Читать книгу Thanats Welten 1 - Tauros - J. Reiph - Страница 25
ОглавлениеExkursion
System: 1654-Z65-7559-MM08-2884
Interner Systemname: Tauros
Zeitrechnung: Jahr 24 nach der Ankunft (n.d.A.), 4. Woche
Berichterstatter: Thanat
Höchst ungewöhnlich. Am Ersten hat Frau Mondran der Klasse mitgeteilt, dass am Dritten eine Exkursion stattfinden soll. Ziel und Thema soll eine Fabrik sein, in der industriell benötigte Gase und Öle hergestellt werden. Das ist in der Abschlussklasse etwas ungewöhnlich. Sei’s drum.
Also begeben wir uns am Morgen des Dritten in einen Bus und werden zu dem Werk gefahren. Vielleicht bin ich etwas paranoid. Nach den Vorkommnissen der letzten Wochen achte ich noch mehr auf unsere Umgebung. Aber weder bei dem Busfahrer, noch bei den begleitenden Lehrern kann ich in deren Auren Ungewöhnliches entdecken. Sogar Eyra wirkt ausgesprochen wachsam. Beruhigend gebe ich ihr meine Hand. Nicht, dass ich nicht sowieso gerne ihre Hand halte. Oder sie meine.
Ein Wachmann reicht uns einen Karton mit Besucherausweisen rein, die wir umhängen müssen. Schließlich hält der Bus auf einem Besucherparkplatz. Ein Mann in einem blauen Kittel steht bereits parat und wartet sichtlich auf uns. Nachdem endlich alle ausgestiegen sind, betrachtet er seine heutige Gruppe. Nicht ohne Eyra und mich entgeistert anzusehen. War ja klar.
Er fängt sich aber recht schnell. „Guten Tag. Ich heiße Sie bei ‚Tauros Gase und Öle‘ willkommen. Bitte bleiben Sie zusammen und folgen Sie mir.“ Okay, nicht sooo herzlich jetzt, aber egal. Seine Aura ist unauffällig.
Wir werden in ein Gebäude geleitet. Ein typischer Verwaltungsbau in einem typischen Industriebetrieb. Nüchtern, sachlich, ohne Schnickschnack. Im Erdgeschoss ist ein spezieller Besucherraum. Der ist gekennzeichnet durch ein Podest, eine große Leinwand und ein Auditorium mit mehreren Reihen Besucherstühle, die auf ansteigenden Rängen angeordnet sind. Eyra und ich suchen uns ganz hinten und oben Plätze. Wir wollen ja niemandem die Sicht nehmen.
Unser Lehrer stellt sich zu einem weiteren Mitarbeiter, der einen weißen Kittel trägt. Ansonsten ist er ein unauffälliger Typ, wie seine Aura verrät. Ist doch alles ganz harmlos? Sehe ich vielleicht schon Gespenster?
Es folgt ein einstündiger Vortrag über technische Gase, die Bedeutung von Ölen in der Hydraulik und den immerwährenden Bedarf der Industrie an fähigem Nachwuchs. Aha, daher weht der Wind. Personalsorgen. Gegen Ende seines Vortrages werden wir in kleinere Gruppen aufgeteilt. Eyra und ich finden uns mit sechs anderen Schülern bei dem Mann ein, der uns abgeholt hat. Ein prüfender Blick auf unsere Gruppe zeigt, dass weder Kurd noch einer seiner Kumpane dabei ist. Und es ist wohl niemand auf die Idee gekommen, Eyra und mich trennen zu wollen. Na, das hätten sie mal versuchen sollen!
Der Mitarbeiter führt uns zuerst in ein chemisches Labor. Wir bekommen Sicherheitsbrillen und jeder einen Mundschutz. Derart ausgestattet werden wir auf verschiedene Laboranten verteilt. Eyra und ich geraten an eine Frau, die uns mit großen Augen ansieht. Sie benötigt einen Augenblick, um sich zu fangen. Dann beginnt sie mit ihrer Erklärung über ihre Tätigkeit. Ich höre nur mit halbem Ohr zu, weil ich im Raum zwei Personen mit aggressiver Aura entdecke. Eyra verwickelt die Laborantin in ein intensives Gespräch. Die Aufgabe der Frau interessiert sie anscheinend. Als ich mich wieder auf die nähere Umgebung konzentriere, sehe ich, wie aufgeregt die Frau plötzlich ist. Sie drückt einen grünen Knopf an ihrem Arbeitsplatz. Aus einem entfernten, verglasten Büro kommt eilig ein weiterer Mann angelaufen. Sein Ziel sind wir. Seine Aura ist in Ordnung. Deswegen wende ich mich wieder stärker der Raumüberwachung zu.
