Читать книгу Das Limit bin nur ich - Jonas Deichmann - Страница 33
Große Schiffe und kaltes Wasser
ОглавлениеDie nächste Herausforderung ist der große Industriehafen der Stadt Ploče, den ich am 9. November nachmittags erreiche. Ich überlege kurz, die Bucht vor der Stadt noch am Abend zu durchschwimmen, entscheide mich allerdings dagegen. Hier sind große Frachtschiffe unterwegs, die mich ganz bestimmt übersehen würden, außerdem gibt es wieder starke Strömungen. Also gehe ich an Land und steige auf eine Anhöhe, um mir einen Überblick über den Hafen und die Gesamtsituation zu verschaffen. Die See ist unruhig, die Schiffe ziehen kreuz und quer ihre Bahnen. Nein, diese Querung hebe ich mir für morgen auf. Lieber nutze ich die Gelegenheit und laufe in den Ort, um mir ein Restaurant zu suchen. Warmes Essen, das wird mir jetzt guttun.
Ploče liegt am Ende einer engen, tiefen Bucht, was für mich drei Kilometer Fußmarsch bedeutet. Irgendwann ist mir ein Stacheldraht im Weg. Kein Hindernis für mich, ich krieche einfach drunter durch und marschiere munter voran. Ein Stück weiter kommt wieder ein Stacheldrahtzaun, und der ist mit eindeutigen Schildern bestückt: Ich habe soeben militärisches Sperrgebiet durchquert. Schnelle Blicke nach links und rechts – okay, anscheinend hat mich niemand gesehen. Für den Rückweg kann ich hier nicht mehr lang, das ist klar. Das Problem muss ich später lösen, jetzt habe ich erst mal Hunger.
Ploče ist eine Industriestadt, die vom Hafen lebt, noch im jugoslawischen Architekturstil. Ich finde eine Pizzeria, in der überraschend wohlschmeckende, saftige Riesenpizzen aus dem Ofen gezogen werden, und damit ist der wichtigste Tagesordnungspunkt für heute abgehakt. Für die Nacht lege ich mich an den Strand der Stadt und werde dort auch in Ruhe gelassen.
Um weiterzuschwimmen, muss ich am nächsten Morgen wieder zu dem Punkt zurück, an dem ich gestern aus dem Wasser gestiegen bin. Durch den Militärstützpunkt kann ich nicht mehr durch, und wie ich über Land außen rum käme, weiß ich nicht. Also rein ins dreckige Hafenbecken, in dem überwiegend chinesische und indische Frachter Kohle, Erdöl und Metallschrott aus-, ein- und umladen, und schwimmend zurück. Ein paar Soldaten beobachten mich von ihrem Militärgelände aus, betrachten mich allerdings offensichtlich nicht als Gefahr für die Sicherheit des Landes. Es ist unangenehm in diesem Dreckwasser, und ich brauche eineinhalb Stunden, bis ich wieder an meinem Ausstiegspunkt angekommen bin. Jetzt muss ich noch die Bucht queren, was immerhin problemlos gelingt.
Direkt hinter Ploče beginnt das Delta der Neretva, die hier eiskalt ins nur knietiefe Meer fließt. Sogar im Neoprenanzug wird mir richtig kalt. Das Wasser ist teilweise so flach, dass meine Fingerspitzen den sandigen Untergrund streifen. Da, wo der Fluss einmündet, ist die Strömung ungeheuer stark. Ich brauche zwei Anläufe, um durchzukommen, und werde weit ins offene Wasser rausgetrieben. Inzwischen ist es schon ziemlich dunkel.