Читать книгу Thanats Welten 1 - Tauros - J. Reiph - Страница 6

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Zweiter Prolog

Ich schwebe. Um mich herum ist alles grau. Etwas entfernt sehe ich ein paar leuchtende Punkte. Die scheinen auch zu schweben. Oder aufzusteigen.

Sehen? Habe ich Augen? Lebe ich noch? Einen Körper kann ich nicht wahrnehmen. Also bleiben wir beim Sehen. Passt schon. Irgendwie.

Etliche Lichtpunkte vereinigen sich zu einem langgezogenen Pulk. Es sieht aus wie eine leuchtende Straße. Ich schwebe auf diese Straße zu.

Neben der Straße sehe ich ein leichtes Flirren. Sieht komisch aus. Habe ich gerade etwas vor? Eigentlich nicht. Schauen wir uns das Flirren an.

Es sieht aus wie eine Röhre. Ich schwebe in die Röhre. Und dann beginnt die Achterbahnfahrt. Wie lange sie dauert? Keine Ahnung.

Irgendwann spuckt mich die Röhre aus. Ich nehme eine weitere leuchtende Kugel wahr. Nur ist die größer und strahlender als alle, die ich vorher gesehen habe.

Ich umkreise sie. Faszinierend. Sie schillert. Sie zieht mich an.

„Genug gesehen?“ Körperlos nehme ich die Stimme wahr. Hören ist es nicht. Die Stimme kommt von allen Seiten.

Kann ich auch sprechen?

„Musst du nicht. Denke deine Frage. Dann verstehen wir uns.“

Okay - das ist neu.

Die Stimme lacht. „Du hast Humor, das gefällt mir. Und du bist neugierig.“

Wie kommt der jetzt darauf?

„Weil du sonst nicht hier wärst. Alle sind dem leuchtenden Strom gefolgt. Nur du hast das Flimmern registriert und bist in die Röhre - naja - gegangen. Du bist der Erste seit fast 500 deiner Jahre, der diesen Weg gegangen ist.“

Meiner Jahre?

„Genau. Andere Planeten, andere Umlaufzeiten um die Sonne, andere Jahreslängen.“

Ist der ein Alien?

„Hmpf, du musst noch lernen, deine Gedanken zu kanalisieren. Aus meiner Sicht bist du der Alien. Alles eine Frage des Standpunktes.“

Mann, quatscht der immer so viel?

Ein homerisches Lachen dröhnt durch meinen … Kopf?

„Du hast schon Recht. Ich denke, ich schulde dir eine Erklärung.“

Na, da bin aber mal gespannt.

„Du bist gestorben.“

Okay, weiß ich.

„Reiß dich doch mal zusammen. Halt mal den Mund passt irgendwie nicht. Du hast ja keinen mehr.“

Grmpfderblödmannkannmichmalaberkreuzweise.

„Gut, Angst hast du nicht. Aber deine Gedankendisziplin ...“

Die Gedanken sind frei. Wie war noch mal die Melodie?

„So wird das nichts. Also noch mal von vorne. Du bist tot. Die Lichter, die du wahrgenommen hast, sind Seelen. Du bist auch eine Seele. Ich bin eine Seele.“

Interessant. Schillere ich denn dann auch so?

„Nein. Ich schillere so, weil ich ein Sucher bin.“

Sucher?

„Es ist so. Seelen bleiben meist im Halo ihres Heimatplaneten. Sie existieren in einer Zwischendimension, der Seelendimension. Du bist jetzt im Halo meines Heimatplaneten.“

Und wo ist das?

„Ah, du lernst. Endlich mal eine vernünftig formulierte Frage. Du kennst den Planeten nicht. Ich kann dir auch nicht sagen, wo er von deinem Planeten aus gesehen liegt. In der Seelendimension gelten andere Gesetzmäßigkeiten. Meine Aufgabe als Sucher ist es, einen Erben für das Wissen unseres Planeten zu finden.“

Wofür soll das denn gut sein?

„Mein Volk war schon sehr alt. Wir lebten friedlich. Wir forschten. Wir achteten die Natur. Krieg, Mord oder Gewalt gab es nicht.“

Die Stimme schweigt einen Moment, als müsse sie sich erst von schmerzlichen Erinnerungen lösen, bevor sie weiter sprechen kann.

