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Nachts, in der Oase

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Mit jedem Meter, der unter »Uhurus« Zwillingsrädern dahinzog, lösten wir uns mehr vom nördlichen Rand des Kontinents. Wir drangen langsam in sein Inneres vor wie Würmer, die ihre gewundenen Gänge in den Erdkörper graben, mühsam Körnchen für Körnchen beiseiteräumend. Unsere Körnchen waren die Kilometermarken, und es waren viele, viele.

Mit dem Sinken des Sonnenballs näherte auch unser Tageswerk sich seinem Ende. Vorne im Führerhaus diskutierten Philipp, der sich mit Bert nun an den Lenkrädern von »Uhuru« und »Tarzan« abwechselte, Dietmar und Peter vielleicht über die Wahl eines Lagerplatzes, wir, hinten, hörten nichts. Summen, undeutliches Gemurmel aus Walkman-Kopfhörern und Motorenlärm begleiteten träges Dösen.

Wir würden im Gelände nächtigen, zuvor ein frugales Abendmahl fabrizieren, denn Bert hatte allerlei eingekauft. Rötlich gefärbt trug der schmale Horizont den verglühenden Sonnenball wie ein Juwel auf milchigem Samtband. Die Wärme, die von Polstersitzen und von der Tageshitze aufgeheizten Seitenwänden über müde Gesichter strömte, uns einlullte, verbündete sich mit abendlich schwerer Stimmung. Nur zufällig streifte unser Blick unter schläfrigen Lidern hervor sickernd die vorüberziehenden Palmen und weißgekalkten Häuser, geflochtenen Zäune und Zypressen.

Aufgeregt erwartet, doch allzu fern der Straßenspur, boten sich uns die beiden riesigen Salzseen Chott El Jerid und Chott El Gharsa als kaum erkennbare, silbrig glänzende Bänder am nachmittäglich erhitzten Horizont dar, die der eine oder andere gar versäumte. Bert dachte gar nicht daran, die Seen anzufahren, bloß Hitze und Sand, beschied er, und wir begehrten nur kurz auf, immer noch erschöpft von nachmittäglichen Umtrieben in Gafsa. Schläfrige Trägheit besiegte bald alle Schaulust ... für Stunden.

... jemand schnarchte, als ich aus dem Dösen schreckte. Der Wagen erzitterte, die Monotonie geriet aus glatter Spur. Wie Tiere, die spüren, dass außerhalb ihrer Höhle etwas vor sich geht, das von Wichtigkeit für ihre Existenz sein könnte, rührten müde Körper sich, richteten sich auf, um zu ergründen, was den gleichförmigen Trott unterbrach. An das Holpern hatten wir uns bereits gewöhnt. »Uhuru« rollte langsamer als seit Stunden über sandverwehten Straßenlauf. Brommel suchte wohl nach Markierungen im Gelände.

»Was gibt ’s?« zerriss Ilses aufgeschreckte Stimme vollends die Wolke trägen Dösens. Finger zogen an den Fensterriegeln, Augenpaare suchten im rötlichen Halbdunkel nach Anhaltspunkten für die Verzögerung. Abrupte Bremsmanöver, knirschende Schaltvorgänge und neuerliche, zögernde Beschleunigung mit spürbarem Radeinschlag erschütterten »Uhuru«s Insassen. Berts Stimme erscholl aus dem »Tarzan« hinter uns.

»Flippst du jetzt aus?« röhrte Armin in den Interkomman-Rüssel, als der ganze Wagen heftig nach links absackte, sich schnaufend wieder aufrichtete und rasselnd in die Waagrechte zurückfiel. Aller Schlaf floh, eisig verscheucht, aus schlaffen Gliedern, als wir um Gleichgewicht rangen. Der erschreckte Schrei, unisono aus mehreren Kehlen, irrte noch durch die Luft. Eine Sandkuhle? Und was für eine Sandkuhle, vermutlich. Missmutig heulend reagierte der Wagen auf Brommels Tritt auf das Gaspedal. Knirschen im Getriebe. Heftige Stöße zwangen ausgestreckte Hände, nach Halt zu tasten. Es war fast dunkel im Wagen. Licht gab es nur bei völligem Stillstand der Fahrzeuge.

