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2. Häusliche Gewalt

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Ein recht verbreitetes Problem ist das der häuslichen Gewalt, die in der jüngeren Vergangenheit auch in der Praxis von Polizei und Strafverfolgung eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. Ähnlich wie beim Gewaltbegriff (siehe Rn. 10 ff.) fehlt es bei der häuslichen Gewalt an einer einheitlichen Begriffsdefinition. Schwander geht dann von häuslicher Gewalt aus, „wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen“.[459] Das am 1. Februar 2018 in Kraft getretene Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (bekannt als Istanbul-Konvention) umfasst als häusliche Gewalt „alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte“ (vgl. Art. 3 b).

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Sozialwissenschaftlich fundierte Aussagen über die Verbreitung von häuslicher Gewalt zu treffen ist schwierig, da Erhebungen bei Delikten im sozialen Nahbereich sehr anspruchsvoll sind. Insbesondere bei stark tabuisierten Formen der Gewalt und im Bereich sehr enger Beziehungen[460] ist die Auskunftsbereitschaft der Befragten begrenzt und stark von der Befragungssituation abhängig.[461] Die vorliegenden Zahlen sind daher eher als Mindestwerte einzuordnen. Eine repräsentative Studie im Auftrag der Bundesregierung zum Thema Gewalt gegen Frauen in Deutschland kam 2003 zu dem Ergebnis, dass rund 25 % der in Deutschland lebenden Frauen Formen körperlicher (23 %) und/oder sexueller Gewalt (7 %) durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner*innen erlebt haben.[462] Dabei handelte es sich um ein breites Spektrum unterschiedlich schwerwiegender Gewalthandlungen, deren Ausprägung und Kontext sich in den jeweiligen Paarbeziehungen ganz verschieden darstellen. Knapp ein Drittel (31 %) der Opfer gab an, in ihrem Leben lediglich eine Gewaltsituation erlebt zu haben; 33 % gaben an, mehr als zehn bis hin zu 40 solcher Situationen erlebt zu haben.[463] Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die 2013 durchgeführte EU-Untersuchung „Gewalt gegen Frauen“, als bisher umfangreichste Erhebung auf EU-Ebene. Danach haben 22 % der Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt in einer Partnerschaft erfahren.[464] 34 % der Opfer gaben an, dass durch den*die Täter*in mindestens vier verschiedene Formen körperlicher Gewalt (Stoßen, mit der flachen Hand/Faust geschlagen, Verbrennungen etc.) verwirklicht wurden.[465] Weiter ergab die Untersuchung, dass gerade Gewalt in der Partnerschaft zu verschiedenen Formen von psychischen Langzeitfolgen führt.[466] Es gibt zudem Erkenntnisse zur Gewaltausübung von Frauen an mit ihnen zusammenlebenden Männern, die relativ häufig sei, aber verhältnismäßig selten Verletzungen und Angst auslöse.[467]

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In den Fokus des Gesetzgebers ist das gesellschaftliche Problem der häuslichen Gewalt seit Ende der 1990er Jahre gerückt. Infolgedessen trat 2001 das Gewaltschutzgesetz in Kraft, wobei der Gesetzgeber häusliche Gewalt als die „am häufigsten auftretende Form der Gewalt“[468] einstufte. Das GewSchG setzte wegen der besonderen Schwierigkeiten im Bereich der häuslichen Gewalt nicht beim Strafrecht an, sondern entwickelte flexiblere Reaktionsformen. Konkret regelt das Gesetz gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen; es bezweckt somit primär den Schutz vor Gewalttaten, insbesondere häuslicher Gewalt, aber auch die Sicherstellung des zivilrechtlichen Schutzes gegen unzumutbare Belästigungen und andere Eingriffe in die Privatsphäre.[469] Es soll den Betroffenen zügig und einfach zu ihren Rechten verhelfen und ist lex specialis gegenüber der bisherigen analogen Anwendung von §§ 823, 1004 BGB.[470] Zu diesen Zwecken enthält das GewSchG Ermächtigungsgrundlagen für eine einstweilige Zuweisung der gemeinsamen Wohnung sowie weitere Schutzanordnungen, z.B. Kontakt- und Näherungsverbote.[471] Damit hat der Gesetzgeber auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es Betroffenen weniger um eine Bestrafung des*der Täters*Täterin, sondern vor allem um Schutz vor weiteren Übergriffen geht.[472]

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