Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 21
ОглавлениеNeunzehn
Wir saßen auf Jacksons Balkon. Die Sonne war bereits untergegangen. Ich hätte ihr Händchen halten sollen. Sie war nervös. Morgen kam Mezri angeflogen.
Aber ich konnte vor lauter Glückseligkeit einfach nicht die Klappe halten. „Ben und ich hatten ein traumhaftes Weekend! Als wir uns nach unendlich langer Zeit (zwei und einen halben Tag!) wiedersahen, landeten wir natürlich erst im Bett, bevor wir die Anti Pasti aßen die ich mitgebracht hatte. Dann liebten wir uns den Rest der Nacht. Ben weckte mich Samstag zärtlich mit einem duftenden Frühstück! Hallo? Mick wäre so was nie in den Sinn gekommen! Danach versuchten wir in der großen Badewanne gemeinsam zu duschen und machten unanständige Dinge. Wir mussten danach den Boden aufwischen! Später schlenderten wir durch Ottersberg und kauften ein. Gegrilltes Hühnchen, Baguette, Bier und Prosecco. Ben wollte mit mir wandern gehen und das war unser Proviant. Der Mann war eine einzige Überraschung. Wandern! Ich fuhr kurz nach Hause um mich entsprechend zu kleiden. Der AB blinkte. Ein dreifacher Mick! Flehen! Heulen! Drohen! Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Hätte ich es langsamer angehen sollen mit der Trennung? Mehr mit Mick reden? Einfühlsamer sein? Tja! Nun ist es zu spät! Im Treppenhaus rannte ich meinen Vater über den Haufen. „Na! Wo willst du denn so schnell hin?“ „Papa ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Ich muss nach Ottersberg! Ich gehe wandern!“ „Wandern? Du?“ Mein Vater lachte schallend!
Ben empfing mich mit einem unwiderstehlichen Lächeln, einem Schlafsack, einem Rucksack und einem Picknickkorb. Wir fuhren mit dem Auto durch ein kleines Waldstück bis an den Rand eines kleinen Berges. Von da aus gingen wir los und waren etwa zwei Stunden später auf den Löwenköpfen. Dahinter befand sich eine Mulde mit einer Feuerstelle. Ben sagte, dass hier öfter mal eine Party steigen würde. Er baute ruckzuck ein kleines Zelt auf und machte Feuer. Zur Dämmerung saßen wir davor und aßen das Hähnchen.
Es war einfach schön! Ich hatte noch nie im Freien übernachtet! Wir können zusammen sehr gut schweigen. Wir lagen einfach nur da und sahen in den Sternenhimmel. Wir liebten uns, kuschelten, schmiedeten Pläne. Ben wird sich in Bremen in meiner Nähe eine Wohnung suchen und sich versetzen lassen. Er sieht in seiner Firma gute Möglichkeiten und das Problem mit seinem Vater hätte er damit auch gelöst. Mit einer vernünftigen Wohnung, könnte er mir bald seine beiden Jungs vorstellen. Claudia erlaube nicht, dass er die zwei in die WG mitnahm. Scheint eine kluge Frau zu sein! Ich muss bald seine Eltern und seinen Bruder kennenlernen und natürlich die taffe Oma. Er freut sich auch auf meine Eltern und war auf meine Wohnung gespannt.
Mit bunten Gedanken im Kopf fuhren wir zu Ben nach Hause. Vor der Tür stand ein Polizeiauto! „Was ist denn hier los?“ fragte Ben entsetzt. Als wir uns dem Haus näherten, schrie Sam diesen Hunter alias Captain Sparrow an. Zwei Polizisten redeten ebenfalls mit Hunter. Ben mischte sich ein und fragte was hier abging. Sam brüllte, dass Hunter das Glas von der Haustür eingeschlagen hat, weil niemand aufgemacht hätte. Der Juwelier hat sofort die Polizei gerufen. Weder Sam noch Hunter waren hier gemeldet! Hunter bekam eine Anzeige. Beide mussten wegen der Formalitäten in den Streifenwagen einsteigen.
Wir gingen nach oben. Ben war stocksauer! Da öffnete Cheesly die Wohnungstür! „Heilige Scheiße! Hast du mich erschreckt! Wieso hast du den Idioten nicht aufgemacht? Jetzt werden wir mit dem Juwelier Ärger kriegen!“
Chessly ging voraus in die Küche und kratzte sich ausgiebig den Hintern. „Die wollten beide Dope. Ich hab‘ ihnen gesagt, dass ich um die Zeit nichts da habe. Sie sind im Treppenhaus ausgeflippt. Ich hab‘ die Tür zugemacht. Ende Gelände! Ich kann das nicht ab, wenn es vormittags schon Stress gibt!“
Ben schob Cheesly in dessen dunkle Bude. „Lisa, geh‘ schon mal in mein Zimmer. Ich komme gleich!“ WIE BITTE? WAS FÜR STOFF?
Nach einer Weile kam Ben herein und entschuldigte sich wieder einmal für das irre Volk“.
„Na! Da hast du ja richtig was erlebt, wa?“ zickte Jack.
„Schon klar. Das ist heute nicht dein Thema. Ich will nur sagen, dass ich froh bin wenn Ben da wieder auszieht. Die haben nämlich alle einen an der Klatsche!“
Jackson hörte mir gar nicht zu. „Also, ich mach’s genauso wie du’s dir gedacht hast: Ich hole Mezri vom Flughafen ab. Dann fahren wir zu mir. Ich habe 14 Tage Urlaub genommen. Die dritte Woche mache ich blau! Ich will erst mal drei Wochen lang Sex! Danach fahre ich mit Mezri zu meinen Alten, stell‘ ihn den Leutchen vor. Dann fliegt er wieder nach Hause!“, schluchzte sie plötzlich.
