Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Andreas Popp, Jörg Eisele - Страница 194

I. Historische Entwicklung der Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit im deutschen StGB

Оглавление

130

Die Strafbarkeit von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit (traditionell: Körperverletzungsdelikte) kennt die deutsche Strafgesetzgebung seit jeher, wenn auch die namentliche Bezeichnung und der Umfang der inkriminierten Handlungen einem Wandel unterlagen. Ausgehend von einzelnen aufgezählten Körperverletzungsvarianten schon im Zwölftafelgesetz (451–449 v.Chr.) wurde in der Folge nach dem weiten Verständnis des römischen Rechts als „injuria“ jegliche körperliche und seelische Misshandlung erfasst.[492] Auch das germanische Recht kannte die Körperverletzung als eigenen Deliktstypus, welcher im Hinblick auf äußerlich erkennbare Wunden, Verstümmelungen und sonstige Beschädigungen des Körpers weiter ausdifferenziert wurde.[493] In der peinlichen Gerichtsordnung von Karl V. aus dem Jahre 1532 verlor sich die Körperverletzung als eigenständiges Delikt.[494] Die Constitutio Criminalis Carolina erfasste die Körperverletzungsdelikte nur in Sonderfällen, erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich – offenbar durch die Gerichtspraxis – ein eigener Begriff der Körperverletzung (violatio corporis).[495]

131

Die die Rechtslage bis in die Gegenwart prägende Definition der Körperverletzung stammt von Feuerbach und entspricht der Kodifikation in Art. 178 BayStGB I. Teil aus dem Jahr 1831: „Wer (…) einen Anderen an seinem Körper misshandelt, oder dessen Gesundheit durch Verwundung, Verletzung oder sonst auf irgendeine Weise beschädiget, soll in folgenden Fällen des Verbrechens der Körperverletzung schuldig geachtet werden“. Diese einseitige Fixierung auf den Körper prägt das deutsche Rechtsverständnis bis heute. Rein seelische Beeinträchtigungen werden außerhalb von Sondertatbeständen grundsätzlich nicht erfasst.[496] Eine bedeutsame Ausnahme ist der 1912 eingefügte § 223a Abs. 2 StGB,[497] der am 26. Mai 1933 durch Gesetz[498] in § 223b StGB überführt wurde und schließlich in den heutigen § 225 StGB mündete, der beispielsweise im Rahmen des Quälens auch seelische Schmerzen erfasst.[499] Im preußischen StGB von 1851 erfolgte nach Vorbild des bayerischen StGB im 16. Titel eine Gruppierung der Körperverletzungsdelikte in §§ 187 ff. PrStGB. Nachdem das Delikt der Körperverletzung mit Todesfolge in den Partikulargesetzen der deutschen Länder teils als Tötungsdelikt, teils als Körperverletzungsdelikt aufgefasst worden war, wurde es durch § 194 PrStGB als Körperverletzungsdelikt festgeschrieben.[500] Das RStGB aus dem Jahre 1871 nahm die Entwicklung des PrStGB auf und kodifizierte die teilweise bis heute bestehenden Regelungen im 17. Abschnitt des RStGB in §§ 223 ff. RStGB.

132

Diesen Ort bewahrten sich die Körperverletzungsdelikte, die im Kernbereich lange nicht geändert wurden, bis heute.[501] Schon durch die Strafrechtsnovelle vom 26. Februar 1876[502] wurde die gefährliche Körperverletzung als damaliger § 223a StGB eingeführt.[503] Der Grundtatbestand des § 223 StGB erfuhr aber erst durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994[504] eine wesentliche Änderung in Form einer Ausweitung des Strafrahmens, die eine (symbolische) Angleichung an die Strafrahmen der Vermögensdelikte darstellte.[505] Einige wesentliche strukturelle Änderungen erfuhren die Tatbestände der §§ 223 ff. StGB durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998.[506] Der Abschnitt wurde in „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ umbenannt, ohne dass damit eine sachliche Änderung verbunden gewesen wäre.[507] Zudem wurden die Tatbestände neu nummeriert und insbesondere die gefährliche Körperverletzung in § 224 StGB neu gefasst.[508] Gestrichen wurden § 228 StGB a.F. (Führungsaufsicht), § 229 StGB a.F. (Vergiftung) und § 233 StGB a.F. (wechselseitig begangene Straftaten). Zudem wurde in § 223 Abs. 2 StGB der Versuch bei der einfachen Körperverletzung unter Strafe gestellt, um vermeintlich bestehende Wertungswidersprüche zu §§ 242, 246, 263 und 303 StGB zu egalisieren.[509] Die jüngste Änderung des Abschnitts war die Einfügung von § 226a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) durch das 47. StrÄndG vom 24. September 2013,[510] was insbesondere angesichts der erheblichen Nachweisprobleme eher als symbolisches Strafrecht zu bewerten ist (siehe näher oben Rn. 61).[511]

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх