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7.Rechtsfolgenorientierte Tatbestandsauslegung und sog. Rechtsfolgenlösungen

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25Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Deliktes und die Rechtsfolge stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis (sog. Konditionalsatzstruktur)66. Denn der vom Gesetzgeber normierte Strafrahmen bringt die Unrechts- und Schuldbewertung der Tat zum Ausdruck. Dem entsprechend hat das BVerfG bereits mehrfach im Hinblick auf das Schuldprinzip ausgeführt, dass Tatbestand und Rechtsfolge einer Strafvorschrift sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen, was auch vom Rechtsanwender zu beachten ist67. Die Art und Höhe der Strafandrohung kann mithin die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen beeinflussen (rechtsfolgenorientierte Tatbestandsauslegung)68. Die Tatbestandsmerkmale sind also im Lichte der Höhe der angedrohten Strafe zu sehen. Ist diese für den zu beurteilenden Sachverhalt unverhältnismäßig hoch, so kann das Ergebnis einer rechtsfolgenorientierten Tat­bestandsauslegung etwa eine teleologische Reduktion sein.

Bsp.: T überlässt dem unheilbar kranken O Betäubungsmittel zur Selbsttötung. Macht sich T nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG (Betäubungsmittelüberlassung mit leichtfertiger Todesverursachung) strafbar? – Nach Ansicht des BGH ist der Tatbestand zu verneinen, wenn ein Betäubungsmittel zum freien Suizid an einen unheilbar Schwerstkranken, der kein Betäubungsmittelkonsument war, überlassen wird69. Dies begründet er u. a. damit, dass der vorgesehene Strafrahmen eine vom Gesetzgeber ins Auge gefasste Unrechtsdimension zum Ausdruck bringt, hinter der Fälle der Betäubungsmittelüberlassung zum Zwecke des Suizids „von vornherein weit zurückbleiben“70.

26Abzugrenzen von der rechtsfolgenorientierten Tatbestandsauslegung sind sog. Rechtsfolgenlösungen. Um das angemessene Verhältnis von Tatbestand und Rechtsfolge zu gewährleisten, werden notwendige Korrekturen hier am Strafrahmen vorgenommen71.

Bsp.: Die absolute Strafandrohung der lebenslangen Freiheitsstrafe ist bei § 211 im Hinblick auf das Schuldprinzip nicht unbedenklich72. Die Rechtsprechung des BGH lehnt zwar – z. B. durch eine restriktive Auslegung des Mordmerkmals der Heimtücke – prinzipiell Korrekturen auf Tatbestandsseite ab und bejaht damit den Tatbestand des Mordes73. Sie begegnet den verfassungsrechtlichen Bedenken beim Heimtückemord aber damit, dass sie im Wege der Rechtsfolgenlösung im Einzelfall (contra legem) eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 und damit eine übergesetzliche Milderung der lebenslangen Freiheitsstrafe vornimmt74.

Strafrecht - Besonderer Teil I

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