Читать книгу Wem gehört die Zukunft? - Jaron Lanier - Страница 35
Ein Server erkennt bei Ihnen immer mehr als Sie bei ihm
ОглавлениеDas Seltsame ist, dass sich die Buchkäufer ebenfalls Sorgen machen müssen, auch wenn das zunächst gar nicht so einleuchtend ist. Aus Sicht des Kunden sorgt Amazon ja anscheinend für niedrige Preise, was natürlich erfreulich ist. Doch die Sache ist deutlich komplizierter.
Um die Jahrtausendwende war Amazon in eine Debatte um eine »differenzierte Preisgestaltung« verstrickt. Das heißt im Grunde, dass ein Online-Anbieter von manchen Kunden mehr für eine Ware verlangt als von anderen, beispielsweise von Ihrem Nachbarn.[6] Amazon erklärte damals, das sei keine Diskriminierung, sondern ein Experiment. Man verlange von verschiedenen Menschen unterschiedliche Preise, um herauszufinden, wie viel sie bezahlen würden.
Amazon steht nicht allein da mit dieser Preisstrategie. Betrachten wir zum Beispiel die Reiseplattform Orbitz, die gegründet wurde, um die Nutzer teurer Computer zu teuren Reisen zu verleiten.[7] Wen sollte das überraschen? Es ist doch ganz natürlich, dass ein Unternehmen einen offenkundigen Vorteil ausnutzt, wenn er sich ihm bietet. Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere Beispiele. Kunden beschleicht zwar ein unangenehmes Gefühl, wenn man ihnen diese Praktiken aufzeigt, doch sie sind meistens ganz legal.
Obwohl im Internet-Zeitalter angeblich alles so transparent und offen ist, fällt den Kunden die Preisdifferenzierung nicht unbedingt auf. Wir können auch nie wissen, in welchem Umfang sie angewandt wird. In einem realen Ladengeschäft würde man es dagegen sofort merken, wenn der Kassierer den Kunden erst einmal mustern und dann entscheiden würde, welchen Preis er zahlen soll.
Ich erwähne die Preisdifferenzierung, weil sie ein besonders krasses Beispiel ist. Selbst wenn sie nicht oft vorkommen sollte, erhalten gewöhnliche Menschen im Umgang mit Sirenenservern nicht genügend Informationen für eine fundierte Entscheidung. Wenn es nicht die Preisdifferenzierung ist, dann wird eben eine andere Masche angewandt, um das Informationsungleichgewicht auszunutzen. Dafür ist es ja schließlich da.