»Ach Gott!« kreischte Ilse.

»Hoppala!« lachte Anita, und ich beneidete sie nicht um ihren Platz über der Achse. Jemand fluchte, und ansonsten erhob sich erregtes Gemurmel.

»Schaut euch das an, schaut euch das an!« rief Karli aus, aber seine Stimme klang begeistert, keineswegs angstvoll. Und er hatte recht mit seiner Begeisterung. Statt tiefer Abendfinsternis herrschte milchige Helligkeit außerhalb unserer vibrierenden Höhle. Fast Vollmond. Zum Greifen nahe wuchsen Dattelpalmen wie Scherenschnitte aus dem Mondlicht, überzuckert mit feinstem Sand ... mehlbestäubt ... wunderschön, gleich Traumgebilden. Das Fluchen und die röhrenden Kampfgeräusche der Wagen irritierten unseren Sinn für das Normale, Gewohnte. Wir wagten kaum daran zu denken, dass es hier gang und gäbe sein konnte, mit den Wagen in Schwierigkeiten zu geraten. Und ... waren wir nicht schon in ernster Gefahr? Alle Selbstsicherheit zivilisierter Egoisten geriet erstmals ins Wanken. Das hier war nicht unser überschaubares Zuhause, dessen Tücken wir einschätzen konnten. Auf was hatten wir uns da eingelassen? Inga, die schräg mir gegenüber auf der anderen Seite des Ganges sah, klammerte sich an den Sitz. Brommels Arm winkte heftig aus dem Seitenfenster, ich konnte ihn von meinem Platz aus gut erkennen.

Die abendliche Weite verbarg sich hinter einem Palmenwald. Sandverwehungen wuchsen kaum zwei Meter von beiden Seiten des Wagens entfernt aus dem Dickicht aus niederen Palmstämmen und herabhängenden Palmwedeln und sahen aus wie aus süßer, zäher Creme modelliert. Feine Dünengrate und verhärtete Spuren von Sandrinnsalen wirkten wie märchenhafte Schöpfungen romantischer Künstler, sanft geschwungen, ziseliert und weich wie Tortenverzierungen.

»Da vorne ist ein Campingplatz,« wusste jemand. Und eine Stimme fragte mürrisch, wer hier wohl so oberschlau sei. Wir streckten unsere Köpfe aus den gefährlich engen Fenstern.

»Köpfe einziehen, ihr Idioten!« brüllte Gerry von irgendwoher. Hinter »Uhuru« tastete sich der hochaufgerichtete »Tarzan« soeben über eine kleine Bodenwelle herab, dieselbe, die »Uhuru« unter Brommels sportlichem Fahrstil als Sprungschanze gedient hatte. Niemand zog den Kopf ein. »Tarzan« folgte seinem Bruder in tiefer Zwillingsreifenspur um eine Kurve, die Hauptstraße verlassend. Wie zitternde Finger tasteten seine Scheinwerferstrahlen nach »Uhurus« Hinterteil. Wir standen im Begriff uns mitten in die Sandberge zwischen uralten Palmen hineinzuwühlen. Noch niemals hatte jemand von uns derartige Straßenverhältnisse erlebt.

Plötzlich Halt.

»Zeit zum Pissen!« schrie Alfi. Er war »Tarzan« vorausgelaufen, stand zwischen den Dünen, hatte die Hände am Hinterkopf verschränkt, drehte den Oberkörper nach links und rechts, kickte mit dem Fuß nach einem Sandhäufchen, dass es hoch aufspritzte.

»Meine Güte, eine gute Idee!« Ilse erhob sich umständlich von ihrem Sitz, wir hörten Bert »In den Wagen bleiben« rufen, und jemand sprach davon, Bert solle scheißen gehen, allerdings wurde nicht klar, was genau gemeint war. An der Kante der Türöffnung verharrte Ilse, wandte den schmalen Kopf seitlich.

