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b) Mutmaßliche Einwilligung

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Darüber hinaus ist auch die Rechtsfigur der sog. mutmaßlichen Einwilligung allgemein anerkannt, der insbesondere im Kontext ärztlicher Heileingriffe erhebliche Bedeutung zukommt. Diese Rechtsfigur greift in solchen Konstellationen ein, in denen eine wirksame Einwilligung aus tatsächlichen Gründen nicht eingeholt werden kann – z.B. weil der*die Rechtsgutsträger*in bewusstlos ist, bei extrem eilbedürftigen Notoperationen oder bei Operationserweiterungen –, ohne den erfolgenden Eingriff aber eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit der zu behandelnden Person besteht.[414] Auch in diesen Fällen sollte grundsätzlich zunächst versucht werden, eine Einwilligung zu erhalten (Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung).[415] Nur wenn dies nicht möglich ist, können mit Hilfe der mutmaßlichen Einwilligung solche Eingriffe gerechtfertigt sein, die dem mutmaßlichen Willen des*der Patienten*Patientin entsprechen.

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Der mutmaßliche Wille der betreffenden Person ist anhand ihrer individuellen Interessen, Bedürfnisse, Wünsche und Wertvorstellungen zu bestimmen. Daher kommt es nicht auf eine objektive „Vernünftigkeit“ an, sondern alleine darauf, ob die betreffende Person das Handeln aus ihrer – ggf. auch „unvernünftigen“ – Perspektive gutheißen würde.[416] Dabei sind alle für, aber auch alle gegen die Einwilligung sprechenden Umstände zu ermitteln.[417] Auf Grundlage dessen ist ein Wahrscheinlichkeitsurteil zu bilden, ob die verletzte Person in den Eingriff eingewilligt hätte. In der Praxis kommt der Vernunft als Maßstab gleichwohl eine erhebliche Bedeutung zu. Mangelt es nämlich an Anhaltspunkten für einen abweichenden individuellen Willen der betroffenen Person, ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass deren Wille mit dem übereinstimmt, was gemeinhin als normal und vernünftig angesehen wird.[418]

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