Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 10
ОглавлениеAcht
„Hast du nicht gesagt, dass Jackson mitkommt?“ „Die ist krank“, maulte ich. „Was hat sie denn?“ „Sie ist erkältet“. „Tja kein Wunder wenn man ständig nackt durch die Gegend rennt!“ Die Frau nervte jetzt schon! „Sieh‘ mal, da ist der Parkplatz!“
Jackson rief heute Mittag völlig aufgelöst an. „Hör‘ zu!“, schrie sie. „Filzläuse sind flach und rundlich, etwa zwei Millimeter im Durchmesser. Sie werden beim Geschlechtsverkehr, gelegentlich auch durch Kleidung oder Bettwäsche übertragen. Ich kotz gleich!“
„Wie bitte?“, fragte ich blöde.
„Ich war bei Tinas Hausärztin. Kann ja wohl nicht zu meinem Arzt gehen. Was glaubst du, was der über mich denkt!“
„Wieso schreist du denn so?“ Ich verstand nur Bahnhof.
„Jedenfalls hat die mir ein Puder verschrieben. Seit gestern läuft ohne Unterbrechung die Waschmaschine, weil ich alles waschen und putzen muss. Ich bin völlig fertig! Kann bitte jemand kommen und mich erschießen? Die Tante hat gesagt, ich muss unbedingt mit dem Typen darüber sprechen. Er soll die gleichen Medikamente nehmen wie ich, … aber, aber ich kenn‘ den doch überhaupt nicht!“ Sie war völlig hysterisch!
„Soll das heißen du hast Filzläuse? Das ist ja ekelhaft! Von wem sind die denn?“
„Hörst du nicht zu? Von dem Fernsehheini!“, schrie sie wieder.
„Aber du wirst doch wissen wie er heißt und wo er wohnt?“
„Mann! Sei nicht so spießig! Geh‘ mir mit deiner Moral bloß nicht auf den Sack! Ich weiß von dem Null! Ich hab‘ ihn bei Angelo angemacht und eingeladen“.
„Gut dann fahr‘ ich mit Irmi alleine nach Ottersberg und du pflegst deine Muschi!“ Ich war fassungslos! Geschockt! Ich war sauer auf das Ferkel!
„Süße, könnte sein, dass wir uns etwa 10 Tage nicht sehen. Ich muss die Behandlung mehrmals wiederholen und zur Nachuntersuchung. Ins Reisebüro gehen wir später. Wir haben Zeit. Hast du dich entschieden? Wo möchtest du hinfliegen?“ zirpte sie plötzlich sanft in mein Ohr.
„Darfst du denn mit Filzläusen das Land verlassen?“, knurrte ich.
„Echt witzig, wirklich!“. Niedergeschlagen.
„Tunesien?“, schlug ich vor.
„Supi! Sag‘ mal hat Mick heute zufällig Zeit? Er könnte bei mir einen Krankenbesuch machen!“
„Ha, ha!“
„Ich liebe dich!“, schnurrte sie.
„Ich liebe dich auch du blöde Kuh!“
Irmi glotzte aus dem Fenster. „Da ist ganz schön was los. Viele Motorräder“. Ich parkte den Mini. Irmi stieg aus, streifte ihren Jeansrock glatt und wir machten uns auf den Weg. „Du hast tolle braune Beine. Solltest höhere Hacken anziehen, dann kommen sie noch besser!“, sagte ich und meinte es ausnahmsweise ernst.
Sie sah in der orangen Bluse, dem blauen SICHTBAREN! Wonder Bra und dem Jeansröckchen aus wie ein Trampel! „Nä! Damit kann ich nicht gehen und obendrein sind hohe Schuhe ungesund. Du wirst im Alter mal Probleme kriegen!“ antwortete sie schnippisch.
„Ja, ja! Mach‘ dich locker!“ Die Frau war nicht zu verbiegen.
