Читать книгу Der Tod lauert im Internet - Jutta Pietryga - Страница 16
ОглавлениеVom Forstamt und der Feuerwehr ergeht erneut die Warnung vor erhöhter Brandgefahr. Aufgrund der lang andauernden Hitzeperiode sind die Wälder und Felder total ausgetrocknet. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen von 1975, die äußerst schwer in den Griff zu bekommen war. Tagelang tobte das Feuer. So etwas möchte keiner mehr erleben. Inzwischen sind wir Gott sei Dank für solche Katastrophenfälle weitaus besser gerüstet als damals. Wie es so schön heißt. Aus Schaden wird man klug! Liebe Hörer, auch ich bitte sie dringend, verzichten Sie darauf, im Wald zu rauchen. Jeder kleinste Funke könnte jetzt einen Waldbrand auslösen.
„Blah, blah, blah.“ Angela erträgt das Gesabble nicht mehr, stellt genervt das Radio aus. Sie muss wissen, wie es um die Mutter steht. Die Gedanken an eine tödliche Krankheit drängen erneut in ihren Kopf. Sie wehrt sie ab. Doch nicht jetzt! Jetzt wo beide im Ruhestand sind, endlich Zeit miteinander genießen können. Zeit, die ihnen vorher als vielbeschäftigte Ärzte selten vergönnt war.
Angela beneidet ihre Eltern. Sie hätte auch gern so eine erfüllte Ehe geführt. Gleich nach dem Studium hat sie geheiratet. Es war eine jener Geschichten, wie man sie kennt. Studentin himmelt Professor an. Der wesentlich ältere Mann fühlt sich geschmeichelt. Trotz aller Warnungen bezüglich des Altersunterschiedes heiraten sie. Was war ich verknallt! Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, verweht rasch. Traurigkeit flutet ihre Züge. Wie im Rausch durchlebten sie die erste Zeit ihrer Ehe. Später veränderte er sich, war nicht mehr der, in dem sie sich verliebt hatte. Wann war das geschehen? Und warum? Sie liebte ihn. Hätte ihn gern weiter geliebt. Wollte ihn lieben, so wie er jetzt war! Sie gab sich die größte Mühe. Doch es gelang nicht. Vor einigen Jahren erlitt Bernd einen Herzinfarkt. Angela war keine trauende Witwe. Trauern konnte sie nicht mehr. Das hatte sie bereits vor seinem Tod. Da hatte sie geweint um eine Liebe, die verloren ging, die sie nicht wieder finden konnte. Klammheimlich hatte sich Ihre Liebe verflüchtigt, wie der Nebel, der morgens auf dem Feld liegt, und sich irgendwann unbemerkt davon stiehlt. Ihr Mann ist tot. Angela ist erleichtert und genießt ihre Freiheit. Es gefällt ihr, allein zu sein, tun zu können wann, wo und was sie will. Das hat sie vermisst. Ein neuer Partner fand keinen Platz in ihrem Leben. So wie sie aussieht, Mitte vierzig, gertenschlank, mit strahlend blauen Augen, die blonden Haare modisch kurz geschnitten, hätte sie haufenweise Chancen. Sie genießt es, wenn die Männer ihr hinterherschauen. Doch eine dauerhafte Beziehung will, braucht sie nicht. Ab und zu Sex, falls es sich ergibt. Sex bei Bedarf. Bitte beachten Sie den Beipackzettel. Bei Nebenwirkungen und Risiken wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker. Genau so! Denkt sie grinsend. Das genügt, mehr an Mann ist nicht nötig!
Über ihre Grübelei ereicht sie ihr Ziel, Altwarmbüchen. Sie biegt in die Zufahrtsstraße ein, die zum Elternhaus führt. Weithin sichtbar blinkt das Blaulicht eines Krankenwagens. Ihr Herz schlägt schneller. Furcht klettert vom Bauch zum Hals, bleibt dort stecken. Das Schlucken fällt ihr schwer. Eine bleierne Schwäche bemächtigt sich ihrer. Am liebsten hätte sie sich verkrochen.
Es erstaunt sie, normal lenken und schalten zu können. Trotz der Furcht vor dem, was auf sie zukommt, parkt sie rasch ein. Sie eilt den Gartenweg hoch hinauf zum Haus. Nach außen stark wie immer wartet ihr Vater vor der Haustür. Lächelt sie an. Doch sie übersieht nicht die Angst in seinen Augen. Sie will ihn umarmen, traut sich nicht, weil sie fürchtet, dann in Tränen auszubrechen.
„Papa, was ist los?! Was ist passiert?“
„Deiner Mutter geht es schlecht, hat sich ständig übergeben. Sie behielt gar nichts mehr bei sich. Ich habe dann den Notarzt gerufen, der sie ins Krankenhaus eingewiesen hat. Ich fahre im Krankenwagen mit. Am besten du fährst hinterher.“
Seine Stimme bebt. Es erschreckt Angela zu wissen, dass er die gleichen Ängste hat wie sie. Sie will die Furcht in seinen Augen nicht sehen. Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. Vorahnungen – so ein Quatsch. Alles wird gut!