Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 11
ОглавлениеNeun
„Mama? Ist was passiert?“ Meine Mutter hielt eine Tüte frischer Brötchen in die Luft. „Quatsch! Machst du uns Kaffee, oder kommst du runter?“ Ich ging in meine Küche und schaltete den Automaten ein. „Komm‘ rein. Wir frühstücken bei mir!“
Uns gehörte ein Zweifamilienhaus. Meine Eltern wohnen im Erdgeschoss und ich unter dem Dach. Jede Wohnung hat 120qm Wohnfläche. Mit meinem Schulabschluss und einem Arbeitsvertrag in der Tasche, hatte ich bei der Bank ein Darlehen von 40 000 Euro aufgenommen und damit das Dach ausbauen lassen. Ich bastelte mit Hilfe eines Architekten den perfekten Plan und war stolz, weil meine Ideen fast alle umgesetzt werden konnten.
Die Wohnung wurde tres chic! Ich versuchte mich an abstrakter Malerei, lehnte übergroße krakelige bunte Bilder an die Wände und bestückte die Räume mit ein paar Designermöbel. Ein Träumchen!
Wir verstehen uns gut meine Eltern und ich. „Wieso parkt dein Auto nicht auf deinem Stellplatz?“ Meine Mutter streckte den Zeigefinger in die Höhe und äffte den Nachbarn Herrn Horn nach. „Sie wissen doch, dass hier alles seine Ordnung haben sollte!“
Ich antwortete mit tiefer Stimme: „Weil ich gleich die Hecke schneiden werde!“ Meine Mutter simulierte einen Schreikrampf und brach auf dem Hocker zusammen. „Ich fasse es nicht! Woher diese Energie? Dein Vater beschwert sich seit du den Führerschein in der Tasche hast! Zerkratzt dir das Gestrüpp endlich die Motorhaube?“ „Nö! Ich habe einfach Bock auf Blasen!“ lachte ich. Seit Wochen hatte ich mir den Tanz mit der Heckenschere vorgenommen, damit mein Vater endlich Ruhe gab. Am liebsten würde der Mann mich zur Gartenarbeit zwingen, aber bisher konnte ich erfolgreich die Flucht ergreifen.
„Wann kommt Mick nach Hause?“, fragte meine Mutter und lud sich ordentlich Käse auf die Stulle. „Ich hole ihn um 18Uhr vom Bahnhof ab“. Mama nippte an der Kaffeetasse und fing an zu jammern. „Der arme Junge wird froh sein, wenn das mal vorbei ist! Immer diese Schießereien! Dauernd durch den Dreck robben! Das hält man nicht aus auf Dauer! Und gesund ist das sicher auch nicht!“
HÄ?
„Mama! Mick robbt selten durch den Dreck und von Schießereien habe ich noch nie was gehört. Ich weiß, dass er viel Spaß hat bei der Bundeswehr. Ihm gefällt was er tut, glaube es ruhig!“
„Wenn ihr möchtet, koche ich am Sonntag für uns alle. Diese Dampfkost würde mir zum Hals heraus hängen! Ihr telefoniert doch bestimmt noch heute Abend. Dann frag‘ ihn was er essen möchte. Sauerbraten? Rinderbraten? Schweinebraten? Schnitzel? Mir ist alles recht!“
Ich begann meinen Gedanken nachzuhängen, aß schweigend eine Brötchen und summte ein Liedchen. (Old Mac Donald has a farm …)
„Was sagt eigentlich dein Freund dazu, dass du mit diesem bunten Vogel Urlaub machen willst?“ Ich wusste, dass sie versuchen würde mich zu zutexten! (i..eih, i..eih, ho!)