Sie öffnete ihr albernes Täschchen in Herzform und zahlte je 7 Euro. Irmi fühlte sich veranlasst das Kassenhuhn zu löchern, wie viel Verzehrguthaben im Eintrittspreis steckte.
JACKSON! DU FEHLST MIR!
Als das geklärt war, gingen wir endlich hinein. Harte Kerle spielten Billard. Zigarette im Mundwinkel, ohne Worte voll konzentriert den nächsten Stoß bemessend. Sie beachteten uns nicht. Wir kamen an der kleinen Bar vorbei, durch den dunklen Gang, in dem sich ein Pärchen heftig küsste. An der großen Bar bestellten Irmi und ich Cola light und lehnten uns an den Tresen. „Die Musik ist klasse! Sind das nicht KISS?“, rief Irmi begeistert und sah mich fragend an.
„Ja. KISS“.
„Und die vielen Leute! Die Disco ist ein Geheimtipp!“, jauchzte der Trampel. „Wo ist die Süße mit den wuschigen Haaren?“, schrie jemand in meinen Nacken. Es war Mona in einem hautengen ‚Hell’s Kitchen‘ T-Shirt. BOMBENALARM! Die pralle Tante wartete auf Antwort. „Sie hat sich erkältet. Ich habe heute eine Kollegin dabei. Darf ich vorstellen, das ist Irmi“. Ich wollte eine lässige Handbewegung machen und verschüttete meine Cola. Mann. Mann. Mann.
Da sah ich Alice winken. Ich sollte wohl zu ihm hochkommen. Im Grunde hatte ich mich nicht mehr im Griff! Nicht auszudenken, wenn mir tatsächlich nochmal dieser ‚Typ‘ begegnen sollte! Ich musste mich schleunigst konzentrieren! Keine Fehler machen! Brust raus! Rücken gerade! Ein bisschen gelangweilt schauen … nein, nein, neiiiiin! Ich glaube ich bekomme einen Herzinfarkt! Verdammte Scheiße! Was war nur mit los? Ich konnte vor Aufregung kaum laufen, dabei war der ‚Typ‘ doch gar nicht da! Locker bleiben ….und rauf auf die Kanzel!
Alice nahm mich zur Begrüßung kurz in die Arme und gab Küsschen. „Wünsch‘ dir was, Schönheit!“, sagte er lächelnd. „Led Zeppelin. Whole lotta Love“, blubberte es aus meinem Mund. „Kommt!“ „Danke! Ich geh‘ wieder runter zu meiner Kollegin“, stotterte ich. „Habt ihr Betriebsausflug?“, fragte Alice. „Nö“. Während ich mich zum Affen machte, amüsierte sich Irmi mit einem Barmann. Sie trank Tequila! Spaßig!
Plötzlich ging das Licht aus und wieder an. Ansage: „Auf besonderen Wunsch einer Freundin … Whole lotta love!“
SPOTT AUF MICH!
JESSAS!
Spott auf die Tanzfläche. ICH WOLLTE HEIM!
Kaum lehnte ich wieder an der Bar, tauchte er aus dem Nichts auf und ging an mir vorbei auf die Tanzfläche … Er trug eine alte verwaschene Jeans, die perfekt seine langen muskulösen Beine betonte. Braungebrannter Oberkörper! Weißes Shirt! Um seinen Hals hing eine silberne Kette mit einem großen Kreuzanhänger. Die Haare waren noch länger als ich dachte. Hellbraun und glänzend. Er hatte die Augen geschlossen. Ich betrachtete den Mann und seinen hocherotischen Körper, wie er sich rhythmisch bewegte und die Musik in sich hineinsaugte.
Anmutig! Leidenschaftlich!
Mir lief Sabber aus dem Mund!
„Wollen wir tanzen?“, erschreckte mich Irmi zu Tode. „Geh‘ nur. Ich tanze später“, hörte ich mich sagen. Meine Augen waren längst wieder auf das Objekt meiner Begierde gerichtet. Langsam kamen er und Robert Plant zum Höhepunkt.
Shake for me, girl. I wanna be your backdoor man. Keep it coolin‘, baby.
Als die geile Nummer zu Ende war und Lynyrd Skynyrd übernahmen, ging er von der Tanzfläche und ich wie ferngesteuert hinterher. Sein Knackarsch hypnotisierte mich bis er in der Herrentoilette verschwand. Ich versteckte mich im Damen Klo und nutzte die Zeit für einen Blick in den Spiegel. Als ich ihn durch den Türspalt spähend wieder herauskommen sah, riskierte ich einen Zusammenstoß und sagte: „Du bist der schönste …“ Er antwortete „ich weiß!“ und seine großen, aber mandelförmigen dunklen Augen lachten spöttisch, als er in die Disco zurückging.
ICH WOLLTE SOFORT AN ORT UND STELLE VERGLÜHGEN!
Wie bitte? Was hatte ich da eben gesagt? Ich musste völlig verblödet sein!
Was mache ich jetzt mit Irmi? Ich gehe da auf keinen Fall nochmal hinein!
Klarer Kopf! KLARER KOPF! VERDAMMTE SCHEISSE!
„Wollen wir eine rauchen?“
HILFE! EIN PIRAT!
„Ja, ..ja wieso nicht!“, stotterte ich entgeistert. Captain Sparrow ging voraus an die kleine Bar. Er bestellte für uns beide Bier und bot mir eine Zigarette an. „Bist du die Flamme von Sid?“, fragte der Pirat.
„Wie bitte?“, stotterte ich.
„Na von Sid! Du hast eben mit ihm gesprochen“.
„Ach, der heißt Sid? Was ist das denn für ein Name?“, ich war total überfordert.
„Sex Pistols? Sid Vicious? Punk?“, sagte er und fuchtelte mit seiner Zigarette vor meiner Nase herum. „Aha! Und was hat der Name mit ihm zu tun?“
„Nix! Das ist sein Spitzname. Gab‘ mal eine Zeit, da war Ben ein Punk. Ist aber schon lange her“.
„Und was macht dieser Ben sonst so?“ KOMM PIRAT KLÄR MICH AUF.
„Das frag‘ ihn mal selber“.
„Ich bin Gesteinslaborant“. Ich drehte mich erschrocken um und meine Luftröhre verknotete sich augenblicklich!
LÄCHELN! NUR DIE RUHE!
Was für ein Gesicht! „Hallo, ich heiße Ben. Manche sagen Sid. Und diese Kreatur ist mein Freund Hunter. Manche nennen ihn Christian. Ich denke mir seit einer Woche Namen aus, die zu dir passen könnten, aber ich wusste das du wieder kommst, deswegen frage ich dich direkt. Wie heißt du Schönheit?“ Er lächelte mich an.
„Lisa“, krächzte ich.
„Lisa“. Wie er meinen Namen aussprach! „Wollen wir draußen eine rauchen?“, fragte er mit tiefer rauer Stimme.
„G…gern“. Eigentlich rauchte ich gar nicht aber ich tapste sofort hinterher wie ein Dackel. Draußen öffnete er die Beifahrertür eines nachtblauen Camaro und ließ mich in weißes Leder setzen. Er nahm neben mir Platz und öffnete die Fenster. Ich hatte Hunters Zigarette zwischen meinen Fingern ganz vergessen und warf sie erschrocken hinaus. Dann ließ ich mir von Ben eine neue geben und er fing mit seiner dunklen Stimme an zu reden. Er meinte vom Blitz getroffen worden zu sein, als er mich letzte Woche sah. Er musste immerzu an mich denken und hoffte sehr, dass wir uns wiedersehen. Irgendwie wäre er zuversichtlich gewesen. Mein Blick hätte ihm Interesse signalisiert!
Echt? Schluck!