»Geh’, sei so lieb –« Sie blickte dramatisch besorgt in den eineinhalb Meter tiefen Abgrund zu ihren Füßen, schaute sich im Halbdunkel des Wagens um.

»Sei so lieb,« flötete sie mit hilflosem Unterton, ohne offenbar jemanden Bestimmten zu meinen, ein trauriges Lächeln um die rotgeschminkten Lippen. Armin beobachtete sie mit scharfem Blick, als wolle er ihren zierlichen Körper durchbohren. Seine Augäpfel glänzten im Halbdunkel. Ilse wartete immer noch am Ausstieg.

»... kann mir bitte jemand die Leiter heruntergeben? Erich, ...« Offenbar hatte sie ein Opfer gefunden, das ihren suchenden Blick erwiderte, » ... sei bitte so lieb!«

Erich, der ältere, war so lieb. Galant bot er ihr auch noch die ausgestreckte Hand, als Ilse, ganz feine Dame auf Safari, die beiden Metallsprossen hinabstieg.

»Na, also,« lobte Erich. Allerdings entgingen beide nur knapp einem Sturz, weil »Uhuru« plötzlich wieder anzog. Mit einem »Huch!« hüpfte Ilse mitten in eine Düne hinein. Wir befanden uns auf einem sehr schmalen, sandigen Gratweg im Palmenwald. Links und rechts fiel das Gelände metertief schluchtartig ab. Der Weg war gerade breit genug, dass unsere Wagen darauf Platz fanden. Wie fest und damit befahrbar der Untergrund an den Rändern sein mochte, wurde soeben untersucht.

»Drinnen bleiben!« brüllte Bert, aber einige stiegen trotzdem aus. Das Abenteuer musste aus der Nähe erlebt werden. Irgendwo im Palmendickicht sollte es also einen schönen Campingplatz geben.

»Und wer sagt das mit dem Campingplatz?« fragte Armin in den Verbindungsrüssel hinein, »... Bert sagt, wir haben uns verfahren.«

»Gerda weiß es.« Brommels Stimme im Elefantenrüssel klang nervös.

»Natürlich. Gerda. Ausgerechnet Gerda! Und darauf wollt ihr euch verlassen? Die soll doch scheißen gehen!« Armin ließ sich auf seinen Sitz fallen. Zornige Verblüffung mochte in meinem Gesicht zu lesen sein, denn Armin zuckte die Schulter und ließ seine Hand auf mein Knie klatschen, »... ist doch wahr. Immer wissen diese Weiber alles besser. Da drinnen im Dickicht soll ein Campingplatz sein? Hier geht’s doch in die Wildnis!«

»Gerda war schon einmal hier,« erläuterte Brommel, der soeben an »Uhurus« Seitenfenster vorüber stapfte, »... alles einsteigen, wir versuchen es!«

»Ihr könnt euch schon mal auf uns verlassen! Warum soll da heute kein Campingplatz mehr sein, wenn es letztes Jahr einen gab? Ich finde, ihr solltet nicht so vorschnell urteilen.« Empört ließ Elsie, soeben sandbestäubt in den Wagen geklettert, sich auf einen der hinteren Plätze fallen.

»Hör’ auf zu nörgeln,« bellte Armin, blies Rauch zwischen seinen Lippen hervor, »... blödes Weibs –« Ich trat gegen sein Schienbein. Die letzten Silben blieben unverständlich. Er nörgelte doch, und das sagte ich ihm. Er grinste nur, und mir schien, als hätte er seinen Spaß daran, ab und zu Öl in ein ohnehin schon gefährlich züngelndes Feuer zu träufeln. Ein Rucken durchlief den Wagen. Wir setzten uns erneut in Bewegung, noch ehe alle richtig fest auf ihren Plätzen saßen. Sofort sackte die linke Seite wieder durch.

»Ach Gott,« kreischte Ilse, und diesmal schrie sie nicht allein auf. Inga, an ihren Rudi geklammert, starrte mit weit aufgerissenen Augen angstvoll in die Runde.

