Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 22
ОглавлениеZwanzig
„Dein Vater macht mich nochmal verrückt!“, zeterte meine Mutter während sie flüssige Schokolade vorsichtig auf eine Sahnetorte tropfen ließ und gleichzeitig mit einer Gabel Spiralen förmige Muster machte.
„Herbert! Muss das ausgerechnet jetzt sein?“ schimpfte sie aus dem Küchenfenster, dass in den Garten hinausführte. „Lass ihn doch, wenn’s ihm Spaß macht!“ Ich deckte genervt den Tisch. Ben kam jeden Moment. Papa kniete in seinem ältesten Jogginganzug auf dem Rasen und steckte seelenruhig mit einem Lächeln auf den Lippen Sensoren in das Gras. Hätte er dabei anständige Klamotten an, wäre meine Ma nicht so sauer. Außerdem hatte sie sich geärgert, weil er sich letztendlich das ‚Ufo‘ gekauft hatte. Für knapp 2500 Euro!
„Sag‘ mal, willst du dich nicht endlich umziehen?“ Plötzlich musterte sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen von oben bis unten. Was für ein Theater!
„Wenn du dir nicht bald ein Komma gibst, verschwinde ich mit Ben auf der Stelle in meine Wohnung! Was veranstaltest du hier eigentlich? Meine Güte! Krieg bloß nicht die Krätze! Ben will nur kurz ‚Hallo‘ sagen! Mehr ist es nicht!“
Sie stellte Milch und Zucker auf den Tisch und stemmte die Fäuste in die Hüfte. „Mein liebes Kind! Wie dieser wildgewordene Farbtopf mit ihren Eltern spricht, interessiert mich nicht. Aber in diesem Haus wird respektvoll miteinander umgegangen!“ Armer Jack! Ich war froh, als es klingelte, obwohl meine Mutter vor Schreck ihre Schürze kaputt riss! MANN!
Vor der Tür stand meine Liebe! Ich liebte diesen zynischen Blick aus wunderschönen Augen! Ich musste ihm auf der Stelle um den Hals fallen! „Ich sag‘ dir gleich, dass ich jetzt schon keinen Bock mehr auf das Kaffeekränzchen habe!“ flüsterte ich in sein Ohr. Er küsste mich und sagte rau: „Hallo Schönheit!“
„Guten Tag Herr Schmitt. Ich bin Lisas Mama!“ Meine Mutter hatte sich lautlos angeschlichen und mich traf vor Schreck der Schlag! Ben gab Ma die Hand und einen Strauß weiße Ranunkeln. „Oh! Wunderschön! Vielen Dank! Den Tipp haben sie wohl von meiner Tochter?“ zirpte sie, bat ihn ins Haus zu kommen und bis zur Küche durchzugehen.
Während sie strahlend nach einer Vase suchte rief sie meinen Vater. „Herbeeeert! Ben ist da!“ Mein Dad kam über die Terrasse herein und hatte an beiden Knien Tellergroße Grasflecken. Meine Mutter schüttelte entsetzt den Kopf und sah ihn böse an.
Mein Vater tat so, als hätte ihr Zustand nichts mit ihm zu tun und gab Ben freundlich die Hand. Er redete sofort über seine neue Errungenschaft und Ben bot an, nach dem Kaffee in den Garten zu gehen und das Ufo zu begutachten. Schon war das Eis gebrochen!
Meine Mutter servierte Kaffee und Torte. Ben blieb cool! Er erzählte von sich und seiner Familie, seiner Arbeit und der erfolgreichen Wohnungssuche. Meine Eltern stellten Fragen und hörten aufmerksam zu. Mama strahlte, als Ben um ein zweites Stück ihrer köstlichen Torte bat und als die Männer später gemeinsam auf dem Rasen herumkrabbelten, fand sie Ben sehr nett!
Was wäre, wenn Ben ins Detail ging und von Scheidung und Zwillingen sprechen würde? Wäre er dann auch noch nett? Heute wollte ich das nicht herausfinden und bat Ben deshalb, noch nichts davon zu sagen. Die Probleme die er derzeit mit seinen Eltern hatte, genügten vollkommen. Mit Bens Vater zusammenarbeiten war Krieg! Er konnte nicht aufhören Ben Vorhaltungen zu machen. Immer wieder versuchte Ben in Ruhe mit seinem Dad zu reden, sogar Claudia hatte es probiert. Aber der Mann hatte seine eigenen Prinzipien und Scheidung gehörte nicht dazu.
„Dein Ben ist nett, aber optisch hat mir Mick besser gefallen!“ riss mich Mutter aus meinen Gedanken. Mann, Mann, Mann!
Nachdem wir zusammen geduscht und Ben fassungslos meine Schuhsammlung bestaunt hatte, trafen wir Jack und Mezri bei Angelo. Jackson hatte endlich eine SMS geschickt. Morgen, am 31. Juli, würde Mezri nach Hause fliegen.
Die beide saßen bereits an unserem Stammtisch. Mezri hatte sich äußerlich total verändert! Vorher wucherten störrische Locken auf seinem Kopf und er trug einen Vollbart. Jetzt war er glatt rasiert! Die Haare Raspel kurz! Viel besser!
Ben begrüßte Jack und unterhielt sich mit Mezri ohne Hemmungen in Englisch! Mein Ben! Er überraschte mich pausenlos! Mick wäre nicht mal zu Angelo mitgekommen!
Jackson sah unendlich traurig aus! Vermutlich war das Treffen mit ihren Eltern nicht gut gelaufen! Angelo fing an um uns herum zu zappeln und wollte beschäftigt werden. Da Jack nichts sagte, bestellte ich für die beiden einfach ihre Lieblingspizza XXL und Bier.