Eyra und die beiden Mitarbeiter verwickeln sich schnell in ein fachliches Gespräch. Nach den wenigen Brocken, die ich aufschnappe, verrät Eyra ihnen gerade, wie sie ein bestimmtes Hydrauliköl noch besser raffinieren können, um eine höhere Alterungsbeständigkeit zu erreichen. Der Büro-Mann macht sich eifrig Notizen. Unser Lehrer hat die Aufregung an unserem Tisch registriert und gesellt sich dazu. Nach wenigen Augenblicken kapiert er, was gerade abgeht und grinst breit. Er kennt die Ideen von Eyra ja schon recht gut. Immerhin haben sie so manches Fachgespräch geführt. Als es für uns Zeit wird, weiter an der Führung teilzunehmen, stecken die beiden Mitarbeiter ihre hochroten Köpfe weiter zusammen. Ein ehrliches, aber durchaus flüchtiges Danke schaffen sie so eben noch. Sei es ihnen verziehen. Sie gehen in ihren Berufen sichtlich voll auf.
Über mehrere Flure kommen wir in einen Bereich, wo mit Gasen gearbeitet wird. Unser Begleiter informiert uns über die hier zum Einsatz kommenden Gemische. Ich achte wieder mehr auf die Umgebung. Es gehen hier verflixt viele Türen ab, die plötzlich aufgerissen werden könnten. Werden sie aber nicht.
Schließlich erreichen wir einen Raum mit einigen Überwachungsmonitoren und einem Bedienpult mit vielen Knöpfen, Schiebereglern und Anzeigen. Hinter einer Fensterwand ist eine graue, zylindrische Röhre, die ganz nach einer Druckkammer aussieht. Der Mann faselt, sorry referiert über die Auswirkungen von Gasen unter Überdruckbedingungen. Hyperbar, das ist sein aktuelles Lieblingswort. Mit leuchtenden Augen wendet er sich an uns.
„Sie hätten hier die einmalige Gelegenheit, einmal einen Tauchgang im Trockenen zu machen. Die Druckkammer bietet Platz für 15 Personen. Wir gehen nur auf eine geringe Tiefe. Bitte folgen Sie mir.“ Das gefällt mir nicht. Allerdings kann ich auch beim Bedienpersonal keine negativen Auren wahrnehmen. Hmm, sollen wir? Zweifelnd sehe ich zu Eyra. Sie ist aber fasziniert und scheint das unbedingt erleben zu wollen. Ergeben zucke ich mit den Schultern.
Währenddessen erklärt der Mann uns den Vorgang des Druckausgleiches. Fragt denn hier niemand nach medizinischen Ausschlussgründen für solch eine Druckkammerfahrt? Wohl nicht. Anschließend führt er uns in die Druckkammer. Gut, er macht wenigstens selbst mit. Ein weiterer Mitarbeiter verschließt die innere und äußere Tür der Schleuse. Wir setzen uns. Wie nicht anders zu erwarten, sind die Sessel etwas knapp für Eyra und mich. Blechern meldet sich eine Stimme, ob wir bereit seien. Unser Herumführer hebt einen Daumen in Richtung einer Kamera. Erneut klingt die blecherne Stimme des Mannes am Bedienpult.
„Gut, dann fangen wir jetzt …“ Plötzlich dringt nur Gepolter und eine Abfolge schwer zu verstehender Worte aus den Lautsprechern. Nach einem Moment ertönt eine andere Stimme in der Druckkammer.
„Gut, jetzt schnell. Schalte um auf das andere Gas.“
„Was ist los? Was macht ihr da?“ Der Mitarbeiter der Firma schreit laut los.
„Verdammt, das Mikro ist noch offen.“ Es klackt kurz, dann hören wir nichts mehr. Bis wenige Sekunden später ein Zischen verrät, dass etwas in die Druckkammer strömt. Ich atme tief ein und analysiere das Gemisch. Nicht tödlich für einen Tauriden, aber narkotisierend. Und richtig genug. Alle Insassen beginnen, die Augen zu verdrehen. Um nicht aufzufallen, mache ich mit und lasse mich in meinen Sitz sinken.