„Zu unserer Zeit wäre so was nicht denkbar gewesen! Dein Vater hätte mich nicht fortgelassen! Ein junges Paar sollte gemeinsam Urlaub machen, nicht getrennt!“
„Mama! Ich werde in Kürze 20 Jahre alt! Ich will mein Leben genießen! Mit Jackson habe ich eine prima Freundin gefunden! Ich liebe sie! Wir haben zusammen Spaß! Du fährst seit Jahren mit deinem Damenkränzchen in den Urlaub! Das findest du doch auch geil, oder nicht?“
„Eine Ausdrucksweise hast du! Schrecklich! Außerdem ist das was anderes, wenn ich mit Freundinnen Wander- oder Wellnessurlaub mache! Für beides ist dein gestresster Vater nicht zu haben. Der will 14 Tage am Strand liegen und dann ist’s gut!“
(old Mac Donald has a farm …)
„Erstens kann ich nicht zweimal im Jahr in Urlaub fliegen und zweitens hat Mick nichts dagegen. Der weiß nicht mal, wann er wieder länger frei kriegt und wenn, dann will er sowieso lieber zu Hause bleiben (und ficken!) Im Übrigen weiß ich nicht, ob das mit Mick noch lange geht!“
So! Nun ist es raus!
Das Brötchen meiner Mutter machte sich selbständig und klatschte auf den Fußboden. „Hast du wieder mit ihm gestritten?“
„Nö“.
Sie hob das Brötchen auf und schüttelte den Kopf. „Dich versteh‘ einer wer will, ich tu’s nicht! So ein netter, fleißiger und gutaussehender Mann, der dich auf Händen trägt! Was willst du denn noch? Der Junge tut alles für dich und du zankst dich dauernd mit ihm!
HÄ?
Er hat Abitur! Eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Kaufmann. Zeitsoldat. Karriere bei der Polizei … Kind! Er hat wirklich nette Eltern und einen wunderbaren Bruder und tolle, junggebliebene Großeltern…. Alle mögen dich sehr und du bist so undankbar!
HALLO?
Ihr wolltet doch heiraten! So was plant man doch nicht ins Blaue!“
„Jetzt mach‘ mal einen Punkt! Du hast Recht, alles ist heiti teiti trallala, aber in erster Linie muss ich ihn mal lieben und zwar mit jeder Faser meines Herzens. Mick ist mein erster Mann! Vielleicht will ich noch andere Männer kennenlernen!“
(i..eih, i..eih, ho!)
„Du hast einen anderen Mann kennengelernt? Dazu kann ich dir nur sagen, sie sind alle gleich! Heutzutage ist es wichtig, dass ein Mann mit beiden Beinen im Leben steht! Verantwortung für seine Familie übernimmt, fleißig ist und vorankommt. Mick ist so ein Mann. Das spürt man sofort.
HA!
Papa war auch mein erster Mann und ich habe ihn geheiratet!“ sagte sie beleidigt.
WEIL DU MIT MIR SCHWANGER WARST!
„Deswegen muss ich doch nicht das Gleiche tun!“
„Lisa! Bitte versprich mir, dass du dir das gut überlegst. Mach‘ nicht gleich Schluss! Vielleicht solltest du tatsächlich mit der Verrückten Urlaub machen; auf andere Gedanken kommen. Möglicherweise wirst du Mick vermissen und dich freuen ihn wiederzusehen“.
„Ich geh‘ jetzt die Hecke schneiden!“
Um 14Uhr fuhr ich gutgelaunt und blasenfrei zur Arbeit und checkte meine mails. Irmi schrieb, dass sie jederzeit wieder mit mir ins ‚Hell’s Kitchen‘ fahren würde. Ihr wäre immer noch übel und sie hätte Sehstörungen, als stände sie unter Drogen. So, so! Der Barmann hieße Robert. Sie fand ihn toll! Sie hätten Telefonnummern ausgetauscht und gingen Samstag Essen! Supi! Ich hatte keine Telefonnummer von Ben! Aber ich dachte jede Sekunde an ihn. Ich spürte noch immer seinen Kuss. Ich musste dringend mit Jackson reden.
Ich verließ die Firma gegen 22Uhr30 und fuhr zu ihr. Nach mehrmaligem Klingeln bellte meine Freundin in die Sprechanlage. „Was?“
„Mach‘ die Tür auf, sonst trete ich sie ein!“ lachte ich.
„Hast du Bier dabei?“
„Nö“.