»Warum müssen wir ausgerechnet diesen Weg nehmen?«

»Hey, Baby, wir sind in der Wildnis, schon aufgefallen?« wollte Gerald wissen. Ein Palmwedel schlug zum Fenster herein, peitschte mein Gesicht, ließ feinen Sand wirbeln. Rasch versuchte ich das Fenster zu schließen. Ein Blatt hatte sich verklemmt. Dass sogar ein Palmwedel bedrohlich erscheinen konnte, hätte ich nie gedacht.

»Verschwinde!« piepste Milan schrill theatralisch und schlug nach einem scharfen Palmzweig, der auch zu ihm hereingeschnellt kam, noch ehe er das Fenster vollends hatte schließen können. Die Palmen wuchsen so nahe an den Wegrändern, dass sie den »Uhuru« hart knirschend streiften.

»Stooop! Ja, weiter! Langsamer! Mehr rechts! Reeechts!«

Brommel gehorchte Luis' Anweisungen, der draußen geblieben war und im grellen Lichtkegel breitbeinig seine Position behauptend »Uhurus« Balanceakt auf dem schmalen, sandverwehten Weggrat dirigierte. Im Wagen waren wegen des starken Schwankens erschreckte Laute zu hören.

»Der ist verrückt der Mensch! Hier kommt doch niemand durch! Wir sollten Bert sagen, dass wir umkehren wollen!« Inga war den Tränen nahe.

Dunja lehnte bequem an Milans Seite.

»Ja, ja,« sagte sie ruhig, »... Österreich seht ihr nicht wieder. Gleich versinken wir in einem tiiiefen Loch.«

»Mir scheint!« Ilse, »... ist es denn wirklich nötig, dass wir uns hier durchzwängen?«

»Ich hab’ gedacht, ihr wollt Abenteuer!« Karlis Stimme klang gar nicht mehr begeistert. Er wies mich auf die Sandverwehungen hin, die sich beiderseits des Weges herrlich in schwindelnde Höhen bäumten, ein Stück weiter zu flachen, scharfkantigen Dünen zusammensanken.

»Wahnsinn!« Angesichts dieser wildromantischen Schönheit war mir nach Jauchzen zumute.

»Na, und?« dämpfte Armin mein Entzücken, »... soll ich jetzt auch in Jubel ausbrechen wegen dem bisschen Sand?« Wir sanken immer wieder in tiefe Kuhlen, in die »Uhurus« Reifen sich ungeschickt eingruben, und die er nur mühsam wieder verlassen konnte, wie hinter ihm »Tarzan«. Brommel gab sein bestes, und wir entwickelten gehörigen Respekt vor der Kraft dieses hageren Burschen, der den schweren Lastwagen ohne Servolenkung beherrschte. In kurvigen Abschnitten des Weges lag nur eine dünne Sandschicht auf festem Untergrund, und »Uhuru« schleuderte. Wir kreischten, lachten und fürchteten uns in bisschen, und schoben uns im Schneckentempo zwischen den Palmen hindurch. Kilometerweit ging es so. Schließlich nahmen wir einen steilen, festgefahrenen Abhang in riskanter Kurve, glitten langsam, mit bedenklicher Schräglage zum Grund eines kleinen Talkessels hinab.

Zwei, drei Fahrzeuge parkten zwischen Campingzelten unter hohen, staubigen Palmen, »Camping Belvedere« verkündete eine uralte Holztafel. Gerda hatte recht behalten. Maunzende, spindeldürre Katzen und winselnde Hunde begrüßten unsere ersten Schritte innerhalb dieser Oase, an deren Existenz wir schon nicht mehr geglaubt hatte. Meterhoch türmten sich feste Sandwände rings um den Lagerplatz in einem tiefen, engen Tal, das einen Durchmesser von höchstens fünfzig Metern besaß.

