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Aus der Sicht der Lieferkette

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Da ich in den neunziger Jahren für einen Think Tank im Silicon Valley arbeitete und gelegentlich als Berater tätig war, hatte ich Einblick in die Welt von Wal-Mart. So erlebte ich schon damals den Prototypen für ein heute bekanntes Muster.

Bei Wal-Mart erkannte man früh, dass Informationen Macht bedeuten und dass man mit einer digitalen Vernetzung seine Machtstellung konsolidieren konnte. Die ersten Server von Wal-Mart sammelten weltweit einfache, aber wertvolle Informationen: Was konnte wo und wann hergestellt werden, was konnte wann wohin transportiert werden, wer kaufte was, und wenn ja, wann und für wie viel? Früher wäre diese Datenbank nur in Teilen für einige wenige lokale Unternehmen von Bedeutung gewesen, die direkt davon betroffen waren, doch durch das Sammeln zahlreicher derartiger Informationen an zentraler Stelle entstand ein globales Gesamtbild. Die Netzwerktechnologie ermöglichte einen massiven Perspektivenwechsel. Der Konzern wurde allmählich zum Gestalter seiner eigenen Umwelt.

Wal-Mart konnte praktisch den Preis und die Liefertermine diktieren, und das mit dem reduzierten Risiko und der Präzision einer Kampfdrohne. Stellen Sie sich vor, Sie hätten in den neunziger Jahren einen Betrieb für Wartung oder Ersatzteile. Ein Unternehmen, das Produkte an Wal-Mart verkauft, benötigt bestimmte Teile von Ihnen. Sie nennen Ihren Preis, doch daraufhin sagt man Ihnen: Tut uns leid, Wal-Mart hat einen Preis für unser Produkt festgelegt, der es uns nicht erlaubt, so viel zu zahlen, wie Sie verlangen.

Wie sich herausstellt, hat Wal-Mart ziemlich genau kalkuliert, wo die Untergrenze für den Nettoprofit bei allen Beteiligten liegt. Oft müssen Sie dann feststellen, dass Sie auf die Preisvorstellung Ihres Kunden (gerade noch) eingehen können, auch wenn Sie sich eigentlich mehr vorgestellt haben.

Wal-Mart benötigte nicht über alle Beteiligten direkte Informationen. Um ein Modell zu erstellen, genügen stichprobenartige Informationen über ein System. Das heißt, dass man jemanden indirekt ausspionieren kann, ohne dass man direkte Informationen über ihn sammelt. Stattdessen liefert das Verhalten derjenigen, die mit ihm interagieren, entsprechende Hinweise, aus denen sich automatisch ein grobes Gesamtbild erstellen lässt.

Als die anderen großen Handelsketten erkannten, was Wal-Mart da gelungen war, engagierten sie ebenfalls Spezialisten und richteten ebenfalls große Rechenzentren ein. Aber es war zu spät. Wal-Mart hatte die Welt bereits umgestaltet und sich selbst eine Sonderstellung darin gegeben. Lieferanten hatten sich aufeinander abgestimmt, um die niedrigsten Preise bieten zu können, und alles war natürlich auf die speziellen Anforderungen von Wal-Mart zugeschnitten. Die Lieferkette war optimiert worden, um direkt vor die Haustür von Wal-Mart zu liefern.

Wal-Mart betrog nicht, spionierte nicht und stahl auch nicht, um an die Informationen zu kommen.26 Der Konzern nutzte einfach die besten verfügbaren Computer, um mit legal verfügbaren Daten die bestmöglichen Statistiken zu erstellen.

Die Gewinnspannen aller anderen wurden auf das absolute Minimum reduziert. Das war, wie wenn man Blackjack mit jemandem spielt, der über eine Inselbegabung verfügt und gar nicht anders kann, als die Werte der Karten zu berechnen. Das ist das moralische Problem der Sirenenserver. Im Netzwerkzeitalter kann es Absprachen geben, ohne dass sich die Beteiligten wirklich absprechen, und Verschwörungen ohne Verschwörer.

Wem gehört die Zukunft?

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