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ОглавлениеKapitel 8 Linda und Jenny
Gemächlich schlendern Linda Karstens und ihre Tochter Jenny durch den Welfenpark Richtung Leibnitz Universität. Jenny plant, Jura zu studieren, und hat diese Uni in die engere Wahl gezogen. Sie genießen die Kühle der schattenspendenden Bäume, gehen betont langsam, um diesen Genuss möglichst lange ausdehnen,
„Wusstest du Mama, dass die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität die zweitgrößte Hochschule Niedersachsens ist? Und wusstest du auch, dass das Hauptgebäude der Uni, das ehemalige Welfenschloss, ursprünglich für die königliche Familie als neue Residenz gebaut wurde?“
Linda lacht. „Nein, das wusste ich nicht! Aber jetzt.“
Jenny setzt ihren Vortrag fort.
„Leider konnte es die königliche Familie nicht mehr beziehen, da die Preußen das Königreich Hannover vor Vollendung des Baus annektierten.“
„Was du alles weisst.“ Linda bleibt stehen und schaut stolz auf ihre Tochter. „Ist das nicht schön hier?“
Zusammen bewundern sie die eindrucksvolle Umgebung. Ein riesiges Parkgelände umschließt das aus weißem Deistersandstein erbaute Gebäude. Direkt vor dem Haupteingang prunkt das Sachsenross, Niedersachsens Wahrzeichen.
Längst haben die Studenten den Park als den ihren annektiert. Doch nicht nur sie nutzen und lieben diese Grünanlage mit dem uralten Baumbestand, Teichen und seiner historischen Brücke. Überall liegen oder hocken, vereinzelt, meist jedoch in Gruppen, junge aber auch ältere Menschen. Sie schwatzen, essen, lesen oder genießen auch einfach nur die Umgebung und das Faulsein.
Vor den beiden flanieren ein paar kichernde Frauen. Linda amüsiert sich. Wie unbeschwert, wie glücklich, sie sind. Neid wallt in ihr auf. Gefolgt von Trauer um eine Kindheit, eine Jugend, die sie nie sorglos erleben durfte. Tränen brennen hinter ihren Lidern. Warum ist sie nur immer so rührselig. Ihre Tochter reisst sie aus den deprimierenden Gedanken. „Wollen wir uns nicht auf eine der Bänke setzen? Es ist so schön hier.“ „Gute Idee, Jenny.“ Behaglich strecken sie ihre Beine aus. Mit geschlossenen die Augen genießen sie den wohltuenden Schatten. Nach einer Weile kramt Linda in ihrer Tasche, fördert aus deren unendliche Tiefe eine Flasche Mineralwasser zutage. Gierig trinkt sie die ersten Schlucke, gibt dann das Wasser an ihre Tochter weiter, die ebenso durstig über das Nass herfällt. Ihre Mutter schließt abermals die Augen. Lehnt sich gegen die Banklehne. Hinter ihren Lidern huschen Bilder der Vergangenheit anvorüber: Ihre Kindheit war weder heiter noch behütet. Das besserte sich auch nicht, als sie älter wurde. Im Gegenteil! Sie sieht den Vater, ein Bulle von Kerl, der oft und viel trank. Dann tobte er, brüllte und verprügelte seine Frau. Deutlich hört sie ihn schreien, riecht angeekelt die Alkoholfahne, weiß, was gleich passieren wird. Seine bösen Augen funkeln ihre Mutter an. Er hebt die Hand, schlägt zu, immer wieder. Eines Tages ist sie nicht mehr da. Ein Unfall sagt er. Von da an gilt seine geballte Aufmerksamkeit ihr. Mit fünfzehn läuft sie fort. Wird aufgegriffen. Man steckte sie in ein Heim. Linda war erleichtert. Entschieden schüttelt sie die bedrückenden Erinnerungen ab, richtet sich auf und schaut umher. Zwei Bänke weiter vorn, unter einer ausladenden Linde, fällt ihr ein Mann auf, eine aufgeschlagene Tageszeitung auf dem Schoß. Verstohlen betrachtet sie ihn. Der Typ irritiert sie. Wie er die Mädchen mit den Blicken verfolgt, sie nicht aus den Augen lässt. Ziemlich dubios! Seine heruntergezogenen Mundwinkel schmunzeln. Es ist kein positives Lächeln. Angst greift mit Klauen nach ihr. Irgendetwas Ungutes strahlt von dem Mann aus. Trotz der enormen Hitze schaudert sie. Voller Missbehagen ergreift sie die Hand ihrer Tochter. Das hat sie seit Jahren nicht mehr getan. Erstaunt, fast schon entsetzt, schaut Jenny sie an und will die Hand wegziehen, sie ist doch kein Kleinkind mehr. Aber Linda umklammert sie vehement, zieht ihre Tochter von der Bank und treibt sie weiter. Der animalische Instinkt eines Muttertieres warnt sie vor Gefahr, rät zur Flucht!