Vielerorts erwies sich der Untergrund als zu fest für die Zelt-Heringe, stellte sich heraus. Auf der Suche nach weichem Zeltuntergrund wurde man ehestens nahe der Kesselwände fündig , wo immer wieder ein wenig Sand herabrieselte. Ich entfloh meinen durcheinanderlaufenden Kollegen, und eine köstlich gewagte Kletterpartie führte mich auf einen monderleuchteten Dünengipfel. Sollten sie ruhig murren und mit den Heringen herumstochern im festen Talgrund, ich wollte die nächtliche Wüste begrüßen. Wie bizarre Arme verliefen Sandschluchten von meinem Aussichtspunkt aus gegen die endlose Sandebene ins kilometerweit entfernte Tozeur hinaus. Ich sah Karli sein Schlafzeug auf eine der umliegenden Anhöhen schleppen. Wir winkten einander zu. Leichter Wüstenwind säuselte in meinen Ohren. Die Verkühlung war abgeklungen.

»... endlich das Lager aufbauen...« erhob Berts Stimme sich aus der Märchenszenerie. Tommy erkletterte »Tarzans« Galerie, reichte Kochroste, Gaskocher, Klappsessel herab, Peter fing durch die Luft fliegende Gepäckstücke auf, warf sie in der Sand, rief seinerseits nach Unterstützung. Bert montierte die Lagerleuchte. Mein Abstieg geriet sehr zögernd, denn am liebsten wäre ich immer weiter in die einsame, kühle Wüste hineingewandert. Ein westlich gekleideter Araber hieß mich willkommen und streckte mir die Arme entgegen. Bienvenu, madame ...

Nein, Skorpione gäbe es keine. Dafür aber eine Dusche.

Eine Dusche? Hier, mitten in den Dünen?

»Venez, venez,« ermutigte mich der Mann und fasste mich erneut sanft drängend am Arm. Ich hatte mir noch nicht einmal einen Schlafplatz ausgesucht, doch die Dusche wollte ich sehen. Anita kam auf mein Winken heran, und wir folgten dem fürsorglichen Herrn über einen schmalen, gewundenen Weg tiefer in die Sandhügellandschaft hinein. Leises Rauschen irritierte meine Ohren. Unterwegs trafen wir auf Silvia und Marga, die mitten am Weg saßen und sich angeregt unterhielten. Sie verstummten als wir näherkamen, zwei Verbündete, die sich zum Pläneschmieden in die Wildnis zurückgezogen hatten, so schien es.

Am Ende des schmalen Steges standen wir staunend vor einem tiefen Bassin mit reliefartigen, steil abfallenden Sandwänden, umgeben von Palmen, und aus einem dicken Rohr strömte rauschend Wasser. Stolz und nachsichtig schaute der Araber uns dabei zu, wie wir vor Begeisterung am Rand des Bassins herumhüpften und uns lauthals auf den nächsten Morgen freuten, wenn unsere schweißklebrigen, verspannten Körper es sich hier gutgehen lassen würden. Abends war es angeblich wegen der wilden Tiere nicht ratsam hierher baden zu gehen, und vielleicht meinte er zweibeinige Tiere.

Deutsche Globetrotter, die mit Motorrädern durch die Sahara unterwegs waren, beglückten uns mit der Kunde, die Strecke entlang der libyschen Grenze durch das Tassili-Gebirge nach Djanet sei nahezu unbefahrbar, zumindest, verfolgte man die Absicht, bereit kurz nach Hazoua, der algerischen Grenzstadt, direkt nach Süden abzubiegen. Das hatten wir vorgehabt. Einer der Motorradfahrer hatte die Strecke angeblich erst im letzten Monat befahren und metertiefe Abbrüche, Sandverwehungen und nahezu unüberwindliche »Wellblech«-Piste vorgefunden. Nicht auszudenken, wenn es in jener sterbensöden, hitzeflirrenden Wüstenei zu Pannen kommen sollte! Bert schaute sich wippenden Knies um, wer dem Gespräch gelauscht hatte und lenkte die Unterhaltung mit den anderen Globetrottern auf unsere Fahrzeuge. Gerüchte machen innerhalb einer Reisegruppe stets in Windeseile ihre Runde, und jenes, dass wir eine gefährliche Route nehmen sollten, verursachte sofort Krisenstimmung.