Es dauert ein paar Minuten, dann wird die äußere Schleusentür geöffnet. Kurz danach die zweite. Zwei vermummte Männer mit Gasmasken kommen in den Raum. Sie stubsen alle Insassen einmal an, um zu prüfen, ob sie auch schlafen. Na, wenn der wüsste.
„Gut, sie pennen alle. Lass uns fix die Beiden rausbringen.“, klingt es etwas undeutlich, gedämpft durch die Gasmaske. Wen er wohl meint? Diese Frage beantwortet sich sehr schnell, als sich beide Eyra zuwenden. Gut, dass ich zum Sehen nicht auf meine Augen angewiesen bin. So kann ich meine Augenlider geschlossen halten. Sobald sie Eyra aus der Druckkammer hinaus geschafft haben, kommen sie zurück.
„Und nun den Kerl. Pack mal mit an.“ Einer der Beiden fasst unter meine Arme. „Boah, ist der schwer.“ Ja, leicht werde ich es dir nicht machen. Sie zerren mich mehr, als dass sie mich tragen, nach draußen. Eher unsanft lande ich auf dem Boden.
Ich „sehe“, wie zwei rollbare Kisten herein gebracht werden. Und da sollen wir rein passen? Das wird Eyra sicher nicht gefallen. Wieder wenden sie sich ihr zuerst zu. Für mich ist es nun an der Zeit, das Schauspiel zu beenden. Leise stehe ich auf. Da sie mir gerade ihre Rücken zuwenden, bekommen sie davon nichts mit. Ich stelle mich dicht hinter sie. Mit grollender Stimme gebe ich ihnen ein Versprechen.
„Wenn ihr die Frau fallen lasst oder sie auf irgendeine andere Weise verletzt, breche ich euch jeden Knochen einzeln.“ Die Männer erstarren.
„Und jetzt legt sie langsam und vorsichtig wieder ab.“ Das machen sie. Danach richten sie sich vorsichtig auf. Kluge Entscheidung.
„Umdrehen!“ Auch der Aufforderung kommen sie widerspruchslos nach. Mit Entsetzen sehen sie zu mir auf. Einer öffnet den Mund.
„Ich will nur eine Sache von euch hören. Für wen arbeitet ihr?“ Trotz zeigt sich in ihren Gesichtern. Fest pressen sie ihre Lippen zusammen.
„Keine Antwort? Okay, dann eben nicht.“ Meine Fäuste schnellen hoch und knocken sie aus. Sie brechen auf der Stelle zusammen. Ich steige über sie hinweg und checke den Zustand von Eyra. Sie ist weggetreten, aber ansonsten in Ordnung. Mit schnellen Schritten gehe ich in den Vorraum. Dort sehe ich das Bedienpersonal mit blutenden Kopfwunden auf dem Boden liegen. In der Mitte des Pultes ist ein dicker roter Knopf. Na, wenn der mal keinen Alarm auslöst. Um meine Theorie zu beweisen, drücke ich ihn. Und er löst tatsächlich einen Alarm aus. Laut und deutlich. Es vergehen nur Sekunden, bis weitere Leute in den Raum stürzen. Sie erstarren, als sie die Situation wahrnehmen. Ich hebe meine Hände, um ihnen zu zeigen, dass sie keine Angst vor mir zu haben brauchen. Ihre Auren zeigen nur Besorgnis und Verblüffung, aber keine Angriffslust. Sobald ich ihre Aufmerksamkeit habe, erkläre ich, was geschehen ist.
„Wir wollten gerade mit der Druckkammerfahrt beginnen, als das Bedienpersonal niedergeschlagen wurde. Über die Lautsprecher konnten wir das verfolgen. Zwei Männer haben ein Narkosegas eingeleitet. Meine Mitschüler und unser Begleiter sind noch in der Kammer. Zwei Männer wollten meine Mitschülerin Eyra Dorba und mich entführen. Weil die Dosis für mich zu gering war, konnte ich sie aufhalten. Sie finden die Entführer hinter der Tür.“ Zweifelnd sehen mich die Wachmänner an. Die Wissenschaftler sind eher entsetzt, fangen sich aber schnell. Einer schickt einen Wachmann los, den Betriebsarzt zu holen. Er muss aber nicht weit laufen, denn just in diesem Moment kommt der Arzt um die Ecke gerannt.
