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Aus der Sicht des Kunden

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Wal-Mart bot seinen Kunden zwei interessante Veränderungen. Die eine war, dass die Waren, die sie kaufen wollten, billiger wurden, was natürlich großartig war. Diese Neuerung wurde zuerst bekannt und sorgte für großen Jubel.

Es gab jedoch noch eine andere Veränderung, die erst allmählich ans Licht kam. Es wird oft betont, dass Wal-Mart eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung von Arbeitsplätzen spielt und dass gerade die Menschen ihre Arbeit verlieren würden, die auch bei Wal-Mart einkaufen.[11] Wal-Mart hat die Welt in einem bestimmten Sinn effizienter gemacht. Die Produktion wurde an jeden beliebigen Ort der Welt verlagert, je nachdem wo die Produktionskosten am niedrigsten waren, und Lieferanten, die zu maximalen Einsparungen bereit waren, wurden belohnt.

Die Verteidiger von Wal-Mart räumen vielleicht eine gewisse Fluktuation am Arbeitsmarkt ein, erklären aber, die effizientere Marktgestaltung habe zwar einige Arbeitsplätze gekostet, doch weitaus mehr Menschen hätten dank der niedrigen Preise viel Geld gespart. Langfristig profitiere jeder von der gestiegenen Effizienz.

Man kann von einer effizienteren Gestaltung der wirtschaftlichen Prozesse durchaus erwarten, dass sich langfristig die Chancen für alle verbessern.27 Trotzdem darf man die beiden Seiten der Gleichung, die niedrigen Preise einerseits und die schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt andererseits, nicht zueinander ins Verhältnis setzen.

Das ist so offensichtlich, dass es seltsam ist, eigens darauf hinzuweisen, aber ich habe festgestellt, dass man Menschen, die wohlhabend sind, dieses Argument nur schwer vermitteln kann. Also: Wenn man mehr als genug zum Leben hat, ist es ein angenehmer Vorteil, beim Einkaufen Geld zu sparen. Aber wenn das Geld ohnehin nicht reicht, dann kann man Sparen nicht mit einem angenehmen »Schnäppchen« vergleichen, denn das Sparen ist bereits ein fester Bestandteil des Alltags, weil man jeden Tag gerade so durchkommt, wenn man scharf kalkuliert. Man kann nie genug sparen, um aus der Misere herauszukommen, wenn man keine ausreichenden Jobaussichten hat.

Für mich ist das ein falscher Vergleich, der in den neunziger Jahren jedoch oft zu hören war und eine Vorahnung auf das bot, was man uns heute über kostenlose Angebote im Internet erzählt. Technologieunternehmen argumentieren ähnlich, aber auch ihre Begründungen erweisen sich bei genauerem Hinsehen als fadenscheinig. »Sicher gibt es weniger Arbeitsplätze, aber heutzutage ist so vieles kostenlos. Heute kann man auf Reisen auf der Couch von Fremden übernachten und muss nicht mehr ins Hotel!« Der Vergleich ist heute so falsch wie damals. Kostensenkungen sind kein Ersatz für finanzielle Sicherheit, wenn es gleichzeitig immer weniger gute Jobs gibt.

Die Botschaft der Sirenenserver ist stets zweischneidig, wie das Beispiel Wal-Mart zeigt. Erst heißt es: »Gute Nachrichten! Aktuelle Angebote warten auf Sie! Informationssysteme machen die Welt für Sie effizienter.«

Doch ein bisschen später wird dann verkündet: »Aber wie sich gezeigt hat, sind Sie, Ihre Bedürfnisse und Erwartungen von der erhabenen Warte unseres Servers aus betrachtet nicht ausreichend effizient. Deshalb formen wir die Welt neu, und Ihre Aussichten werden sich langfristig gesehen verschlechtern.«

Die anfänglichen Vorteile können die langfristigen Verluste bei weitem nicht wettmachen. Anfangs kommen Sie durch kurzfristige Börsenspekulationen vielleicht zu etwas Geld, erhalten einen irrsinnig günstigen Kredit, sparen Geld dank »Couchsurfing« oder indem Sie Gutscheine von einer Website einlösen, aber dann verlieren Sie Ihren Job, danach kommt die Zwangsräumung und dann ist die Hälfte Ihrer Ersparnisse futsch, weil die Aktienkurse eingebrochen sind. Oder Sie haben sich begeistert kostenlos Musik heruntergeladen, aber dann gemerkt, dass Sie selbst leider nicht mit Musik Ihr Geld verdienen können, weil es in der Musikindustrie (oder dem, was noch von ihr übrig ist) kaum noch sichere Jobs für die Mittelschicht gibt. Vielleicht fanden Sie auch die supergünstigen Preise in Ihrem Lieblingssupermarkt toll, aber dann mussten Sie feststellen, dass die Fabrik, für die Sie später einmal arbeiten wollten, für immer dichtgemacht hat.

Wem gehört die Zukunft?

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