meinem Faks rief er mich wieder an. Er wollte ganz genau wissen, wie eure Theorie geht. Ganz, ganz genau. Ich habe mich wie in einer Prüfung an der Uni gefühlt. Dann hat er sehr tief Luft geholt und gemeint, soeben hätte ich ihm die Lösung des Rätsels der Vererbungslehre und die Entstehung des Lebens verraten. Ich, eine Lehrerin an einer Schule, auf der Basis der Theorie zweier Schüler.“

Sie holt einen Moment Luft. Die Erinnerung an das Gespräch nimmt sie sichtlich mit. Ich kann es kaum glauben, dass Meister Koriat diese Theorie so ernst nimmt. Mein Seitenblick zu Thanat verrät, dass er leise vor sich hin grinst.

„Und dann hat Meister Koriat gefragt, ob es mir Recht wäre, wenn er sich am Vierten mit euch und mir hier treffen könnte. Meister Koriat! Hier!“

Ich warte gespannt, was Frau Mondran ihm geantwortet hat.

„Wir treffen uns am Vierten abends um acht bei mir zu Hause.“

Ich fasse es nicht. Ich soll mich mit Meister Koriat treffen? Mit der Lichtgestalt der Biologie? Frau Mondran ist ebenso ergriffen wie ich. Wir sehen uns nur mit großen Augen an. Synchron drehen wir uns zu Thanat. Frau Mondran sieht ihn an. „Du wirst mir einiges zu erklären haben, junger Mann.“

Thanat bleibt ganz ruhig. „Am Vierten. In Ordnung?“

„Da muss ich ja wohl warten. Zwingen kann ich dich bestimmt nicht.“

Bevor sie geht, hält sie noch inne. „Was hat er wohl mit seinem letzten Satz gemeint, dass wir uns noch wundern würden, jetzt, wo du hier wärst?“

Thanat schaut sie ganz unschuldig an.

„Ich habe keinen blassen Schimmer.“ Seinem unschuldigen Blick glaube ich keine Sekunde.

Am Vierten bin ich völlig durch den Wind. Ich werde Meister Koriat persönlich begegnen. Meinem wissenschaftlichen Vorbild. Dem Verschollenen.

Mit schwitzenden Händen stehe ich zehn Minuten vor acht vor der Haustür meiner Lehrerin. Auf mein Klingeln öffnet sie. Sie führt mich in ihr Wohnzimmer. Neugierig schaue ich mich um. Meine Biologielehrerin hat offenbar ein Faible für Naturfotografie. Wundervolle Aufnahmen von Bäumen und Blumen schmücken alle Wände.

„Haben Sie die alle selbst gemacht?“

Frau Mondran lächelt. „Ja, Naturfotografie ist mein Hobby.“

„Die Aufnahmen sind fantastisch.“ Frau Mondran freut sich sichtlich über das Lob.

Thanat ist bereits da. Ich setze mich zu ihm auf das Sofa.

Pünktlich um acht klingelt es erneut. Sichtlich aufgeregt läuft Frau Mondran zur Tür. Ich höre ihre atemlose Stimme, wie sie Herrn Koriat begrüßt. Gemeinsam betreten sie das Wohnzimmer. Ich erhasche einen Blick auf eine finstere Gestalt, die an der Wohnungstür stehen bleibt. Ein Leibwächter wie aus dem Bilderbuch. Ich erinnere mich, dass Herr Koriat geschrieben hat, dass er nach Libertah geflohen sei. Anscheinend benötigt er immer noch Schutz.

Thanat und ich stehen längst. Herr Koriat wendet sich zuerst mir zu. Ich merke, wie jeder Zentimeter meines langen Körpers ins Schwingen gerät. Borde Koriat, mein Idol, steht vor mir! Natürlich ist er kleiner als ich. Er ist schon etwas älter. Graue Strähnen machen sich in seinem Fell bemerkbar. Aber seine Augen sind hellwach und funkeln mich neugierig an. Nach einem Moment der Musterung lacht er freundlich und reicht mir die Hand.

„Das muss die Entdeckerin der Doppelhelix sein. Deine Lehrerin hat mir schon so Einiges über dich erzählt, Eyra. Aber dich vor mir zu sehen, beeindruckt mich viel mehr. Ich bin mir sicher, dass die Welt noch Bedeutendes von dir hören wird.“ Mein Gehirn ist wie Gummi als wir uns die Hand schütteln.

Mehr als ein schüchternes „Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen.“, bringe ich nicht hervor. Nach einem letzten freundlichen Lächeln lässt er meine Hand los. Schließlich steht er Thanat gegenüber.