Rasch haben wir ihm die Situation erklärt. Ich rechne es ihm hoch an, dass er sich zuerst um die Schüler kümmert, bevor er sich die Mitarbeiter vornimmt. Ich bleibe indessen dicht bei Eyra und halte sie in meinen Armen. Unauffällig gebe ich ihr etwas Heilenergie, so dass sie schnell wieder zu sich kommt. Verwirrt greift sie sich an den Kopf. Als sie bemerkt, dass ich sie halte, entspannt sie sich schnell. Ich helfe ihr auf die Beine. Mittlerweile wimmelt es vor weiterem Personal. Auch unser Lehrer steht mit bleichem Gesicht dabei. Unauffällig schicke ich einen Notfallcode ab.
Die beiden Entführer werden gefesselt und beiseite gelegt. Das Tohuwabohu vergrößert sich, als weitere Personen in schicken Klamotten auflaufen. Aha, die Chefs wurden informiert. Als sie mit eigenen Augen sehen, was passiert ist, fassen sie sich entsetzt an die Köpfe oder ringen mit den Händen. Nun, so sieht ein wirkliches Krisenmanagement nicht aus. Irgendwer erzählt ihnen wohl, dass ich den Notruf abgesetzt hätte. Also scharen sie sich um Eyra und mich. Erneut erzähle ich, was vorgefallen ist. Auch unser Lehrer hört sich die Geschichte noch einmal an.
Es dauert eine Weile, bis Sanitäter kommen. Die immer noch bewusstlosen Leute aus der Druckkammer werden abtransportiert und in die nächste Klinik gebracht. Auch Eyra und mich will man dorthin bringen. Ein Sani baut sich vor uns auf.
„Können Sie gehen?“ Eyra nickt.
„Dann kommen Sie bitte mit. Ich bringe Sie ins nächste Krankenhaus.“ Er fasst nach Eyras Arm, um sie wegzuziehen. Das lässt er aber ganz schnell sein, als ich sein Handgelenk packe und zudrücke. Weil ich nicht wirklich tiefenentspannt bin, immerhin wollte man Eyra entführen, knurre ich ihn nur an.
„Auf gar keinen Fall. Wir werden gleich abgeholt und fahren nicht mit Ihnen mit.“ Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht schaut der Sani zu mir auf. Ich lasse ihn los, was er mit Erleichterung quittiert.
Wie auf ein Stichwort kommen mehrere Personen in der Uniform der Wachmannschaft der Botschaft von Runoa herein. Bewaffnet und entschlossen. Sie drängen sich bis zu uns vor.
Erwartungsvoll sehen sie zu mir auf. Auf meine Worte: „Bringt Eyra in Sicherheit.“ nicken sie nur. Sie nehmen sie in ihre Mitte und führen sie nach draußen. Niemand wagt es, sich den entschlossen dreinblickenden Männern in den Weg zu stellen. Kurz schaut sie über ihre Schulter zu mir. Ich blinzle ihr beruhigend zu. Da ich weiß, dass es nicht bei der Wachmannschaft bleibt, sondern draußen weitere Vorkehrungen getroffen wurden, entspanne ich mich. Dieses Team ist wirklich gut und wird Eyra sicher zurück bringen.
Einer der Chefs wendet sich mit fragendem Blick an mich. „Wohin wird sie gebracht?“
„Frau Dorba ist Staatsangehörige von Runoa und genießt diplomatische Immunität. Sie wird in die Botschaft von Runoa gebracht und dort weiter versorgt. Ich möchte nicht, dass weitere Unbekannte in ihre Nähe kommen.“
Sichtlich überrascht werde ich angesehen. Sie sind ziemlich erstaunt, solche Ansagen von einem Schüler zu bekommen. Aber woher sollen sie auch wissen, wer ich wirklich bin …
Es dauert noch geschlagene zwei Stunden, bis alle Protokolle geschrieben sind. Dann bin auch ich entlassen. Die restlichen Schüler sind bereits auf dem Weg nach Hause. Begleitet von erschütterten Lehrern.
Ich mache mich auf den Weg zum Gästehaus. Dort gibt es für mich nur eine Aufgabe. Und die ist gar nicht so unangenehm. Mich um Eyra zu kümmern.