Читать книгу Gelehrte Frauen der Antike - Ein Lexikon - Johann Benos - Страница 6
2.1.3. Mykenische Zeit (1500 bis 1000 v. Chr.)
ОглавлениеIn der mykenischen Zeit nahm die Bedeutung der Frau in der Politik etwas ab, und ihre Position in der Gesellschaft war nicht mehr unantastbar. Allerdings blieben die vorkommenden hervorragenden Frauengestalten in der Mythologie und in den Legenden genauso zahlreich wie die Gestalten der Männer. Die Göttinnen hielten ursprünglich das Gleichgewicht mit den Männern, nun aber haben wir mehr Götter als Göttinnen und mehr Krieger und kaum Kriegerinnen. Die „Große Mutter“ verlor ihre hervorragende Bedeutung, und aus „Dione“ wurde „Dias“, der mit dem „Zeus“ verschmolz. Nun haben wir auch viele Seher und Priester. Die Frauen konnten noch Könige auf den Thron bringen oder absetzen, Herrscher waren nun meistens Männer. Aber Frauen liebten den, den sie wollten, und wenn sie uneheliche Kinder bekamen, auch wenn sie verheiratet waren, sagten sie einfach, es handele sich um das Kind eines Gottes, was die Väter oder Ehemänner auch akzeptierten. So wurde die autretene Doppelmoral der Gesellschaft, die den Frauen nicht zugestand was den Männern erlaubt war, gesellschaftlich akzeptiert. Antiope, verheiratet mit Enopeus, gebar von Zeus angeblich Zwillinge, Zethos und Amphion, Kalchinia bekam von Poseidon Peratos, den achten König von Sykeon, und seine Urenkelin zeugte mit Apollon Korone. Chthonophyle bekam von Hermes Polybos, den König von Korinth, Io aus Argos bekam von Zeus Epaphos, Amymone zeugte mit Poseidon Nauplieus, und Danae gebar von Zeus den König Perseus. Aithra, die Ehefrau von Ägeus, dem König von Athen, bekam von Poseidon Theseus usw. Sogar Priesterinnen, denen es nicht erlaubt war, mit Männern sexuell zu verkehren, bekamen von den „Göttern“ Kinder, Timandra (gr. die ihren Mann ehrt) betrog ihren Ehemann Echemos, König von Tegea, mit einem Proletarier. Eryphyle spielte eine maßgebende Rolle im Königreich Argos.
Atalanta, die große Heldin und weiblicher Herakles, tötete mit ihren Pfeilen zwei Kentauren, als sie sie zu vergewaltigen versuchten, und sie kämpfte besser als Männer gegen wilde Tiere. Sie ist diejenige, die mit mehreren Männern auf die Jagd ging, um den kaledonischen Eber zu erlegen, einen sehr großen Eber, der die Felder der Bauern verwüstete, und sie war diejenige, die ihn erlegte. Ihrer Forderung entsprechend wollte sie nur denjenigen heiraten, der sie im Rennen besiegen konnte. Melanion besiegte sie und bekam sie. Aber sie hatte auch Kinder von Ares und vom Helden Meleagros. Hippodamea machte etwas Ähnliches. Nur wer sie beim Wagenrennen, das ihr Vater veranstaltete, besiegte sollte ihr Ehemann werden. Die schöne Helena soll, bevor sie Menelaos heiratete, mit Theseus und Achilles geschlafen haben, und ihr Liebesabenteuer als Verheiratete mit Paris ist bekannt. Ihre Rückführung nach Hause durch Menelaos blieb ohne Konsequenzen für sie[1], aber bevor er sie zurückholte, hatte sie nach dem Tode von Paris noch den Troer Deiphobos als Liebhaber. Laut anderen Quellen soll sie weitere Liebhaber gehabt haben. Ihre Tochter Hermione machte es ähnlich. Erst hatte sie ein Verhältnis mit Neoptolemos und dann mit Orestes.
Frauen erscheinen in der Mythologie auch als Gründerinnen von Königreichen. Sparta von Sparta, Messene von Messenia, Kallisto-Arkte von Arkadien usw. Dichter der klassischen Zeit machten aus dem erotischen Leben ihrer Heldinnen nicht selten Schandtaten, und die Frauen wurden zu den verachtenswertesten Frauen Griechenlands. Mancher änderte ihr überliefertes Lebensende und schrieb quasi unter Zuhilfenahme dieses Stoffs eine Kriminalgeschichte.
Die hohe Stellung der Frau dieser Zeit beweist der Mythos, dass Athena, die Göttin der Weisheit und der Wissenschaften, Tochter von Zeus, aus seinem Kopf geboren wurde. Die neun Musen der Wissenschaft, Kunst und Literatur waren ebenfalls Frauen, und die Weissagungen für Apollon, den Sonnengott, taten Frauen kund, nämliche Pythia und Sybillen. Sie blieben auch bei den späteren Griechen in Geltung, „ein weiterer Beweis für die Anerkennung und Würdigung weiblicher Umsicht und Weisheit“.[2]
In archaischer Zeit erfand man die Geschichte von Epipole, Tochter des Trachion aus Karystos in Euböa, die in Troja in Männerkleidung tapfer mit den Achäern gegen die Trojaner gekämpft hatte. Als man ihre Verkleidung erkannte, töteten sie die Achäer zur Strafe, weil sie ein männliches Territorium, Krieg und Schlacht, entweihte. Die Frau muss existiert haben, aber ihr Lebensende ist lediglich eine phantastische Legende. In dieser Zeit gab es genug Frauen als Kriegerinnen, die Amazonen. Sie waren kein eigenes Volk, sondern Frauen von Stämmen im heutigen Russland und Kleinasien, die mit den Männern zusammen kämpften oder sogar eigene weibliche Abteilungen unterhielten.
Über Literatur, Künste und Wissenschaft wissen wir leider kaum etwas. Die Dichter Homer und Hesiod lebten an der Grenze zur archaischen Zeit (9. oder 8. Jh. v. Chr.) und vermischten in ihren Werken die Realität mit der Mythologie. Sie nutzten zwar Quellen aus mykenischer Zeit, aber sagten nicht die volle Wahrheit über die Frauen ihrer Vorzeit. Homer soll sogar ganze Passagen von Gedichten und Überlieferungen aus mykenischer Zeit in seine „Ilias“ übernommen und eventuell verändert haben.
Am Ende der mykenischen Zeit im 12.-11. Jh., dem „heroischen“ Zeitalter der „Helden“, der Krieger und Gewalttäter, gab es für gelehrte Frauen und Männer keinen Platz. Aber es gab viele selbstbewusste und starke Persönlichkeiten, Herrscherinnen und Prinzessinnen wie Medea, Klytemnestra, Antigone, Elektra, Iphigenie u.a., die noch Jahrhunderte später die Männer fasziniert haben, entweder bewundernd oder verteufelnd.
[1] Licht, Sittengeschichte, S. 34.
[2] Gleichen-Russwurm, Kultur und Sitte in Hellas. Bd,1, S. 456.