Beide schauen sich einen Moment an. Dann lachen sie gleichzeitig los und umarmen sich, wobei Thanat sich weit herunter beugen muss.

Herr Koriat schlägt Thanat fest auf die Schulter und meint: „Es ist schön, dich zu sehen. Wann kommst du mal wieder nach Libertah? Ich habe einen neuen Schaumwein gefunden, den müssen wir unbedingt zusammen probieren. Auf dein Urteil bin ich gespannt.“

„Bald. Im Moment habe ich noch etwas zu erledigen.“

Warum schaut Meister Koriat mich nach dieser Aussage an?

Meine Lehrerin und ich sehen uns an, als ob wir im falschen Film sind. Mein Mitschüler und Meister Koriat sitzen anscheinend häufiger zusammen und trinken Schaumwein. Auf Libertah. Wie passt das denn? Herr Koriat sieht unseren Blick und versteht ihn natürlich richtig.

Er lacht laut. „Ich vermute, es gibt so manches Detail aus dem Leben unseres Langen, das Thanat Ihnen noch nicht erzählt hat.“ Er wird übergangslos ernst. „Zum Beispiel, dass er mir und meiner Familie das Leben gerettet und uns nach Libertah gebracht hat.“

Ich schaue erst ihn, dann Thanat mit großen Augen an. Mein Mitschüler rettet mal eben das Leben eines der größten Wissenschaftler und sitzt dann in aller Seelenruhe in der Schulbank neben mir? Mein Blick muss wohl ziemlich böse ausfallen. Denn Thanat sieht mich entschuldigend an und zieht dann gespielt ängstlich den Kopf zwischen die Schultern.

Herr Koriat bekommt sich vor Lachen gar nicht mehr ein. Erneut schlägt er Thanat auf die Schulter. „Hat sich endlich jemand gefunden, der dich Mores lehrt? Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.“ An mich gewandt, fährt er fort. „Ich werde immer neugieriger, dich kennen zu lernen, Eyra. Jemand, der Thanat mit einem Blick nieder zwingt …“ Er schüttelt lachend den Kopf.

Nachdem wir uns beruhigt haben, setzen wir uns und Herr Koriat befragt uns, vor allem mich, zu unserer Theorie der Doppelhelix. Nach wenigen Minuten entwickelt sich das Gespräch zu einem fachlichen Austausch zwischen Herrn Koriat und mir. Ich habe keine Mühe, seinen Ausführungen zu folgen und kann mit ihm auf Augenhöhe diskutieren. Ein kleiner Winkel meines Gehirns fragt sich, wieso ich sooo gut in Biologie bin. Ein Seitenblick zu meiner Lehrerin zeigt mir, dass sie sich die gleiche Frage stellt.

Nach fast zwei Stunden beenden wir das Gespräch. Die Augen von Herrn Koriat, Borde, wie wir ihn jetzt ansprechen sollen, leuchten in wissenschaftlichem Eifer.

Er nimmt meine beiden Hände in seine. „Junge Dame, du hast mich unendlich glücklich gemacht. Sobald ich zurück auf Libertah bin, werde ich darüber einen Aufsatz schreiben. Wenn es für dich in Ordnung ist, nenne ich dich als Mitautorin.“

„Aber was ist denn mit Frau Mondran und Thanat?“

Frau Mondran lacht nur. „Ich habe ja zu der Idee nichts beigetragen.“

Borde will das nicht unkommentiert stehen lassen. „Sei nicht so bescheiden. Du hast den Wert der Theorie erkannt und dich mit mir in Verbindung gesetzt. Sie hätte ja auch völliger Unsinn sein können und du hättest dich lächerlich gemacht. Leider ist solcher Mut heute selten geworden. Wenn du den Lehrerberuf an den Nagel hängen möchtest, komm zu mir. Ich suche in meinem Wissenschaftsteam immer aufgeschlossene Verstärkung. Deinen Anteil werde ich in meinem Artikel deutlich heraus streichen.“

Frau Mondran klappt der Unterkiefer herunter. „Ich, bei dir im Forschungsteam? Das würde wirklich gehen?“

„Ja, ruf mich an. Meine Nummer hast du ja.“

Frau Mondran stehen Tränen in den Augen. Ich erkenne, dass das ihr Lebenstraum ist.

„Du hast auch gleich den richtigen Umzugshelfer an der Hand.“ Er weist auf Thanat. „Stimmt doch, oder, Kleiner?“ Dabei grinst er ihn spöttisch an.

