Читать книгу Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon - Страница 5
2 Patatje Oorlog: Kriegserklärung an den Magen
ОглавлениеName: Patatje oorlog, Friet oorlog
Region: Niederlande
Verzehr: Frisch aus der Fritteuse
(c) www.snack-nieuws.nl unter CC Lizenz
Blicken wir der traurigen Wahrheit ins Auge: Wir leben in einem Land der Fast-Food-Einfallslosigkeit. Offenbar setzt die Kreativität aus, wenn keine Schraube dran oder kein Motor drin ist. Pommes sind ein gutes Beispiel. Was könnte man mit diesen knusprig frittierten Kartoffelstangen, die sich nie mit zu viel Eigengeschmack in den Vordergrund drängen, alles anstellen! Stattdessen erleben wir: rot-weiße Tristesse. Oder in Jägersoße ertränkte Labberigkeit. Bestenfalls mal eine Prise Currypulver, aber auch nur als Dreingabe zur Currywurst.
Dabei liegt die Inspiration gleich auf der anderen Seite der Grenze, in Belgien und den Niederlanden. Gut, man könnte jetzt einwenden: Das Leben besteht nicht nur aus Mahlzeiten beim Schnellimbiss. Es gibt aber im Leben eines jeden Menschen Momente, in denen nur eine Frittierbude sofortige Bedürfnisbefriedigung bieten kann. Nach einer Alkohol getränkten Nacht im Club, zum Beispiel, morgens, auf dem Heimweg. Wenn nach dem Coffeeshop-Besuch der Fressflash zuschlägt. Oder wenn Ballauf und Schenk mal wieder einen Fall gelöst haben.
Unsere Nachbarn im Nordwesten haben in solchen Momenten die große Auswahl. Vielleicht liegt es daran, dass Pommes dort oft der Mittelpunkt einer Mahlzeit sind. Sie werden sogar derart geschätzt, dass viele Niederländer sie nicht sofort an der Snackbar herunterschlingen, sondern wie einen guten Freund zum Essen mit nach Hause nehmen. Das Geheimnis, wie man sie so lange knusprig hält, bis man am heimischen Esstisch angekommen ist, wurde dort allerdings auch noch nicht entdeckt.
Bestellt man Patat (bzw. Friet) saté, manchmal heißen sie auch Patat pindasaus, dann bekommt man den Traum in Gold-Gelb mit süßlich-pikanter, heißer Erdnuss-Soße. Ein Souvenir aus jener Zeit, als Indonesien eine niederländische Kolonie war. Patat speciaal peppt die bei uns so beliebten Pommes Schranke mit Curryketchup und rohen, gehackten Zwiebeln auf. Und wer etwas wirklich Spezielles möchte, bestellt eine Kombination aus beiden. Die heißt dann Patat oorlog, was man am Tresen wie »Ohrloch« aussprechen sollte, und heißt übersetzt: Pommes Krieg.
Warum, weiß keiner so genau. Nur, dass sich der Name in den 1980er Jahren schneller in Holland verbreitete als eine Magen-Darm-Infektion – trotz des Widerstandes, den einige Snackbar-Betreiber leisteten. Wer möchte schon ständig bei der Essensbestellung an Mord und Totschlag denken müssen? Ronald Consten, Inhaber der Frituur Reitz, dienstältester Frittiersalon der Niederlande, vermutet, der Name sei vom Aussehen der Spezialität inspiriert: »Alle Zutaten werden auf einen Haufen geschmissen – das sieht aus wie auf einem Schlachtfeld.« Vielleicht beschreibt »Pommes Krieg« aber auch das, was eine geballte Ladung Fett mit scharfer Soße und rohen Zwiebeln im Verdauungssystem anrichtet, wenn man es noch nicht auf Fast-Food-Diät umgestellt hat.
In Holland hat noch eine weitere Schnellimbiss-Revolution ihren Anfang genommen, und zwar in Form von Automaten, die frisch frittierte Snacks verkaufen. Diese Automatieken verbinden wirklich das Beste aus allen Welten: Man sieht, was man bekommt, und zwar lebensechter als auf jeder bebilderten Speisekarte. Niemand muss anstehen und warten – man wirft einfach Geld ein, öffnet eine Klappe und zieht den gewünschten Snack heraus. Und das Allerbeste: Die schnelle Mahlzeit wurde nicht von einer Maschine zubereitet, sondern von einem Menschen, der an den Fritteusen im hinteren Teil des Imbisses hantiert. Genial. Oder auch völlig absurd und echt eklig – heißes, fettiges Essen aus dem Automaten?! In jedem Fall aber bieten die Automatieken das perfekte Preis-Kalorien-Verhältnis weit und breit. Auf Niederländisch sagt man dazu »eten uit de muur«: Essen aus der Mauer.
Nicht irritieren lassen darf man sich, wenn die Patat plötzlich Patatje heißen. Der Holländer verniedlicht Namen eben gerne. Auf die Portionsgröße der »Pommes Krieg« hat das aber keinerlei Auswirkungen. Genau so wenig darauf, was nach dem Genuss der Mahlzeit möglicherweise in den Eingeweiden abgeht.