Читать книгу Das Flüstern der See - Julia Beylouny - Страница 10
Kapitel 7
ОглавлениеSamuel
Sein Verfolger hätte sich den Zitterrochen sparen können, ebenso den Kugelfisch. Der Spion selbst war eine perfekt ausgebildete Kampfmaschine und tödlicher als seine beiden Folterfreunde zusammen.
Sam wartete, bis der Meermann ihn eingeholt hatte. Es wäre sinnlos gewesen, zu fliehen, zudem hatte er ihn längst erkannt. Die breite, braune Flosse benötigte nicht viele Schwimmstöße, um ihn zu erreichen.
Klug von dir, aufzugeben, ertönte es in seinem Kopf.
Ich gebe nicht auf, Sebulan, aber du könntest mir bei einer Sache behilflich sein.
Der Spion erfasste ihn mental. Sam schloss die Augen und versuchte, sich gegen den schmerzhaften Scan zu schützen. Sein Gegenüber lachte.
Nicht schlecht, dafür, dass du zu neunundneunzig Prozent menschlich bist, Noellan.
Als Erster der Phenoren solltest du wissen, dass es weniger als vierzig sind, gab er zurück und der Meermann sandte ihm einen bösen Blick.
Und du solltest mehr Respekt gegenüber Autoritäten vorweisen. Für das, was du auf der Hochzeit deiner Schwester getan hast, könnte ich dich auf der Stelle töten und das weißt du.
Ja, das weiß ich, sagte er. Und du weißt, wie schwer es ist, dort oben zu leben. Könnten wir jetzt bitte zum Wesentlichen kommen? Ich muss dringend mit Olamanassa sprechen. Bring mich zu ihm, Sebulan. Schwer, dort oben zu leben? Ein höhnisches Lachen hallte durch Sams Kopf. Schwer ist es nur, seinen Schwächen nicht zu unterliegen. Was dir dummerweise widerfahren ist – im Gegensatz zu mir. Ich wusste, wann es an der Zeit war, zu gehen.
Was ist mit dem Marianen? Ich will ihn sehen und muss wissen, aus welchem Grund er dir nicht gestattet, mich zu töten.
Sebulan musterte ihn ärgerlich. Ganz offensichtlich hatte der Spion selbst keine Ahnung, wieso Olamanassa Samuels Verhalten noch immer duldete.
Du kommst zu spät, Noellan. Er ist fort. Der alte Mann hat die Heimreise angetreten und ist längst im Pazifik angekommen.
Das … das kann nicht sein!, rief er erschrocken. Ich bin sicher, dass er wusste, dass ich ihn aufsuchen wollte …
Sehr richtig, er hat es gewusst. Das ist auch der Grund, wieso ich noch hier bin. Er hat mir befohlen, auf dich zu warten, um dir die Nachricht zu überbringen.
Sam hatte nicht damit gerechnet, dass der Mariane einfach ohne ein Wort verschwinden würde. Das verwirrte ihn noch mehr.
Und was nun, Sebulan?, fragte er ratlos. Was für eine Nachricht sollst du mir überbringen? Weiß Olamanassa denn nicht, dass sich hier unten alles gegen uns stellt? Dass Cassina und Malahan wohlmöglich in Gefahr sind? Außerdem wollte ich ihn um Rat fragen, was das Mädchen angeht – du weißt ja sicher, wen ich damit meine.
Deine Menschenfreundin? Der Spion lachte verächtlich. Sie ist hübsch, das muss man ihr lassen. Ich habe genug gesehen, auch wenn ich ihr Muster nur für den Bruchteil einer Sekunde erfassen konnte … Sebulan hetzte den Kugelfisch auf Sam. Das Vieh blies sich drohend vor ihm auf und fuhr die Stacheln aus. Nimm das als Warnung, Noellan! Ich rate dir nur eines: Die Sache wird nicht lange gutgehen, und solltest du dich zunehmend unvorsichtig verhalten, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass du von dort oben abgezogen wirst. Und das, was dich dann hier unten erwartet, willst du gar nicht wissen.
Was hat Olamanassa dir gesagt?, fragte er erneut. Er wusste, dass Sebulan leere Worte sprach – der Typ hatte keinerlei Befugnis, ihm zu drohen.
Du kannst froh sein, dass ich diese Befugnis nicht habe. Sebulans Stimme klang zerknirscht. Der Typ sträubte sich dagegen, mit der Nachricht herauszurücken, das war unschwer zu erkennen. Doch ihm blieb keine Wahl. Befehl war Befehl.
Von was für einer Nachricht hast du gesprochen?
Der Alte wollte, dass ich dir etwas übermittle. Also hör gut zu, Noellan, denn ich werde es nicht wiederholen. Er sagte dies: ‚Die Zeit wird alles enthüllen, denn die Geduld ist die Vorläuferin der Wahrheit.‘
Sam kratze sich am Kopf. War das alles? Nichts weiter als eine alte Bauernweisheit? Aber was hatte er von einem Marianen anderes erwartet? Dass die Wesen in Rätseln sprachen, hatte er längst gewusst.
Danke, Sebulan. Sonst noch was?
Nein, mehr habe ich dir nicht zu sagen.
Tja, also dann. Das heißt wohl, dass du dich noch etwas gedulden musst, was die Sache mit dem Umbringen angeht. Denk dir in der Zwischenzeit doch schon mal ein paar nette Methoden aus. Ich werd’ dann mal wieder, du weißt schon, immer dem Licht entgegen … Ach, soll ich dir beim nächsten Besuch was von da oben mitbringen? Irgendwas, was du vermisst? Ne Tüte Chips, Zigaretten oder so?
Für eine Sekunde zeigte der Spion eine fatale, unendliche Schwäche. Gerade lang genug, dass Sam einen tiefen Schmerz in ihm bemerkte. Im selben Moment fauchte Sebulan ihn an: Verschwinde, Noellan, bevor ich mich vergesse! Mich – und das Band der Freundschaft, das einst zwischen deinen Eltern und mir bestand …