„Deshalb waren wir völlig chancenlos, als wir überfallen wurden. Es gibt ein Volk, das seinen Heimatplaneten durch Raubbau und Kriege unbewohnbar gemacht hat. In einer riesigen Armada reisen sie seit Jahrtausenden durch das All. Sie suchen nach einer neuen Heimat. Doch das wird ihnen niemals gelingen. Jeder Planet, der für ihre Physiologie geeignet wäre, hat längst schon seine Fauna ausgebildet. Die Mikroben würden sie umbringen. Aus Wut vernichten sie alles Leben auf den Planeten, die sie entdecken. So auch unseren. Zurück blieb ein Steinbrocken. Alles Leben war gestorben.“

Erneut folgt ein schmerzvolles Schweigen. Irgendwie tut er mir leid. Wer sind diese Invasoren? Handeln sie vielleicht auch nur aus Verzweiflung?

„Danke. Mitgefühl hast du auch. Gut, gut. Natürlich ist meine Betrachtung dieser Wesen geprägt durch unser Erleben. Sie haben unseren Planeten zerstört und unsere Spezies ausgelöscht. Da ist es sicherlich verständlich, dass ich ihnen nicht um den Hals fallen würde. Wir suchen nun seit Jahrtausenden nach einer Seele, um ihr unser Wissen zu vererben. Diese Seele soll unser Wissen nutzen, um die Invasoren zu finden und aufzuhalten.“

Ob er wohl meint, sie aus dem All zu blasen?

„Du kannst Skrupel beiseiteschieben. Das gefällt mir. Denn die Konsequenz wäre womöglich, das Volk zu töten.“

Ein Genozid? Das wäre allerdings heftig. Aber machen die Invasoren es nicht genauso? Und würden sie auch die Erde vernichten, wenn sie sie fänden?

„Davon kannst du ausgehen. Sie sind mittlerweile so verroht, dass sie anderen Völkern ihr Glück, ihren Planeten, nicht gönnen. Ich hatte Kontakt mit Seelen anderer Planeten, die sie nach uns vernichtet haben. Du siehst, sie treiben ihr Unwesen weiterhin.“

Und warum macht das keine Seele seines Volkes?

„Du kannst mich auch ruhig direkt ansprechen. Mein Name ist Xymantropentakoleberatis. Weil du es bist, genügt auch Xymantropentakol. Egal. Ich sagte ja schon, dass wir sehr friedfertig waren. Wir konnten ganz einfach nicht in einen Krieg ziehen. Außerdem würde es jede Seele meines Volkes zerbrechen, auf den Resten unseres Planeten nach den versteckten Technologien zu suchen, um sie wieder zu beleben. Wir benötigen die Seele eines jungen Volkes. Sie muss noch Wissensdurst und Neugier kennen. Sie sollte Mitgefühl haben, aber auch vor Gewalt nicht zurück schrecken. Die Technologie sollte in seinem oder ihrem Leben verbreitet gewesen sein, sonst wird der Sprung in unser Wissen zu groß. Das trifft auf dich zu.“

Bin ich denn ein Barbar mit digitaler Keule, oder was?

„Najaaaa.“

Blödmann.

„Danke, das habe ich verdient. Wir würden dir anbieten, unser Wissen zu übernehmen. Mit diesem Wissen sollst du versuchen, unsere Technik zu beleben. Du sollst das Universum bereisen und nach den Invasoren suchen. Wenn du sie gefunden hast ...“

Gut, das hatte ich schon verstanden. Aber zwei Probleme hast du noch nicht erwähnt. Dafür benötigt man einen Körper und etwas mehr Zeit als meine bisherigen 94 Jahre.

