Читать книгу Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon - Страница 4
1 Wenn das Essen die Zähne bleckt: Gegrillter Piranha
ОглавлениеName: Piranha, Piraña
Region: Südamerika im Amazonas-Gebiet
Verzehr: Gegrillt, gekocht, gebacken
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Spätestens seit dem James Bond-Film "Man lebt nur zweimal" haben Piranhas ihren Ruf weg: Tier gewordene Schredder sind sie, die einen Menschen mit ihren fiesen kleinen Rasiermesserzähnen innerhalb von Sekunden mit Haut und Haar fressen können. Unvergessen die Szene, in der Bösewicht Blofeld das Bond-Girl in einen Pool mit den blutrünstigen Biestern stürzen lässt und seelenruhig seine weiße Katze krault, während es vor seinen Augen im brodelnden Wasser verschwindet. Übrig bleibt: nichts. Furchteinflößender bekam das auch der 70er-Jahre-Schocker Piranha nicht hin oder die 2010er Version Piranha 3D. Nur blutiger.
Schon Naturforscher Alexander von Humboldt notierte bei seiner Venezuela-Reise 1799, der Piranha falle Menschen beim Schwimmen im Fluss an und beiße Stücke von ihnen ab. 1914 schrieb Ex-Präsident Theodore Roosevelt über die brasilianische Wildnis, die er im Jahr zuvor besucht hatte, dort gebe es die grausamsten Fische der Welt. Später stellte sich heraus: Die Einheimischen wollten dem hohen Besuch etwas bieten. Einige Tage zuvor trennten sie daher ein Stück Gewässer ab, in dem die Piranhas nichts zu fressen fanden. Als sie vor den Augen Roosevelts eine tote Kuh hineinwarfen, stürzten sich die ausgehungerten Tiere natürlich darauf. Die Szene dürfte der im James-Bond-Film in nichts nachgestanden haben.
Umso überraschter sind Touristen, wenn sie im Südamerika-Urlaub Menschen in Gewässern baden sehen, aus denen kurz vorher jemand Piranhas geangelt hat. Wer für die nächsten Jahre der Held jeder Party sein möchte, tut es ihnen nach – neben so einer Erfahrung sehen all die Bungeespringer, Wildwasser-Rafter oder Mit-Delphinen-Schnorchler blass aus. Der eine oder andere trägt von seinem Abenteuer sogar noch eine kleine Narbe davon, die er zum Beweis vorzeigen kann.
Denn Piranhas mit ihrem sagenhaften Unterbiss, bei dem es jedem Kieferorthopäden sofort in den Fingern juckt, können durchaus gefährlich werden – müssen sie aber nicht, wenn man ein paar Regeln beachtet. Übrigens kann es auch in Deutschland nicht schaden, sich mit den exotischen Schuppenträgern auszukennen: Überraschte Angler haben sie nämlich auch schon aus Alster und Erft gefischt, wo sie von Aquarienbesitzern ausgesetzt wurden. Offensichtlich können sich die Tiere auch an kühlere Wassertemperaturen anpassen. In erster Linie fressen sie tote und verletzte Tiere und übernehmen damit eine wichtige Funktion als Gesundheitspolizei der Gewässer.
Für Südamerika gilt: Am größten ist die Gefahr einer Piranha-Attacke in der Trockenzeit, wenn der Pegel der Flüsse immer weiter sinkt und sich in den Überschwemmungsgebieten im Amazonasbecken Pools bilden, die irgendwann zu Pfützen werden. Wer nicht die Erfahrung Roosevelts machen möchte, steigt hier besser nicht ins Wasser. Außerdem sollte man nicht blutend oder in trüben Gewässern zwischen Essensresten schwimmen – zwei Vorsichtsmaßnahmen, die sicher keine allzu große Einschränkung bedeuten.
Und schließlich lockt es die kleinen Monster an, wenn man beim Baden kreischend herumplantscht. Oft sind es deshalb Kinder, die von Piranhas verletzt werden. Diese Neugierde der Tiere kann man sich aber beim Angeln zunutze machen: Erst schlägt man mit einem Stock aufs Wasser, dann wirft man Haken aus, an die man saftige Rindfleischstücke hängt. Je nachdem wie ausgehungert die Fische sind, muss man allerdings sehr schnell reagieren – sonst ist der Köder abrasiert, bevor man den Fang eingeholt hat.
Die größte Gefahr, zwischen die Zähne eines Piranhas zu geraten, besteht übrigens genau dann: Wenn man ihn vom Haken nimmt oder er mit geblecktem Gebiss und wild mit der Schwanzflosse schlagend im Boot herumhüpft. Man muss ihn aber gar nicht selbst fangen, um ihn probieren zu können: In vielen Restaurants entlang des Amazonas steht der schmackhafte Fisch, der je nach Art bis zu 40 Zentimeter groß werden kann, auf der Karte. Da er einen starken, würzigen Eigengeschmack hat, wird er oft nur mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Meist wird er im Ganzen gebraten oder gegrillt und fletscht noch auf dem Teller sein imposantes Gebiss. Leider besitzt er unangenehm viele Gräten. Man sollte ihn daher schön vorsichtig essen, denn mit der Story, wie man einmal fast an Piranha-Gräten erstickt wäre, gewinnt man beim Party-Smalltalk keinen Blumentopf.