Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 19

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Siebzehn

Wir saßen in Micks ehemaligem Kinderzimmer. Er trug einen Kopfverband. Seine Stirn musste genäht werden. Er würde ein schlimmes Veilchen bekommen. Er hatte Prellungen, aber es war nichts gebrochen, außer seinem Herzen natürlich.

Deswegen jammerte er pausenlos oder er beschimpfte mich. Her Fröhlich, Micks Dackel, lag in seinem Körbchen und sah mich böse an. Nach Helgas Anruf, bin ich trotz meines Alkoholpegels wie eine Irre ins Krankenhaus gefahren. Seine Mutter fiel mir um den Hals und erzählte, dass Mick nicht lange zu Hause war, als er sich Herrn Fröhlich schnappte, in seine Ente stieg und davon fuhr. Nicht weit weg von ihrer Straße ist er kerzengerade in ein Bushäuschen gedonnert. Die Ente ist ein Totalschaden. Herr Fröhlich war im Handschuhfach eingeklemmt und hat bei seiner Befreiung einen Polizisten in die Hand gebissen.

In der Notaufnahme tat Mick so als wäre ich nicht da. Seine Mutter streichelte seinen Rücken und flüsterte mit ihm. Ich saß da wie ein Depp!

Ich bot den beiden an, sie nach Hause zu fahren. Micks Vater war bei der Polizei und kümmerte sich um die Formalitäten. Ich hatte auf Micks Liege Platz genommen. Über mir Fußballposter von Werder Bremen. Er rollte auf seinem Schreibtischstuhl hin und her und spielte mit dem Eisbeutel den er sich eigentlich aufs Auge drücken sollte.

„Schnuffel! Was hältst du davon, wenn wir uns vier oder sechs Wochen eine Auszeit nehmen? Jeder lässt den anderen in Ruhe! Absolute Funkstille! Dann treffen wir uns und reden nochmal! Ich bitte dich! Ich halte das sonst nicht aus! Lass mir doch diese kleine Hoffnung …!“

Tränen liefen über sein Gesicht! Ich dagegen dachte, dass ich mich ärgerte, weil Ben nicht angerufen hatte. Ich schämte mich und gab schließlich nach... Mick brachte mich zur Tür und schwor, dass er mich in Ruhe lassen würde bis wir uns wiedersehen!

Seine Mutter lächelte zufrieden als ich mich verabschiedete! Sie hatte bestimmt gelauscht und dachte wahrscheinlich, dass alles wieder in Ordnung käme. Ich wollte so schnell wie möglich raus aus der Nummer. Mein Kopf fühlte sich an wie Watte. Ich musste nach Hause in mein Bett. Als ich in die Wohnung kam, lag Jack auf dem Sofa und schlief. Ich hatte sie total vergessen!

Ich ging ins Bad und zog meine Klamotten aus. „Ben hat angerufen!“

Mich traf beinahe der Schlag! „Verdammt! Hast du mich erschreckt! Ich dachte du schläfst!“

„Du meine Güte siehst du Scheiße aus! Was ist mit Mick? Lebt er noch?“ fragte sie und grinste mich an.

„Die Ente ist hin. Herr Fröhlich hasst mich. Mick wurde an der Stirn genäht, hat Prellungen und ein Veilchen“.

„Herr Fröhlich hasst alle Weibchen! Der ist nämlich schwul! Ich habe ihn mal dabei beobachtet …“ „Bitte Jack! Ich habe Kopfschmerzen. Ich muss mich hinlegen. Erzähl‘ mir lieber was Ben gesagt hat“. „Der war komisch drauf. Als wäre er sauer, weil ich an dein Telefon ging. Dann erklärte ich ihm, was Sache ist und da war er noch verkrampfter. Er wollte wissen in welches Krankenhaus du gefahren bist, aber das wusste ich doch nicht. Du bist ja aus der Wohnung wie von der Tarantel gestochen! Daraufhin hat er sich sehr knapp verabschiedet!“

„Knapp verabschiedet?“

„Na! Er hat einfach aufgelegt!“

„Hat er keine Nachricht hinterlassen? Eine Telefonnummer wo ich ihn erreichen könnte?“

„Nö. Wie gesagt, der war irgendwie sauer“.

