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DAS TOTE MEER
ОглавлениеDas Tote Meer ist nicht nur die tiefste Stelle auf der Erde, es ist auch eines der salzhaltigsten Gewässer der Welt. Ungefähr ein Drittel seines Inhalts sind Mineralstoffe – in den meisten Ozeanen machen sie nur drei Prozent aus, in den meisten Meeren vier und in Brackwasserquellen wie En Feschcha nur etwa ein Prozent.9 Im Toten Meer kann kein Lebewesen überleben, aber wir finden dort einige Mikroorganismen. Die Mineraliendichte im Toten Meer ist höher als die Dichte unserer Körpermasse und trägt uns im Wasser, sodass wir auf der Oberfläche treiben. Als Vespasian als Feldherr während des Jüdischen Krieges im Juni des Jahres 68 n. Chr. Jericho unterwarf, ließ er gefesselte jüdische Gefangene in den See werfen, da ihm gesagt worden war, sie könnten nicht untergehen:
Dessen Wasser ist, wie ich schon erwähnt habe, zwar bitter und ohne lebenschaffende Kraft, bringt aber wegen seines Auftriebs auch die schwersten Gegenstände, die man hineingeworfen hat, wieder an die Oberfläche; in die Tiefe zu tauchen ist selbst dann nicht einfach, wenn man sich sehr anstrengt. Tatsächlich geschah es, als Vespasian, um diesen Sachverhalt zu erforschen, zum See gekommen war und einige des Schwimmens unkundige Leute mit auf den Rücken gebundenen Händen in das tiefe Wasser hatte werfen lassen, dass alle an der Oberfläche schwammen, als ob sie von einem Windstoß nach oben gerissen worden seien. (Jüdischer Krieg 4, 476)
Wegen der Teerklumpen, die unter dem Boden des Sees entstehen und an die Oberfläche schweben, wo sie dann entlang der Ufer angeschwemmt werden, nannten die Römer das Tote Meer auch „Asphaltsee“ (Asphaltites).10
Aufgrund seines hohen Mineralgehalts werden dem Wasser des Toten Meeres und den heißen Quellen an seinen Ufern therapeutische Eigenschaften zugeschrieben, vor allem wenn es um bestimmte Hautkrankheiten geht, wie etwa Schuppenflechte und Hautausschlag, aber auch bei Schmerzen aufgrund von Leiden wie Arthritis. Dieser angeblich heilenden Eigenschaften wegen kommen Besucher aus aller Welt hierher. Sie fallen in Scharen in dem Badeort am Ufer des Toten Meeres ein und suchen Heilung, indem sie in seinem Wasser baden und den mineralreichen Schlamm auf die Haut auftragen. Weil das Tote Meer unter dem Meeresspiegel liegt, durchdringen außerdem weniger ultraviolette Strahlen die Atmosphäre, sodass die Sonne weniger schädlich auf die Haut wirkt.11 In den 1970er-Jahren beschloss Israel, die natürliche Schönheit des Toten Meeres zu erhalten: Hotels, Kurkliniken, Restaurants und Bars sollten sich auf einen einzigen Ort beschränken: das südlich von Masada gelegene En Bokek. Es ist heute ein quirliges Touristenzentrum mit 21 Hotels und zahlreichen Restaurants. Das übrige Westufer des Toten Meeres ist nach wie vor unerschlossen, abgesehen von ein paar verstreuten Siedlungen und Herbergen, darunter: ein Hostel am Fuß des Masada-Felsens; ein Kibbuz, eine Jugendherberge und eine Lehrgrabung in En Gedi; ein Kibbuz in Mitzpe Schalem (auf halber Strecke am Westufer); und ein Kibbuz in Kalia bei Qumran. Ungeachtet der mutmaßlichen therapeutischen Eigenschaften des Toten Meeres müssen Badende darauf achtgeben, kein Wasser in Augen, Ohren, Nase oder Mund zu bekommen. Das Wasser ist warm und fühlt sich ölig an, und es brennt in frischen Schnitten und offenen Wunden. Sobald sie aus dem Wasser heraus sind, müssen Badende sich sofort mit Süßwasser abspülen, um Beschwerden zu vermeiden.