Ilse war die Köchin des Abends, der Gruppeneinteilung gemäß, und heftige Schimpfkanonaden aus ihrem wie stets geschminktem Mund zu hören, erfrischte uns geradezu nach ihrem ständigen Gejammer unterwegs. Karli äffte sie halblaut nach. Elsie schleppte prall gefüllte Netztaschen mit Kartoffeln, Paprika, Tomaten und Auberginen an den winzigen Klapptisch heran. Rußbestäubt und notdürftig gereinigt diente er als Schneideplatz für all die Pracht.

Peter und Tommy knieten am Boden, ordneten Holzstücke und trockene Palmblätter, bemühten sich, ein stattliches Feuer zu entfachen. Luis warf den Gaskocher an.

Das Kochen war mühselig. Kartoffeln ruhten eine halbe Stunde lang im wassergefüllten Riesentopf, ehe die Flüssigkeit wenigsten warm zu werden begann und damit die Garwerdung ihren vielversprechenden Anfang nahm, und Ilse fand wiederum Grund zum schimpfen. Reis musste gekocht werden. Drei Kilo Würste warteten darauf verzehrt zu werden. Bert verfolgte offenbar die Absicht, uns auf Vorrat zu mästen. Morgen würden sicherlich ein Fasttag folgen, witzelten wir. Aus fünf umherstreunenden Kätzchen, die mit riesigen, hungrig glänzenden Augen in ausgemergelten Gesichtern maunzend verfolgten, was vorging, wurden während des Kochens fünfzehn, später, während des Essens zwanzig. Sie hielten die Hunde, ebenfalls hager und halbverhungert, fauchend in Schach.

Erhitzt von Feuerglut und Rauchschwaden, mit tränenden Augen und verbrannten Fingern, zog ich meine Bahnen durch das Lager. Alfi saß still versunken mit verschränkten Armen auf einem der wenigen Klappsessel mit Lehne und schaute dem Treiben zu. Als Luis sich zu ihm gesellte, hub das große Lachen wieder an. Die beiden Hänse waren in ein Gespräch vertieft. Inga und Rudi erwarteten auf ihren Campingliegen das Fortschreiten des Abendmahles, ihre sorgenvollen Gesichter vom zuckenden Feuerschein erleuchtete. Ringsumher standen bereits die grünen und blauen Zelte, in deren Inneren es von Taschenlampenstrahlen flackerte und rumorte. Tommy und Dietmar hatten ihr Zelt auf einem Sandplateau errichtet, und von dort oben zogen würzige Rauchschwaden in den Talkessel. Otto hatte aus lauter Langeweile seine Zugehörigkeit zur Kochgruppe erklärt und widmete sich abwechselnd dem Auberginenschneiden und Reisumrühren. Elsie schnipselte ununterbrochen Zwiebel und Knoblauch. Ihre Ausdauer entlockte mir Bewunderung. Immer wieder stieß ich auf Silvias eisgraue Blicke, denen keine Regung im Lager entging. Sie unterhielt sich immer noch mit Marga.

Irgendwo tauchte immer wieder ein Gruppenmitglied im Kreis der anderen auf, verschwand in der kühlen Wüstennacht, kam wieder, nur Bert blieb unsichtbar. Selbst Brommel erlaubte es sich, mit Armin und Gerald plaudernd, ein wenig Ruhe zu suchen, unbehelligt von Berts Kommandorufen eine Zigarette zu rauchen.

Wo war Bert? Vermutlich regenerierte er seinen beanspruchten Geist in ein wenig Einsamkeit. Aber sollte ein Gruppenleiter nicht öfter in Gemeinschaft mit seinen Schäfchen verweilen? Bert stieß erst wieder zu uns, als nur noch Reste von Gemüseeintopf und Reis in den Töpfen klebten. Die Katzen und Hunde lieferten sich wütende Gefechte um zugeworfene Abfälle. Ich glaube, an diesem Abend haben wir alle gegessen, was wir kriegen konnten. Allerdings haben die Würstchen scheußlich geschmeckt.

UHURU

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