„Stimmt. Alter ist relativ. Als mein biologischer Körper alterte, fühlte ich mich im Kopf noch wie ein junger Mann. Nur mein Gesicht im Spiegel oder die mitleidigen Blicke junger Frauen haben mich eines Besseren belehrt. Eine Seele reift, aber sie wird nie richtig alt. Eher ist dein Tatendrang ein Gradmesser deines geistigen Alters. Dass du hier bist, beweist, dass du geistig immer noch jung bist. Und wir würden dir einen Körper geben.“

Das mit den mitleidigen Blicken kenne ich. Vor allem bei Leuten, die sich betont jung geben, es aber nicht mehr sind. Ein neuer Körper, klingt interessant.

Mechanisch, biologisch, Mischmasch, oder was?

„Nein, es wäre der Körper eines Energiewesens. Du bist hier in der Seelendimension. Feste Materie kann hier nicht existieren. Von hier kommst du nur im Körper eines Wesens weg, das aus der Energie von Seelen besteht.“

Okay, das leuchtet sogar mir ein.

„Bravo, du kapierst es. Dieser Energiekörper kann von der Seelendimension in die reale Dimension wechseln. Mit ein wenig Übung kannst du den Körper des Energiewesens deinen Bedürfnissen anpassen. So kannst du zum Beispiel Hände bilden. Es ist aber kein biologischer Körper. Das bedeutet, er muss nicht atmen, nicht trinken oder essen. Und er altert nicht.“

Na, wenn das mal nicht verführerisch klingt.

„Ja, aber bedenke, du wärst alleine. Alle biologischen Wesen, die du kennen lernst, werden sterben. Außerdem hättest du eine Aufgabe. Die verhindert, dass du dich auf einem Planeten niederlassen kannst.“

Ich könnte aber doch Pausen einlegen und Völker ein wenig beobachten.

„Natürlich. Das würde uns sogar freuen. Wir forschten für unser Leben gern. Aber die Suche nach den Invasoren hätte Priorität.“

Das sehe ich ein.

„Danke. Der Körper bestünde aus der Energie von über einer Milliarde Seelen.“

Eine Mill..., heiliger Strohsack.

„Genau. Es wären sogar ausgewählte Seelen. Die Essenz ihres Wissens stünde dir zur Verfügung.“

Nicht schlecht. Keine muffigen Klassenräume und langweilige Lehrer.

„Ja, aber es ist ein Haken dabei.“

War ja klar.

„Du müssest dich nach der Vereinigung mit deiner Seele durchsetzen. Sonst bist du verloren.“

Ob das schon mal geklappt hat?

„Nein, wir hatten bisher zehn vielversprechende Seelen hier. Alle haben sich verloren.“

Na, du bist ja mal ein super Motivator.

„Ich bin nur ehrlich. Aber du bist frech genug. Du könntest es schaffen. Außerdem wärst du unsere letzte Chance.“

Warum das denn?

„Bei einem Fehlversuch sind auch unsere Seelen verloren.“

Milliarden Seelen verloren? Ach du Scheiße.

„Igitt. Denk dran, sich in Gedanken zu unterhalten, bedeutet eigentlich Bilder zu übertragen. Du bist sehr direkt. Gelinde gesagt.“

Sorry.

„Schwamm drüber. Also die Seelen für deinen Körper wären unser letztes Aufgebot. Es sind die Seelen unserer Besten. Der besten Wissenschaftler, Künstler, Ärzte. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Nicht jede Seele ist bereit ihre letzte Ruhe für solch ein Wagnis aufzugeben. Die meisten existieren in ihrer Seelenwelt weiter.“

Seelenwelt? Was ist das denn?

„Eine Seele existiert nach dem Tod des Körpers in seiner eigenen Welt. In der Welt der Erinnerungen. Für viele ganz nett. Aber nicht für alle.“

Nicht?

„Nein, wer in seinem Leben Gewalt, Verbrechen und so weiter ausgeübt hat, durchlebt das als Seele immer wieder. Nur im körperlichen Leben konnte er Schuldgefühle verdrängen. Eine Seele kann das nicht. So zerfrisst seine Seele sich selbst ganz langsam, bis sie sich aufgelöst hat. Keine schöne Zeit.“

Also schafft sich jeder in seinem Leben seine ganz persönliche Hölle nach dem Tod.