Am südlichen Ende des Toten Meeres steht eine große Fabrik, die Dead Sea Works, eine ehemals staatliche Kalisalzanlage, die Pottasche, Bromid und andere Mineralien aus dem Schlamm extrahiert.12 Die erste Fabrik wurde 1930 in Kalia gegründet (Palestine Potash Company), aber nach dem Ende des britischen Mandats zog das Unternehmen nach Süden um, und das Nordwestufer des Toten Meeres einschließlich Kalia wurde jordanisches Territorium.13 Auf Karten oder Satellitenbildern sieht man, dass das Tote Meer aus zwei Teilen besteht: einem großen nördlichen Becken und einem kleineren südlichen Becken. Beide sind durch eine Landzunge auf der Ostseite, die Halbinsel Lisan (nach dem arabischen Wort für „Zunge“), voneinander getrennt. Das nördliche Becken ist mit etwa 300 Metern viel tiefer als das südliche. Weil der Pegel des Toten Meeres stetig sinkt, wäre das südliche Becken eigentlich schon ganz ausgetrocknet. Wasser führt es heute nur noch, weil Dead Sea Works einen Kanal um die Halbinsel Lisan gegraben hat, um große Verdunstungsbecken im südlichen Becken zu speisen. Masada überblickt die Halbinsel Lisan, die für Besucher vom Plateau des Berges aus deutlich sichtbar ist.
Dead Sea Works liegt bei Sodom am Südende des Toten Meeres. Trotz des Namens und ungeachtet aller gelegentlich herausposaunten Behauptungen wurden bislang keine archäologischen Überreste von Sodom und Gomorra gefunden – zumindest keine, die sich glaubwürdig identifizieren ließen. Viele Forscher bezweifeln sogar, dass diese Städte jemals existiert haben.
In der Nähe befindet sich eine faszinierende natürliche Formation, die Mount Sodom genannt wird.14 Dieser Berg Sodom ist ein Salzdiapir, das heißt ein vollständig aus Salz bestehender Höhenzug. Er ist ungefähr zehn Kilometer lang, zwei Kilometer breit und 200 Meter hoch. Das Salz lagerte sich während des Pliozäns und des Pleistozäns ab, vor etwa fünf Millionen bis 12.000 Jahren, als das Tote Meer noch salzhaltiger war als heute. Damals sammelte sich das Salz am Grund des Sees drei Kilometer dick. Als sich die Zusammensetzung des Wassers in dem See geändert hatte, lagerten sich andere Mineralien und Sedimente oben auf dem Salz ab. Salz ist zwar an sich fest, aber unter Druck wird es weich (flüssig). Weil Flüssigkeiten mehr Platz beanspruchen als Festkörper, hat sich das Salz ausgedehnt und ist durch eine Schwachstelle in der Erdkruste am Berg Sodom nach oben gekommen. Wer auf der Landstraße 90 den Berg passiert, kann die Salzschichten sehen, die von unten aus der Erde senkrecht aufsteigen, ein Prozess, der sich mit drei bis vier Millimetern pro Jahr fortsetzt. Die dünne Schicht aus Erde stammt von den Unreinheiten, die übrig bleiben, wenn Regen das Salz gelöst hat. Eine der Salzsäulen, die sich von der Flanke des Berges abgespalten hat, wird als „Lots Weib“, bezeichnet, weil sie entfernt einem menschlichen Profil ähnelt, wenn man sie von unten betrachtet.
