Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 5
ОглавлениеDrei
Den Blick nicht vom Schrank gewendet, konzentriere ich mich auf meine juckenden Beine. Nicht auszuhalten! Ein Schienbein blutet stark vom ständigen kratzen. Ich kann trotzdem nicht damit aufhören. Ich habe wieder die Zeit verloren …
Ist es Tag oder Nacht? Unabhängig davon sollte ich endlich was unternehmen, bevor der Typ neben dem Schrank versucht mich zu killen. Geräuschlos lasse ich mich seitlich aus dem Bett gleiten und schneide mich dabei fett in den Oberschenkel! Das Messer! Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Wütend packe ich es mit beiden Händen, stürze mich damit laut schreiend zwischen Schrank und Fenster, ramme das Messer in mein Bügelbrett und stelle in diesem Augenblick geschockt fest, dass ich total irre sein muss …
Wo sind nur meine Eltern? Habe ich die auch verloren? So wie die Zeit? Wie meinen Verstand? Blutend an Schienbein und Oberschenkel umklammere ich das Bügelbrett und heule Rotz und Wasser …
Ich brauche dringend was zur Beruhigung. Und ein Bad. Ein heißes Bad! Ich schleudere das Brett zur Seite und taste mich an der Wand entlang, den Flur hinaus. Da hing mal ein tolles Bild. Ein Foto von einem ‚Wahnsinnspaar‘ in einem teuren Rahmen. Jetzt erinnert nur noch ein Schmutzrand daran, der mich auf einmal tierisch stört. Ich versuche ihn mit den Fingerkuppen weg zu schrubben. Dann kratze ich mit den Fingernägeln daran herum. Naja! Fingernägel hatte ich mal. Ich sehe mir die eingerissenen, ungepflegten Dinger an. Ekelhaft! Und wie hässlich meine Hände sind! Schrumpelige, nagellose Klauen!
RADIERGUMMI!
Genau! Damit könnte ich den Schmutz wegkriegen. Ich schleppe mich vor in mein Büro, dass mal ein Kinderzimmer hätte werden sollen. Jetzt ist es mein ‚Chaoszimmer‘, in dem es penetrant stank! Ich möchte ein Fenster öffnen, aber ich lasse es bleiben. Zu anstrengend … Ich bekomme massive Kreislaufprobleme!
Holla!
Mann. Mann. MANN!
Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Ich greife in die Schreibtischschublade, nehme den Radiergummi heraus und falle dabei voll auf die Schnauze. Mein Herz rast. Jetzt mach‘ ich die Fliege, Leute!
Die Türklingel weckt mich auf. Da läutet jemand Sturm! Herrgott nochmal! Mein Kopf könnte platzen! Mir ist kalt! Meine Blase hat sich entleert! Die Uhr in meinem Büro zeigt 14Uhr17. Ich liege seit Stunden in meiner Pisse! Mit einem Radiergummi in der Hand! Ich stehe schwankend auf und spüre eine Beule am Hinterkopf. Alles ist nass. Verdammt! Der Arsch da draußen hört einfach nicht auf zu klingeln! Hätte ich eine Knarre, würde ich durch die Tür schießen! Ich nehme Kleenex aus der Packung im Regal gleich neben der Tür, aber die reichen nicht. Ich ziehe mein Hemd aus und wische damit den Boden auf.
Wollte ich nicht baden? Ich ignoriere den Geisteskranken der meine Klingel fickt und gehe ins Bad. Die Frau im Spiegel kenne ich nicht! Ich drehe den Hahn auf und lasse Wasser ein. Schön heiß! Als die Wanne halbvoll ist, versuche ich hineinzusteigen, aber es gelingt mir nicht. Mein Schienbein brennt wie die Hölle. Ich setze mich erschöpft auf den Badeteppich und tupfe mit einem schmutzigen Handtuch an meinem Bein herum. Da fällt mein Blick auf den Boden.
VALIUM! Hinter dem Wäschekorb liegt eine Packung VALIUM!
WIE HERRLICH IST DAS DENN?
Drei Stück davon zusammen mit einem Gläschen Wodka – ein TRÄUMCHEN!!!!
VALIUM im Bad, Wodka in der Küche!
Es würgt mich beinahe vor Glückseligkeit.