„Wie ist es gelaufen?“ fragte ich vorsichtig als Angelo wie der große Zampano in seine Küche watschelte.
„Die können mich für alle Zeit kreuzweise!“ rief sie. Ich sah sie fragend an. „Ich hatte mit meiner Mutter vor ein paar Tagen alles besprochen! Läuft! … dachte ich! Kacke, verdammte! Wir sollten am 27. zum Mittagessen kommen. Es gäbe Sauerbraten! SAUERBRATEN! Scheiße! Ich habe sie gebeten etwas anderes zu kochen. Mezri wäre zwar Christ aber ich wusste nicht ob das Essen für ihn okay war. Hühnchen hätte ich besser gefunden, irgendwie. Sie sagte, Papa hätte sich Sauerbraten gewünscht! Genau! Weißt du, eigentlich hatte ich da bereits die Schnauze voll! Aber ich sagte ‚gut, dann kochst du eben Sauerbraten‘.
Wir waren Punkt 12Uhr da und sind noch vor dem Essen wieder abgehauen! Verschissene Affenkacke! Mezri sprach mit meinem Vater Französisch. Ich hatte meinen Eltern gesagt, dass Mezri Französisch spricht und einigermaßen Englisch! HALLO? DU WEISST, MEIN VATER SPRICHT SEHR GUT FRANZÖSISCH!“
„Würdest du bitte nicht so schreien?“
„So lange ich denken kann, hat der Arsch mit mir Französisch für die Schule gepaukt! Aber glaubst du, er hätte einmal mit Mezri Französisch gesprochen? Oder Englisch? NE! Er hat mit ihm Deutsch gesprochen!!!!! Er sagte zu Mezri, wir sprechen zu Hause Deutsch und ihn dabei angesehen wie ein Oberlehrer! Verdammte Dreckskacke, verdammte!“
„Stimmt was nicht?“ Angelo sah Jackson drohend an.
„Ne! Alles Roger!“
„Dann schrei‘ hier gefälligst nicht so rum, Madonna!“ Er wedelte mit seinem blauweiß karierten Küchentuch und schwirrte ab in die Küche.
Mezri streichelte Jacks Rücken während ihr Tränen über die Wangen liefen. Ich reichte ihr ein Taschentuch und sie entschuldigte sich bei uns mit einer Runde Prosecco.
Als wir uns von Mezri verabschiedet hatten und Jackson ihr Ehrenwort gab sich übermorgen bei mir zu melden, schlug Ben vor, noch in die WG zu fahren. Kommendes Wochenende wollte Ben sein restliches Zeug holen, weil eher kein Transporter zu kriegen war.
„Wenn du willst, kann ich bei dir in Ottersberg übernachten!“ schlug ich vor. Ben begrüßte meine Idee mit einem Eskimoküsschen.
Unser Kommen blieb natürlich nicht unbemerkt. Die Clique zitierte uns grölend ins Wohnzimmer. Auf den Sofas war kein Platz frei, deshalb hockten wir uns auf den Teppich. Ich laserte unbemerkt den Perser nach Cheeslys Pseudoaschenbecher ab. Ich habe ihn nicht gefunden!?
Jeder der hier herumhing war völlig neben der Spur. Cheesly trug heute über den Tattoos eine ausgefranste Jeansweste und …. eine Knoblauchkette? Christine war mit Joint bauen beschäftigt und rollte mit Hilfe eines Strohhalms einen besonders langen Filter aus Papier. Paul saß im Schneidersitz auf dem Sofa und trug ein Konzert T-Shirt. Marilyn Manson. Schockrocker. Sam lag ausgestreckt auf einer anderen Couch, einen Aschenbecher auf der Brust, einen Joint in der Hand. Er wollte wissen, wann Ben ausziehen würde. Hunter hätte Interesse angemeldet.
Ben nahm sein Handy und wollte ihn anrufen, aber das war nicht mehr nötig. Captain Sparrow kam eben zur Tür herein. Robert stolperte in einem unglaublichen Zustand hinterher. Hoffentlich fing er nicht an zu pissen!
Sam machte sofort Platz, was er für uns nicht getan hatte! Die übelsten Gestalten saßen in diesem Wohnzimmer. Captain Sparrow und seine Mannschaft! Hunter streckte Robert zwei Finger hin. Er verschwand und kam mit zwei Bier zurück. Natürlich brauchte keiner einen Flaschenöffner, das erledigte die Tischkante! Sparrow nahm Ben wegen des Zimmers in Beschlag.
„Du hast doch eine ausgesprochen geile Bleibe! Was willst du denn mit meiner Bude?“ hörte ich Ben Hunter fragen. Die Sprüche gingen hin und her, aber am Ende war klar, Hunter würde Bens Zimmer samt Möbel übernehmen. Merkwürdig, aber was wusste ich schon! Ben fragte mich, ob ich Freitag mit ihm nach Schweden fahren möchte um das Nötigste für sein Appartement zu besorgen. „Mein Schöner! Mit dir fahre ich überall hin! Auch zu IKEA!“ flüsterte ich. Ben lächelte und ich bewunderte zum xten mal die strahlend weißen Zähne meines neuen Lovers.
Anscheinend hatte hier jeder einen Wohnungsschlüssel, denn Mona betrat die Bühne mit einem Karton in der Hand. Wie auf Kommando standen plötzlich alle auf und gingen mit dem Mädel in die Küche. DIE TÜR WURDE ABGESCHLOSSEN!
„Was ist jetzt ab?“ fragte ich Ben erstaunt. Er tippte auf meine Nase und sagte „Jetzt ist Bescherung!“