„Oder seinen Himmel, wenn er viel Gutes tut.“

Schade, dass diese Erkenntnis sich auf meiner Welt noch nicht durchgesetzt hat. Aber irgendwie gibt es eine gewisse Befriedigung, sich vorzustellen, in welcher Hölle Massenmörder oder Diktatoren - Seitenscheitel, Schnauzbart, da fallen mir mehrere ein - schmoren.

„Ja, oder Invasoren, die ganze Planeten vernichten.“

Womit wir wieder beim Thema wären.

„Genau.“

Und was machst du jetzt hier.

„Wie ich sagte. Ich suche nach einer geeigneten Seele. Dafür habe ich die Röhren ausgelegt. Wer es bis hierhin geschafft hat, erfüllt bereits eine wichtige Voraussetzung. Der Rest ist so eine Art Vorstellungsgespräch.“

Und du bist auch ein Energiewesen.

„Nur teilweise. Ich habe nicht genug Energie um in die reale Welt zu wechseln. Aber ich bin stark genug, um aktiv zu kommunizieren. Ich lebe nicht in meinen Erinnerungen. Wenn wir unseren Erben gefunden haben, werde ich als Chronist in seiner Nähe in der Seelendimension bleiben.“

Dann könnten wir uns ab und zu auf ein Glas Wein treffen, oder was Seelen beim Abhängen so zu sich nehmen? Kann ich dich dann auch Kronos nennen. Bei deinem Namen bekomme ich einen Knoten in der geistigen Zunge.

Erneut dröhnt ein Lachen durch meine Seelenbirne.

„Könnte lustig werden. So in ein- oder zweitausend Jahren. Aber Kronos? Ich weiß nicht. Das klingt gar nicht erhaben. Kron, das würde mir gefallen.“

Okay, dann Kron. Und wie fällt dein Urteil aus?

„Hmm, manchmal muss man nehmen, was man kriegen kann.“

Danke auch.

„Komm, schmoll nicht. Ich rede seit hunderten Jahren nur mit mir selbst. Das färbt auf den Humor ab.“

Ach was, merkt man fast gar nicht.

Schweigen.

Ha, jetzt schmollst du.

„Quatsch. Natürlich habe ich gerade eine Millionen Überlegungen angestellt, wie hoch deine Chancen sind.“

Angeber.

„Na gut. Tatsächlich glaube ich, du könntest es schaffen.“

Lässt du mich bitte mal einen Moment darüber nachdenken? Ohne, dass du zuhörst?

„In Ordnung, ich ziehe mich zurück.“

Das muss ich erst einmal verarbeiten. Die Idee, weiter in der realen Welt existieren zu können, ist wahnsinnig verlockend. Was könnte ich nicht alles entdecken und erleben? Andererseits, was erwartet mich, wenn ich wirklich auf diese Invasoren stoße? Eigentlich habe ich nie zur Gewalt geneigt. Und dann müsste ich mich der Entscheidung stellen, womöglich eine ganze Spezies auszurotten. Aber, wenn ich es nicht mache, macht es vielleicht jemand anderer. Und ganz vielleicht kann ich sie ja davon überzeugen, dass es eine Alternative gibt. Dass sie sich irgendwo ansiedeln. Was ist, wenn er keine andere Seele findet? Wie viele Planeten fallen den Invasoren dann noch zum Opfer? Es ist alles so schwierig. Aber der Gedanke, was ich bewirken könnte, ist faszinierend. Auch die Vorstellung, anderen Welten helfen zu können, hat was. Ich denke, ich mache es.

Kron?

„Ja?“

Ich mache es.

„Danke. Ehrlich. Du bist die vielversprechendste Seele, die ich bisher getroffen habe. Und unter uns, ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.“

Gut, dann lass uns nicht lange fackeln. Was muss ich tun?

„Sammle dich in dir selbst. Du darfst dich nicht verlieren. Finde dein Selbst.“

Könnte ich tief ausatmen, würde ich es jetzt tun.

„Bereit?“

Wenn du es bist.

Und dann sind sie da. Millionen Stimmen, ein Tsunami an Eindrücken, ein Wirbelsturm an Informationen. Ich ertrinke, zerreiße, werde erdrückt.

Ich werde neu geboren.

Thanats Welten 1 - Tauros

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