Lots Weib – Salzsäule, beinahe anthropomorph
Die Hauptquelle des Toten Meeres ist der Jordan, der am nördlichen Ende in den See mündet. Kleinere Mengen Wasser kommen noch aus Quellen rund um das Tote Meer und aus gelegentlichen Sturzfluten. Der Grund für den hohen Mineralgehalt des Toten Meeres ist einfach: Es hat keinen Abfluss. Das Wasser, das hineingelangt, kann nirgendwohin entweichen außer in die Luft, und zwar vermittels einer hohen Verdunstungsrate infolge der Wüstenhitze. Während der Sommermonate bildet sich über dem See eine Dunstglocke, und sie erhöht die Luftfeuchtigkeit. Die in den See gespülten Mineralien bleiben zurück, wenn das Wasser verdunstet, und werden mit der Zeit immer stärker konzentriert. Weshalb der Pegel des Toten Meeres sinkt, ist ebenfalls leicht zu erklären: Sowohl Israel als auch Jordanien nutzen das Wasser im Jordan so extensiv, dass nurmehr etwa fünf Prozent ins Tote Meer fließen, mit der Folge, dass dessen Pegel in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gesunken ist. Das Ergebnis ist eine anhaltende – menschengemachte – ökologische Krise. Der See geht nun pro Jahr um etwa einen Meter zurück. Der Rückgang seit den 1950er-Jahren, als die in den See gelangende Wassermenge der Verdunstungsrate entsprach, beträgt insgesamt 40 Meter. Seit damals hat das Tote Meer mehr als ein Drittel seiner Fläche verloren und misst heute nur noch 50 Kilometer in der Länge, während es im Jahr 1950 noch ungefähr 80 Kilometer waren.15
Eine Folge des sinkenden Wasserspiegels im Toten Meer ist, dass entlang der Ufer Dolinen, Sinkhöhlen, entstehen: Beim Rückgang des Sees steigt salzarmes Grundwasser aus unterirdischen Quellen an die Oberfläche und löst unterwegs die Salzablagerungen auf, sodass sich unterirdische Hohlräume bilden. Stürzen diese ein, sackt der Boden weg, und es entstehende riesige klaffende Löcher – die Dolinen. Das Tote Meer ist heute von mehr als 4000 Dolinen durchlöchert; die meisten von ihnen entstanden seit den 1970er-Jahren. Wegen der Gefahr, die diese Sinklöcher mit sich bringen, wurde ein Großteil der Küstenlinie des Toten Meeres für Besucher gesperrt, darunter auch der öffentliche Strand samt Restaurant und Tankstelle in En Gedi:
En Gedi, Oase und Kibbuz: En Gedi war eine echte Oase mit üppiger Vegetation, eingebettet zwischen zwei Wasserläufen, inmitten der trockenen Landschaft. Heute ist es wegen der Dolinen verlassen. Die Palmen sind tot, und überall stehen verlassene Gebäude. Einen öffentlichen Strand gibt es hier nicht mehr.16
Israel und Jordanien suchen seit Jahrzehnten nach einer Lösung für dieses Problem. Der bekannteste Ansatz ist die Idee, einen Kanal entweder vom Mittelmeer zum Toten Meer („Med–Dead“-Kanal) oder vom Roten Meer zum Toten Meer („Red–Dead“-Kanal) zu graben.17 Der Gedanke dahinter ist nicht nur, dass auf diese Weise das Tote Meer wieder aufgefüllt werden könnte, sondern auch, dass man das Gefälle vom Mittelmeer oder Roten Meer zum Toten Meer zur Energieerzeugung nutzen könnte. So verlockend diese Idee erscheint, gibt es doch zahlreiche Hindernisse. Wegen der Geologie der Region gibt es für einen „Med–Dead“-Kanal keinen realisierbaren Verlauf. Und die beste Route vom Roten Meer liegt auf der jordanischen Seite der Grenze, was bedeutet, dass Jordanien und Israel ein Abkommen aushandeln müssten. Im Jahr 2015 berichtete die Jerusalem Post, man sei genau solch einem Abkommen erheblich näher gekommen.18 Das vorgeschlagene Projekt umfasst den Bau einer großen Entsalzungsanlage in Aqaba. Das dort übrig bleibende hypersaline Wasser (Sole) würde über einen Kanal 200 Kilometer nordwärts ins Tote Meer gepumpt. Israel könnte von der Entsalzungsanlage entsalztes Wasser beziehen, dafür dürfte Jordanien die Wassermenge, die es aus Israels wichtigstem Süßwasserreservoir, dem See Genezareth, erhält, erhöhen. Zu den Gegnern dieses Projekts gehören israelische und jordanische Umweltschützer, die fürchten, dass das Tote Meer durch den Zusatz von Sole irreparabel geschädigt werden könnte; die Palästinenser sind dagegen, weil sie nicht in diese Verhandlungen einbezogen wurden – da es zum Westjordanland (Westbank) gehöre, so ihre Argumentation, sei das Nordwestufer des Toten Meeres palästinensisches Gebiet, daher stünde ihnen bei jeder zukünftigen Vergabe von Wasserrechten eine Mitsprache zu.