Читать книгу Delikatessen weltweit: 99 Spezialitäten, die Sie (lieber nicht) probieren sollten - Julia Schoon - Страница 15
12 Porridge: Red’ doch keine Grütze
ОглавлениеName: Porridge, Brochan
Region: Schottland, England
Verzehr: Als warmer Brei gelöffelt
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Laut schottischem Originalrezept wird Porridge (auf Gälisch: brochan) aus Haferflocken, Wasser und einer Prise Salz gekocht. Nur Kinder bekommen noch ein bisschen Zucker obendrauf. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass Hafer in früheren Zeiten nicht zu solch hübschen Flocken gewalzt wurde, wie wir sie heute kennen, sondern zu feinem Mehl geschrotet, dann ergibt sich aus diesen Zutaten ein Pott voll konturloser, grauer Grütze, die gänzlich frei ist von Geschmack. In einer weiteren Schüssel wurde traditionell Milch oder Sahne dazugestellt, in die die Familie reihum ihren Löffel tauchte, bevor sie damit einen Happs aus ihrer eigenen Porridgeschüssel nahm.
Das Grauen zu Tisch hielt den Dichter Robert Burns jedoch nicht davon ab, dem »Chief of Scotia’s Food« (Schottlands führende Speise) eine Lobeshymne zu schreiben. Ebenso großen Erfolg hatte der Poet übrigens mit seiner Ode auf Haggis, dem zweiten kulinarischen Kulturgut seiner Landsleute. In früheren Zeiten aß zumindest die ärmere Landbevölkerung ihren Porridge zum Frühstück, zu Mittag und zum Abendbrot. Zu späterer Stunde peppten sie ihn dann mit Kohl oder Rüben auf oder würzten ihn gar mit Bier und Whiskey.
Die Frühstücksschmiere schaffte bald den Sprung über den Kanal und auch auf deutsche Esstische. Allerdings vor allem in Kinderheime und Sanatorien – zum einen, weil es eine billige Mahlzeit ist, vor allem aber, weil der bekömmliche Haferbrei als Medizin für Magen- und Darmkranke galt. Mit einem Image, das derart unsexy ist, und einem Geschmack, der dem nichts entgegenzusetzen hat, wurde der klumpige Schleim konkurrenzlos zum Kindheitstrauma für ganze Generationen.
Einige von ihnen dürften noch leben und über die Jugend von heute die Köpfe schütteln. Seit ein paar Jahren feiert der Porridge nämlich, zumindest in Großbritannien, ein sagenhaftes Revival. Wissenschaftler haben herausgefunden, was Mütter und Großmütter früherer Generationen längst wussten und mit mehr oder weniger sanftem Zwang in ihre Sprösslinge hineinlöffelten: Haferbrei sättigt nachhaltig und gibt dem Körper über Stunden Energie, ist dabei jedoch leicht verdaulich. Damit punktet er schon mal bei Sportlern und Outdoor-Aktiven, und die ersten Hersteller bieten bereits spezielle Fitnessnahrung auf Haferbasis an, die die Performance steigern soll. Dabei ist der Brei auch noch kalorien- und cholesterinarm, was ihn wiederum bei Menschen beliebt macht, die Diät halten wollen oder müssen.
Als dann auch noch Köche damit anfingen, den Porridge so zuzubereiten, dass die Haferflocken ein wenig Biss behielten, und ihn mit Manukahonig, Ahorn- oder Agavensirup, frischem Obst, gehackten Nüssen, Sesam, Zimt, Kardamom, Vanille und anderen Leckereien zu pimpen, waren selbst die urbanen Hippster nicht mehr zu halten. Zumal die Wissenschaftler eifrig nachlegten: Der Haferbrei steigere die Konzentration und verlängere das Leben, wollen sie herausgefunden haben, er helfe, mit dem Rauchen aufzuhören, gegen Kater und bei Depressionen, er fördere die Intelligenz von Kindern und – Killer-Argument – verbessere sogar das Sex-Leben.
Ein großer britischer Haferflockenhersteller feierte 2009 die größte Umsatzsteigerung in seiner fast 150-jährigen Geschichte und expandiert seitdem. In angesagten Cafés sieht man Promis, Anzugträger und Kreative einträchtig ihren Superbrei löffeln, der auf Wunsch auch mit fettarmer oder Sojamilch zubereitet wird. Und wer sich nun zuhause das erste Mal ans Haferschleimkochen wagt, aber dann doch nur eine gelatinöse Pampe hinbekommt, kann das Zeug immer noch 1 A als Gesichtsmaske recyceln – es soll nämlich auch Hautunreinheiten wegzaubern.