„Ich geh‘ jetzt ins Bett!“ „Kann ich bei dir schlafen? In deinem großen Wohnzimmer fühle ich mich einsam“.

„Komm‘ mit! Aber fummel bloß nicht an mir rum!“

Wir lagen kaum in den Federn, da klingelte das Telefon. 0Uhr22! Mann .Mann. Mann.

„Bäumel?“

„Ich kann nicht schlafen“.

„Mick! Als ich ging sagtest du, du würdest mich in Ruhe lassen, damit wir beide nachdenken können“. „Ich habe gesagt, ich kann nicht schlafen!“

„Aber ich bin müde! In sieben Stunden muss ich zur Arbeit! Bitte!“

„Warum kannst du eigentlich schlafen? Ich wäre heute beinahe tödlich verunglückt! Dir ist das wohl total egal, was?“

„Es ist mir nicht egal, aber es ist Gott sei Dank glimpflich ausgegangen. Mick ich bin müde. Ich habe Kopfschmerzen. Ich …“

„GLIMPFLICH? Liegt das Arschloch etwa schon in unserem Bett? Ich kann es nicht fassen! GLIMPFLICH! Was tust du uns allen eigentlich an?“ schrie er.

„Mick! Bitte hör‘ auf. Jack ist da, sonst niemand! Wir haben Wein getrunken, jetzt schläft sie bei mir. Bitte, …“

„WEIN GETRUNKEN? EIN PROSIT AUF MEINEN CRASH? Du holst sofort Jack ans Telefon, falls nicht komme ich vorbei und tritt dir die Bude ein! Du blöde Schlampe!“

„Mick! Jetzt hör‘ doch mal zu! Ich …“

Jack riss mir den Hörer aus der Hand. „Jetzt mach mal deine Lauscher auf, du Pfeife! Ich schlafe bei Lisa, weil ich nicht mehr fahren kann und du hältst dich gefälligst an das was du mit ihr vereinbart hast. Was ist denn mit dir los? Willst du sie so zurückgewinnen? Wenn du jemanden zum Quatschen brauchst, kannst du gerne bei mir vorbeikommen. Wir sind doch Freunde, oder nicht? Lass uns Mädels jetzt pennen, klar? Mick? Er hat aufgelegt! Blöder Sack!“

Sie stellte das Telefon zurück auf die Station und kuschelte sich in mein Bett. Ihre blauen Haare leuchteten krass unter meinem LED Sternenhimmel. „Wieso tust du uns allen das an? ... warum sagt er so was?“, sagte ich leise. „Ist doch logisch! Alles war palletti. Familie, Freunde, Umfeld. Jeder wusste, Mick und Lisa sind ein Paar. Irgendwann werden sie heiraten und …“

Wieder klingelte das Telefon. Ich sprang zornig aus dem Bett. „Jetzt hör‘ mir mal zu du Arsch!“

„Ab heute für immer!“ flüsterte eine dunkle rauchige Stimme.

HERZKAMMERFLIMMERN!

„Oh Entschuldigung! Ich habe mit Mick Schluss gemacht und jetzt dreht er anscheinen durch. Ich… vermisse dich!“ Er flüsterte, dass es ihm genauso ging. Er hätte den ganzen Tag an mich gedacht. Er hätte auch mal angerufen. Er hätte jetzt eine sturmfreie Bude und möchte mich sehen so schnell ich Zeit hatte. Heute Abend? Bei ihm? Die Adresse lautete …

Was war nur mit meiner Atemtechnik? Mund zu… und einatmen. Mund auf… und ausatmen.

„Ja! Ich bin um 20Uhr bei dir!“

„Gut … Ich bekomme bestimmt bis morgen kein Auge zu!“ lachte er.

