Читать книгу Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon - Страница 21
18 Farnspitzen als Gemüse: Wilde Locken auf dem Teller
ОглавлениеName: Fiddleheads, Pikopiko, Kogomi, Gosarí, Juè-Cài
Region: Kanada, USA, Neuseeland, Japan, Korea, China, Taiwan
Verzehr: Blanchiert, als Rohkost
(c) Charles Royal / www.maorifood.com
Auf dem Teller liegen grüne Gemüsekringel in ornamentalen Schnörkeln, die einem irgendwie bekannt vorkommen. Zumindest, wenn man gelegentlich im Wald spazieren geht. Farnspitzen? Kann man die essen? Man kann – allerdings nur einige wenige der etwa 12.000 Arten, die es weltweit gibt, und auch die nur zu einer bestimmten Jahreszeit. Die meisten Arten dieser Millionen Jahre alten Pflanze, die unsere Erde zu Urzeiten als riesige Wälder bedeckte, verursachen Magenschmerzen oder sind giftig, einige stehen auch im Verdacht, Krebs zu erregen.
In Nordamerika, Neuseeland und einigen südostasiatischen Ländern gelten die zarten Spitzen, bevorzugt vom Straußen- oder Adlerfarn, als Delikatesse. Als eine sehr begehrte noch dazu: Nur die ganz jungen, noch zusammengerollten Blätter sind nämlich essbar und die können auf der Nordhalbkugel nur etwa zwei Wochen pro Jahr geerntet werden – etwa im April oder Mai. Dann in den Wald zu gehen und die erste Portion des Jahres zu sammeln, ist für viele Familien in Asien oder auch Nordamerika eine Frühjahrstradition. In Neuseeland ist die Ernte dank der unterschiedlichen Klimazonen zwischen Ende Juni und Ende Dezember möglich. Und noch etwas macht dieses Wildgemüse zu etwas Besonderem: Bislang wird es nicht kommerziell angebaut. Auch auf den Märkten in den jeweiligen Ländern bekommt man Farnspitzen nur während der sehr kurzen Saison und zu einem entsprechend hohen Preis, den Rest des Jahres muss man mit eingelegter Ware vorlieb nehmen.
In Nordamerika heißen sie Fiddleheads, Geigenköpfe, weil ihr Aussehen an den Schnörkel am oberen Ende des Streichinstruments erinnert. Schon die Ureinwohner kannten sie als gesundes Gemüse, das nach einem langen Winter die Lebensgeister weckte. Genau wie die Maori in Neuseeland, wo es auch als »Buschspargel« bekannt ist. Sein Geschmack erinnert tatsächlich an das liebste Frühjahrsgemüse der Deutschen: Es hat eine leichte Bitternote und noch etwas Biss, nachdem es blanchiert wurde (da der junge Farn dicht über dem Boden wächst und Keime tragen kann, sollte er zunächst gründlich gewaschen und kurz abgekocht werden). Danach wird er einfach in Butter oder Öl geschwenkt und mit etwas Zitronensaft oder – vor allem im asiatischen Raum – mit Knoblauch, Sesam und Sojasoße verfeinert, um das Waldaroma nicht zu übertünchen. Er schmeckt auch zu Pasta, in Quiches oder als Topping für einen ganz besonderen grünen Salat.
Im Zuge der Rückbesinnung auf regionale Zutaten haben es die Farnspitzen nun auch auf die Menüs der ersten gehobenen Restaurants geschafft. In Neuseeland beispielsweise experimentieren einige Köche mit Produkten, die schon die Ureinwohner kannten. Die Nachfrage ist bereits so groß, dass der Maori-Koch Charles Royal, der schon seit Jahren mit selbst gesammeltem Pikopiko und anderem Busch-Gemüse arbeitet, diese Zutaten nun auch an Kollegen verkauft. Und in Japan ist die Vorfreude auf die Kogomi-Saison so groß, dass sie sogar mit einer eigenen Hello-Kitty-Frühjahrsedition begrüßt wird: Das Kätzchen mit der Schleife am Ohr sitzt inmitten von Schaumstoff-Farnspitzen und lugt zwischen den Kringeln hervor. Entzückend. In Deutschland haben die wilden Kringel noch keine kulinarische Karriere gemacht, dabei wachsen Adlerfarne, die in Asien bevorzugt verspeist werden, auch hierzulande. Und so sind es bislang nur vereinzelt ausgewanderte Koreaner, Japaner oder Chinesen, die im Frühjahr in unseren Wäldern sammeln gehen.