Thanat lächelt nur. „Kann sein. Ich könnte ein paar Beziehungen spielen lassen.“

Ich verstehe wirklich nicht, was an der Bemerkung so lustig ist, dass Borde laut auflacht. Thanat hat mir Einiges zu erklären. Das ist man ganz sicher.

„Was ist denn mit Thanat? Es war doch auch seine Idee.“, frage ich Borde Koriat.

„Ich glaube in Thanats Namen zu sprechen, wenn ich sage, er verzichtet gerne darauf, im Mittelpunkt zu stehen. Er hat mir früher schon ein paar Denkanstöße gegeben. Wenn ich ihn dann erwähnen wollte, hat er das immer vehement abgelehnt.“

Thanat nickt dazu.

Meine Lehrerin wirft ein. „Aber bedenke doch, was die Mitautorenschaft in solch einem Artikel für deine berufliche Zukunft bedeutet. Dir stünden Tür und Tor offen. Alleine deine Prüfung verbessert sich deutlich. Neben deiner Note bekämst du ein dickes Plus im Fach Biologie.“

In unserem Schulsystem ist es so, dass im Prüfungsjahr nicht nur die Ergebnisse der Arbeiten zählen. Wenn man Herausragendes in der Zeit vollbracht hat, erhält man einen Bonus. Der Bonus wird mit Punkten bewertet. Je dicker der Bonus, desto mehr Punkte. Wer am Ende die meisten Punkte gesammelt hat, bekommt schlicht und einfach das beste Diplom. Die Mitautorenschaft in einem Artikel eines so hoch angesehenen Wissenschaftlers würde mindestens genauso viele Punkte bringen, wie die Bestnote in dem Fach. Mir wird ganz schwindelig bei dem Gedanken.

Thanat aber lehnt ab. „Danke, ich weiß das zu würdigen. Aber Eyra soll als Mitautorin alleine genannt werden. Ich habe meine Gründe.“ Richtig geheimnisvoll, wie er den letzten Satz ausspricht.

„Wie du willst.“

Meister Koriat verabschiedet sich von uns, bevor er mit seinem Leibwächter verschwindet.

Frau Mondran und ich sitzen noch völlig fassungslos im Wohnzimmer. Dieses Gespräch müssen wir noch verdauen. Irgendwann räuspert sich Thanat.

„Soll ich dich nach Hause bringen? Morgen haben wir wieder Schule.“

Ich sehe ihn an. Was meint er mit Schule? Gerade eben habe ich noch mit der Lichtgestalt der Biologie wie mit einem Gleichgestellten diskutiert und nun soll ich wieder in die Schule? Aber dann macht es Klick. Stimmt, da war noch was.

Wir stehen auf und verabschieden uns von unserer Lehrerin. Ich bin ganz überrascht, als sie mich umarmt.

„Ich bin so froh, dich zu kennen. Du glaubst gar nicht, was mir dieses Angebot bedeutet. Wahrscheinlich werde ich nach diesem Schuljahr den Arbeitgeber wechseln.“ Sie hat dabei ein verträumtes Lächeln auf dem Gesicht.

„Warum gehen Sie nicht jetzt schon?“, die Frage brennt mir förmlich auf der Zunge.

Verschmitzt grinsend sieht sie mich an. „Und damit deine Zeit an der Schule verpassen? Nie im Leben! So interessant wie gerade, habe ich die Schule noch nicht erlebt.“ Sanft streicht sie über meinen Oberarm.

Nachtrag:

Wenige Wochen später hat Borde sein Versprechen wahr gemacht und einen Artikel veröffentlicht. Ich stehe als zweite Autorin neben seinem Namen. Der Artikel schlägt wie eine Bombe ein. Wissenschaftler aus aller Welt diskutieren darüber. Unzählige Talkshows befassen sich damit. Er schafft es mühelos in die Hauptnachrichten aller Sender. Und mein Name fällt immer wieder.

Eines Tages ruft unsere Direktorin die ganze Schule in der großen Aula zusammen. Sie berichtet von der bahnbrechenden neuen Erkenntnis in der Biologie, von der Bedeutung der Entdeckung der Doppelhelix und von meinem Anteil daran. Sie schließt damit, dass ich für diese Leistung einen dreifachen Bonus erhalte.

Wurde ich früher gehänselt und geärgert, werde ich danach wie ein Weltwunder angestarrt. Ist auch nicht so viel besser. Aber angenehmer.

Außerdem ist es nichts, verglichen mit dem, was ich in der Zwischenzeit erlebt habe.

Thanats Welten 1 - Tauros

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