Niemand würde glauben, dass Ben solche Sachen sagen konnte, wenn man ihn sah!

„Ich auch nicht. Bis später! Ich freue mich sehr!“, flüsterte ich.

Er lachte. „Ich tanze vor Freude! Schlaf schön!“

Ich segelte im Walzertakt zurück ins Schlafzimmer. Jack war nicht mehr da. „Wenn du denkst, ich kann jetzt schlafen, irrst du! Prosi auf der Terrasse?“ „Klar!“, rief ich glücklich.

Im Geschäft bekam ich nichts auf die Reihe. Ich hatte ein dummes Grinsen im Gesicht und zappelte herum. Vom ‚Nichts zustande bringen‘ hatte ich mir auch noch einen Nagel abgerissen und kaute darauf herum.

Da schwebte Irmi in mein Büro, gefolgt von einem jungen Kerl mit Zäpfchen in den Ohren und einem Blumenstrauß in der Hand.

„Hier ist die Glückliche!“, rief Irmi und deutete auf mich. Der Bote klatschte mir Rosen auf den Tisch und wippte im Takt mit den Hüften. Ich musste unterschreiben und das Kerlchen wippte ohne Gruß davon. Irmi spielte ungeduldig Klavier auf meinem Tisch. „Na?“ Ich öffnete die Karte. ‚Ich liebe dich! Mick. PS.: Ich werde dir täglich Blumen schicken!‘

„Haben wir eine passende Vase?“, fragte ich.

Irmi hatte rote Bäckchen bekommen. Oder war das zu viel Rouge? „Ja sicher! Ich besorge dir eine, wenn du mir sagst von wem diese herrlichen Rosen sind?“

„Du kannst das Gestrüpp in der Teeküche auf einen Tisch stellen. Soll sich die Allgemeinheit daran erfreuen“.

„Die sind von Mick habe ich Recht? Du willst den Strauß gar nicht in deinem Zimmer haben? Du bist gemein! Der gibt so viel Geld für dich aus und du …“, keifte Rotbäckchen.

„Hat niemand von ihm verlangt!“ sagte ich und warf die Tür hinter ihr zu.

Mann. Mann. Mann.

Telefon!

„Möchtest du Sushi heute Abend?“

„Sehr gern!“

„Gut“.

„Gut“.

Mit Ben zu reden war wie Sex!

„Ich habe noch nie Sushi gegessen. Das ist glaube ich echt nicht meins!“

„Wieso hast du ihm das nicht gesagt?“, fragte Jackson.

„Ich kann mit diesem Mann nicht sprechen! Ich bin so überwältigt wenn ich seine Stimme höre, dass sich auf der Stelle mein Gehirn abschaltet und ich nur noch blubbere!“

„Meine liebe selbstbewusste Freundin! Du bist einfach süß, wenn du durch den Wind bist! Glaube mir Sushi ist total lecker. Sag‘ ihm, du hättest das Zeug noch nie probiert, aber du bist fest entschlossen. Der Typ macht das schon! Der ist heiß! Geh‘ nach Hause. Nimm‘ dir Überstunden. Mach dich schön und fahr‘ zu ihm. Oder soll ich dich fahren?“

„Nein! Ich muss ja auch wieder heim kommen!“

„Ha, ha, ha, ha, ha! Der war gut!“, lachte Jack und legte auf.

Ich ging zur Werner und bat sie gehen zu dürfen. „Mein Zeug habe ich für heute erledigt. Die Mädels sind in der Berufsschule. Liegt sonst was an?“ „Nein! Kein Problem! Frau Windisch wird die Stellung halten!“

Ich schaltete mein Telefon auf Irmis Apparat und machte mich auf den Weg um der Frau Bescheid zu sagen. Ich traf sie auf dem Flur. Sie knutschte engumschlungen mit Robert!