„Tanke! Sixpack! Dann geht die Tür auf und keine Hemmungen, hier ist wieder ‚klar Schiff‘!“
Als ich ein paar Minuten später ihre Wohnung betrat, staunte ich nicht schlecht. „Wie hast du das denn so schnell geschafft? Neues Sofa, neuer Teppich. Ganz dezent in giftgrün und pink?!?“
„Ich war in der Hölle, das darfst du mir glauben! Diese Viecher waren echt hartnäckig! Mich hat so geekelt, dass ich meine Schwester gebeten habe, mit mir die Wohnung umzubauen. Das Bett ist neu. Die Matratze auch!“
„Was hat sie denn zu den Filzläusen gesagt?“
„Hallo? Ich habe alle Möbel abholen lassen und geputzt wie noch nie in meinem Leben. Zu meiner Schwester habe ich gesagt, dass ich meine Wohnung spontan umdekorieren möchte und mit ihr zum Schweden fahren will, Möbel kaufen. Die Olle hat sich geschmeichelt gefühlt und nicht nachgehakt. Das Geschirr ist auch neu!“
„Wenn schon, denn schon, wa?“
„Alles zusammen hat bei IKEA etwa 2000 Euro gekostet. Das ist doch ein guter Preis! Ich mach‘ mir mehr um meine Muschi sorgen, als um die Kohle. Ich sehe bald alle 10 Minuten nach, ob die Scheißkerle wiederkommen!“
„Soll heißen, sie sind erst mal weg?“
„Vorerst, ja! Am Montag muss ich nochmal zur Ärztin. Den Gang könntest du mir abnehmen! Voll peinlich! Und wie die mich immer ansieht! Sie sagte, sie praktiziere seit über 20 Jahren, aber mit Filzläusen war noch nie jemand bei ihr in Behandlung!“
„Ha, ha, ha! Ich werde dir keine Predigt halten!“
„Du bist eben eine wahre Freundin! Pack‘ aus! Was liegt an? Bist du nach dem Spätdienst nicht müde? Du warst doch gestern in Ottersberg. War’s dort so langweilig?“
Ich machte uns zwei Bier auf und fing an zu erzählen.
„Ein rotes Täschchen in Herzform? Krass!“
„Du solltest mich jetzt nicht nerven!“
„Okay! Dich hat’s erwischt! Kann ich verstehen! Einen Indianer würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen! Wie geht’s weiter? Schießt du Mick ins All?“ Sie ging mit der Bierflasche in der Hand auf und ab und schüttelte immer wieder betroffen den Kopf. Eine hervorragende Schauspielerin! „Den werde nicht mal ich trösten können! An deiner Stelle würde ich zuerst abwarten. Nichts überstürzen! Zwei oder dreimal nach Ottersberg fahren, dann 14 Tage mit Jäcki in Süden fliegen. Mickilein wird uns vom Flughafen abholen und vielleicht hast du dann total Sehnsucht nach ihm gehabt und freust dich, dass er noch da ist!“
„Du redest wie meine Mutter!“
„Ich will nur nicht, dass du alles verkackst! Bring‘ das Wochenende hinter dich. Am Donnerstag fahren wir zusammen mit Herztäschchen ins ‚Hell’s. Was hast du Püppi erzählt, wieso ich letztes Mal nicht dabei war?“
„Erkältung!“
„Brav. Also schreib‘ mit: Du bist das Lisalein, die ihrem Mick ein schönes Wochenende bereitet. Ich bin das Ferkel, das am Montag bei Frau Dr. Thaler aufschlagen muss. Danach ruf‘ ich dich an und sag‘ dir, ob ich wieder unter Leute darf. Möchtest du meine Muschi sehen?“
„Neeeiiiiiiin! Echt nicht! Ich mach‘ jetzt die Fliege! Soll ich am Montag ins Reisebüro gehen?“
„Wenn ich von der Ärztin das ‚okay‘ kriege, gehen wir Dienstag zusammen hin“. Sie brachte mich zur Tür und nahm mich in den Arm. „Süße! Du machst jetzt keinen voreiligen Scheiß, klar?“
„Klar!“
„Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch!“