Читать книгу Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon - Страница 14
11 Känguruh: Wildgericht vom roten Kontinent
ОглавлениеName: Kangaroo, Kere aherre
Region: Australien
Verzehr: Gebraten, gegrillt, als Burger, ...
(c) Alpha unter CC Lizenz
Aus Australien kommt ein neuer Ernährungstrend, der sich »Kangatarianism« nennt. Anhänger dieser Bewegung ernähren sich vegetarisch, jedoch mit einer Ausnahme: Sie essen auch Kängurufleisch. Ihre Begründung: Kängurus sind einheimische Tiere des australischen Kontinents, die an die dortigen Lebensbedingungen perfekt angepasst sind. Mit ihren Pfoten zertreten sie, anders als Huftiere, nicht die Grasnarbe, sie müssen nicht gefüttert oder getränkt werden und erzeugen nur einen Bruchteil des klimaschädlichen Methangases, das Rinder und Schafe in die Atmosphäre pupsen und rülpsen. Letztere werden in Australien in großem Maßstab gezüchtet und sind dort für über 10 Prozent des Klimagasausstoßes verantwortlich.
Und nicht zuletzt leben Kängurus wild, statt in Mastbetrieben. Sozusagen eine nachwachsende Ressource. Von den rund 60 Arten, die in allen Vegetationszonen des roten Kontinents heimisch sind und vom Mini-Roo, das weniger als ein Kilo wiegt, bis zum 90-Kilo-Kawenzmann reichen, stehen alle bis auf vier unter strengem Schutz. Und auch diese sich üppig vermehrenden Vier dürfen nur von lizensierten Jägern innerhalb festgelegter Quoten geschossen werden. All das mache Kängurufleisch zu einer ethischen Ernährungs-Option, argumentieren die Kängutarier. Allerdings erwischen die Jäger auch immer wieder Muttertiere, deren ein bis zwei Jungen dann als trauriger Kollateralschaden in der Statistik auftauchen.
Die Aborigines essen das Fleisch der Beutelträger bereits seit tausenden von Jahren. Die ersten weißen Siedler machten es ihnen aus Mangel an Alternativen nach, doch als sie sich auf dem Kontinent eingelebt hatten, aßen sie bald wieder das, was sie aus der alten Heimat kannten, und schließlich wurde der Känguru-Verzehr sogar verboten. Das änderte sich auch nicht, als Australien 1959 begann, das Fleisch der einheimischen Hüpfer zu exportieren. Erst 1980 wurde es im Bundesstaat South Australia wieder als Lebensmittel zugelassen und 1993 dann im ganzen Land. In der Zwischenzeit hatte sich das putzige Springtier, das seine Jungen im Bauchbeutel herumträgt, als Markenzeichen Australiens etabliert und als Maskottchen der Fluggesellschaft Qantas Karriere gemacht.
Bis heute werden rund zwei Drittel des Fleisches exportiert, vor allem nach Europa, und einer der größten Abnehmer ist mit rund 6.500 Tonnen jährlich Deutschland. In Australien findet man es in den Kühltruhen nahezu jedes Supermarktes: als dickes Steak oder, bei der Barbecue-Nation besonders beliebt, als Kanga-Banga-Wurst. Denn darüber, ob Kängurufleisch ethisch korrekt ist oder nicht, lässt sich streiten. Fest steht jedoch: Es ist sehr mager und kalorienärmer als beispielsweise Rind- oder Lammfleisch. Es enthält reichlich Eisen, Zink und Eiweiß, aber nur wenige gesättigte Fettsäuren und vor allem keine Antibiotikarückstände, die bei industriell gezüchteten Tieren inzwischen zur Regel geworden sind. Und wie schmeckt es? Die Zubereitung ist nicht einfach, da das Fleisch leicht zäh oder trocken wird. Profis empfehlen daher, es zu marinieren und nicht zu lange zu garen, dann schmeckt es zart und saftig und erinnert an Rindfleisch, allerdings mit einer ganz leichten Wildnote.
In Australien entwickelte sich der Absatz anfangs schleppend. Anscheinend fiel es den Einheimischen schwer, ihr eigenes Nationaltier zu verspeisen. Oder sie mussten an Skippy das Buschkänguru denken, das als Protagonist einer Fernsehserie in den 1960ern ähnlich wie Bambi, Flipper und Fury die Herzen der Aussies eroberte. 2005 schrieb die australische Känguruindustrie daher einen Wettbewerb aus, um einen neuen, unverfänglichen Namen für ihr Produkt zu finden. Die 2.700 Teilnehmer waren überaus kreativ: marsupan, krou oder roujoe wollten sie es gerne nennen, die Humorfraktion schlug jumpmeat (Springfleisch) oder MOM (als Abkürzung für »meat of marsupials«, also: Fleisch vom Beuteltier) vor. Sieger war schließlich: Australus, abgeleitet von Australis, dem lateinischen Wort für Australien. In Deutschland hat sich der Name allerdings nicht durchgesetzt.