Ich räusperte mich. „Hallo Robert! Irmi, ich verschwinde. Heute ist nichts los und ich habe noch was vor. Ich bin bis 19Uhr zu Hause wenn es Probleme gibt. Okay?“

„Du triffst dich mit Ben, stimmt‘s?“, fragte sie neugierig.

„Kann sein!“

„Na dann!“, sagte sie und gab Robert einen leidenschaftlichen Kuss den offensichtlich jeder sehen sollte. Während ich in die Tiefgarage zu meinem Mini ging dachte ich, dass dieser Robert viel Zeit hatte. Er arbeitete anscheinend nur nachts im ‚Hell’s‘. Irgendwie war mir der Typ nicht geheuer.

Ich stand geduscht in meinem Ankleidezimmer vor offenen Schränken und hatte wiedermal nichts anzuziehen. Ich betrachtete mich im Spiegel. Dank des Solariums in unserem Keller konnte ich meine Urlaubsbräune halten. Meine langen blonden Haare waren sehr hell. Ich setzte mich nackt auf den Boden und rief bei Halu an.

„Landvogt?“, meldete er sich außer Atem.

„Hier ist Lisa! Halu ich brauche deinen Rat!“

„Um was handelt es sich meine Süße?“

Ich erzählte ihm die Neuigkeiten und von meinem date mit Ben. „Was zieht man in eine WG an, wo’s Sushi zu essen gibt?“

„Was hattest du an, als ihr euch zum ersten Mal begegnet seid?“

„Ach! An dem Abend wollte ich gar nicht weggehen. Deswegen bin ich nur in eine alte Jeans geschlüpft und in ein weißes Turnhemd. Ohne BH! Darauf hatte Jack bestanden! Nackte Füße in Riemchen High Heels! Ich glaube das war’s!“

„So ist Ben auf dich aufmerksam geworden mein Häschen!“

„Da hast du Recht! Gut dann zieh ich die alten Klamotten an. Und selbst? Was macht deine neue Flamme?“

Bei Halu war’s kompliziert. Seine Liebe steckte in einer anderen, noch aktiven Beziehung. Der Typ konnte sich nicht entscheiden. Halu meinte, er würde dran bleiben, hätte aber auch mal einen one night stand. Er würde den Typen nicht bedrängen aber auf ihn warten. Er wünschte sich so sehr was Festes.

Wir wollten weiterhin regelmäßig telefonieren und verabschiedeten uns mit Küsschen.

Ich zog mich an, allerdings trug ich einen BH! Goldene Kreolen, goldene Sandalen. Haare offen und luftgetrocknet. Keine Schminke. Der kaputte Fingernagel repariert. Fertig! Es klingelte.

„Hallo Mama, komm‘ rein!“

„Helga hat angerufen. Sie wollen sich mit uns treffen.“

„Ist doch okay. Ihr seid befreundet. Also warum nicht?“

„Weil sie mit uns über euch Kinder reden wollen! Herrgott nochmal! Deinem Vater passt das gar nicht! Ich habe gesagt, dass wir uns da nicht einmischen sollten. Aber sie hat hartnäckig auf ein Treffen bestanden!“

Meine Mutter setzte sich und sah mich ratlos an. „Sag‘ mal, hast du dir das auch genau überlegt? Mick ist ein guter Mann für dich! So einen findet man nicht an jeder Straßenecke!“

„Du wiederholst dich! Das wollte Helga erreichen, dass du mir ins Gewissen redest! Hallo? Ich habe einen neuen Freund! Er heißt Ben! Könnt ihr das bitte zur Kenntnis nehmen? Ich fahre gleich zu ihm! Nur das ist mir wichtig! Alles andere ist mir Scheißegal!“

„Du nimmst zu sehr den Ton von dieser Susanne an, das steht dir wirklich nicht! Und diesen Ben möchte ich bald kennenlernen, ja?“

„Eins nach dem anderen!“, sagte ich ärgerlich.

Wir verließen zusammen meine Wohnung.

Es war Zeit.

Zeit für Sushi.

Zeit für Ben.

Schneeflöckchen Weißröckchen

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