Ich sagte, ich hätte auch die ganze Woche an ihn gedacht. Da beugte er sich zu mir und gab mir einen Kuss auf eins meiner Grübchen. Hilfe! Ich drehte mich zu ihm und hauchte schüchtern ein zärtliches Küsschen hinter sein Ohr. Es war übrigens das schönste Ohr, das ich je gesehen hatte. Er stöhnte ein bisschen. Heiß! Wir sahen uns in die Augen und ich wusste, dass ich verloren war.
„Bist du ein Model?“
„Quatsch!“, sagte ich.
„Du siehst aber so aus!“
„Wie wer?“, fragte ich neugierig.
„Hm. Eine Mischung aus Kate, Heidi und Pamela. Ja! Das trifft‘s!“
„Pamela?“
„Anderson!“
„Aha! Nö, ich arbeite in einem Callcenter!“
„Hast du jemanden?“, fragte er leise.
„Ja“, gestand ich ungern.
„Dachte ich mir. Ich … habe mich sofort in dich verknallt. Irre! So ist das glaube ich mit der Liebe auf den ersten Blick. …Ich bin nicht gut darin, jemanden meine Gefühle zu zeigen, aber du sollst wissen, dass ich dich Tag und Nacht herbeigesehnt habe und …“
Er sah mich mit einem Gesichtsausdruck an als wäre er sich nicht sicher die richtigen Worte gewählt zu haben. Aber ich strahlte ihn an. Er nahm mich in den Arm und drückte mich an seine Brust.
GLEICH BIN ICH TOT!
„Ist das deine Freundin, die da gerade kotzt?“
„Verdammt, was …“ Ich löste mich von ihm, sprang aus dem Auto und lief zu ihr. „Irmi! Was hast du denn?“ Sie putzte ihre Bluse mit einem Taschentuch ab. „Alles gut! Zuviel Tequila“, sagte sie und rülpste. Dann musste sie sich an der Laterne festhalten, die vor der Disco stand. Wir hörten schwere Motorradstiefel auf uns zukommen. „Heiliger Bimbam! Markus Schenkenberg! Neiiiin! Ein Indianer!“, schrie Irmi. „Das ist Ben. Ben , meine Kollegin Irmi“. „Hallo Irmi“, sagte Ben. „Lisa sollte dich schleunigst nach Hause bringen, klar?“
Ich hasste diese Frau!
Ben stellte sich vor mich, berührte sanft meine Arme und gab mir einen Kuss. „Bring sie heim“, raunte er. Ich flüsterte „gut“ und ertrank in seinem Blick. Dann drehte er sich um und ging in die Disco.
Wie jetzt? Keine Telefonnummer? VERDAMMTE SCHEISSE!!!!
„Ich muss nochmal kotzen, Lisa“, jammerte Irmi. „Tu dir keinen Zwang an!“, schrie ich.
Ich musste zweimal anhalten, weil es Irmi so dreckig ging. Dabei wurde die Polizei auf uns aufmerksam. Papiere zeigen! In einen Automaten blasen! Null Promille! Allerdings hatte ich keinen Verbandskasten dabei und sollte ihn in den nächsten Tagen in der Polizeiinspektion 1 herzeigen. Toll! Ganz toll! Der angehende Polizist an meiner Seite würde mir unentspannt einen Vortrag halten und sich dann grinsend eine Strafe ausdenken.
Verheimlichen half nichts, denn mein Freund erfuhr die News meistens von Irmi! Sie hatten aus früheren Zeiten gemeinsame Freunde und telefonierten hin und wieder. Dieses Getuschel zwischen den beiden hat mich nie wirklich interessiert!
Zuhause blinkte der AB: „Schnuffel? Hallo? Bin am Samstag gegen 18Uhr am Bahnhof. Wenn du magst, können wir bei Angelo was essen und uns danach zu Hause eine DVD angucken. Kein Porno! Action! Hallo? Wo bist du überhaupt? Seeeeehnsuuuuucht! Liebe dich! Zungenkuss!“ Die Geräusche, die dann kamen, hörten sich an wie ein Wasser schlabbernder Bernhardiner.