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4. Reformbestrebungen des Gesetzgebers

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Die Reformtätigkeit des Gesetzgebers weist im Bereich des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit eine gewisse Ambivalenz auf. Zum einen ist für den 17. Abschnitt seit dem 6. StrRG wenig Bewegung zu konstatieren.[476] Dies lässt sich u.a. auf das restriktive Rechtsgutverständnis zurückführen, welches psychische Gewalt weitgehend ausschließt. Zum anderen und damit in Verbindung stehend wird ein gleichwohl bejahter Regelungsbedarf in anderen Abschnitten des StGB wie auch in anderen Rechtsgebieten umgesetzt. So wurde beispielsweise das Stalking als Nachstellung in § 238 StGB geregelt, der seit seiner Einführung bereits mehrfach ausgeweitet wurde.[477] Die Neufassung der §§ 113, 114 StGB[478] hat dazu geführt, dass der „tätliche Angriff“ auf Amtsträger*innen heute faktisch zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung pönalisiert ist.[479]

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Betrachtet man die Reformtätigkeit des Gesetzgebers der letzten Jahrzehnte, so ist der Bereich der Körperverletzungstatbestände – nicht anders als das sonstige Strafrecht[480] – von einer Tendenz der Ausweitung und Vorverlagerung von Strafbarkeit geprägt, auch wenn diese Entwicklung im Bereich der §§ 223 ff. StGB weniger stark ausgeprägt ist. Zwar wurden im Laufe der Zeit einzelne Delikte modifiziert oder gestrichen – z.B. der Vergiftungstatbestand, § 229 StGB a.F., welcher jedoch in den heutigen § 224 StGB überführt wurde.[481] Insbesondere die Einführung der Versuchsstrafbarkeit in § 223 Abs. 2 StGB und die Novellierung des § 224 StGB mit einer erheblichen Erhöhung des Strafrahmens durch das 6. StrRG stehen jedoch für eine Entwicklung der Verschärfung, ebenso wie die Einführung des § 226a StGB. Ein Vorstoß im Bundesrat zur Neuschaffung eines § 224a StGB, welcher die Körperverletzung aus niedrigen Beweggründen erfassen und extremistische Gewalttaten besonders bestrafen sollte, wurde indes überwiegend kritisiert und verlief schließlich im Sande.[482] Weitere Änderungen werden durch das europäische und internationale Recht angestoßen.[483]

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Weitgehend abseits der gesetzgeberischen Aufmerksamkeit werden in der Literatur zahlreiche Reformdiskussionen grundlegenderer Art geführt. Die prominenteste und älteste Diskussion dreht sich um die Einführung eines Sondertatbestandes für eigenmächtige ärztliche Heilbehandlungen.[484] Diverse Anstöße dazu wurden vom Gesetzgeber bisher nicht umgesetzt,[485] entsprechende Änderungen jedoch weiter beständig eingefordert.[486] Hinsichtlich § 227 StGB wird gefordert, dass die klassische rechtsdogmatische Problematik um die Unmittelbarkeit der Todesfolge gesetzgeberisch geklärt werden müsse.[487] Weiterhin wird bei § 228 StGB angeregt, dass für die Einwilligung nicht mehr an dem Merkmal der Sittenwidrigkeit festgehalten werden solle.[488] Eine weitere größere Reformüberlegung bezieht sich auf die strafrechtliche Handhabung von fahrlässigen Körperverletzungsdelikten im Straßenverkehr.[489] Vorschläge, die auf eine Herausnahme von Sachverhalten mit Straßenverkehrsbezug aus § 229 StGB zielen (vgl. bereits Rn. 74), wurden bisher vom Gesetzgeber aber nicht weiter aufgenommen.[490] Zudem wird diskutiert, ob bei § 229 StGB die Bestrafung von fahrlässigen Bagatellen angesichts des oftmals geringen Unrechts- und Schuldgehalts adäquat ist.[491]

1. Abschnitt: Schutz von Leib und Leben§ 4 Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit › D. Sonstiges

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