„Was ist denn jetzt ab?“
Schon stand sie auf und lief mit der Scheiß Kleenex Box hin und her.
„Ich freue mich auf ihn, aber ich bin so unglücklich“.
„HÄ?“
„Hoffentlich schaffen wir das alles was wir uns vorgenommen haben! Was ist wenn ich in Tunesien keine Arbeit finde? Ich lerne wie verrückt, kann kaum schlafen. Ich bin verzweifelt! Lisa! Ich fühle irgendwie, dass das alles nicht klappt!“
Ich holte sie ab und drückte sie auf die Couch.
„Außer dir, gibt es keinen dem ich das zutraue! Du bist sehr ehrgeizig! Du bist klug! Bisher hast du alles durchgezogen, was du dir vorgenommen hast. Sieh dich an! Du bist schön und selbstbewusst! Ihr zwei schafft das. Und ich freue mich diebisch, weil ihr so stark seid und über alle Hürden springt, während alle blöd gucken! Das ist euer Leben und es wird toll werden in Tunesien!“
Sie drückte ihren blauen Kopf an meine Brust.
„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte ich.
„Wie meinst du das?“ Sie hob den Kopf und sah mich an.
„Na! Nach mehreren Wochen Sex mit deinem Tunesischen Lover wirst du vielleicht zur Kur müssen?“, zwinkerte ich ihr zu.
„Blödbacke! Irgendwann werden wir was essen müssen. Dann rufe ich dich an. Wir sehen uns bei Angelo, okay?“
„Okay! Also, halt dich wacker! Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch!“
Am nächsten Tag saß ich mit Tina im Rosenpalais. Wir hatten eine erfolgreiche Shoppingtour hinter uns. Die Braut hatte Wort gehalten und mich zu feudalen Häppchen eingeladen. In unseren Tüten befanden sich ein knallenges auf Taille geschnittenes rotes Kostüm mit kurzem Rock, ein rotes albernes Hütchen mit schwarzem Schleier, schwarze Strümpfe mit Naht, schwarze Unterwäsche, Strapse, ein kleines rundes, rotes mit Straß besetztes Täschchen das Irmi vor Neid platzen lassen würde.
In einem Karton lagen schwarze Pumps, in einem anderen die Einladungskarten für die Hochzeit. Tina würde für viel Geld tatsächlich aussehen wie Alexis aus dem ‚Denver Clan‘.
Wir labten uns an Jakobsmuscheln, während das Gänschen aufgeregt schnatterte: „Ich bin wirklich froh, dass du mitgekommen bist. An dem roten Kostüm wäre ich glatt vorbeigerauscht. Dafür darfst du dir sogar eine Nachspeise aussuchen. Geld spielt keine Rolle!“
Die Leute um uns herum sahen pikiert herüber. „Übrigens, sollten wir nicht bald deinen neuen Lover kennenlernen? Wollen wir zu viert essen gehen? Am Wochenende vielleicht? Mag‘ dein Ben griechisch? Ich habe übrigens Mick getroffen. Er saß mit ein paar Freunden vorm Alex. Ich dachte ich erzähle dir das erst beim Essen. Nicht das du dich nicht auf meine Einkaufswünsche konzentrieren kannst!“
HÄ?
„Schick sah er aus! Tolle Klamotten! Er hatte eine verspiegelte Sonnenbrille auf der Nase und machte auf unerkannt! Hi, hi, hi! Dabei waren sie eindeutig ‚Schnecken checken‘ wie er immer sagt. Sagte. Gesagt hatte!“
UNFASSBAR!
„Oh! Sorry! Vielleicht hätte ich das nicht erwähnen sollen? Bist du sauer?“
„Wieso sollte ich sauer sein? Ich war diejenige die Mick in den Wind geschossen hat. Weißt du noch? Ich habe mich in einen Mann verliebt!“
„Ach! Mick ist wohl kein Mann, oder wie?“
„Mick ist ein Knäblein im Gegensatz zu Ben!“
„Wow! Da bin ich aber mal gespannt! Also, klappt das am Wochenende?“
„Ich werde dich anrufen! Kommst du mit deinen Taschen alleine klar? Ich muss langsam nach Hause!“
Als ich mich vom Acker machte, schnappte sie sich verblüfft das Handy und rief Peter an, damit er sie abholen kam.
Kaum zu glauben, wir vier saßen tatsächlich am Samstagabend beim Griechen! Peter und Ben verstanden sich auf Anhieb! Die zwei unterhielten sich angeregt und prosteten sich zu.
„ Respekt! Ich dachte du übertreibst, wie so oft, (WIE MEINEN?) aber das ist ein Hauptgewinn!“, flüsterte Tina. „Ist mir sonnenklar, dass du dich wegen ihm von Mick getrennt hast. Du meine Fresse, was für ein Body. Wie fühlt sich das an, wenn er dich im Arm hat?“
Ich nahm Ben mit zu mir nach Hause. Er ging langsam durch meine Wohnung und schüttelte den Kopf. „Super! Echt stark! Du hast einen klasse Geschmack!“
„Das weiß ich!“ schnurrte ich, ging nackt auf ihn zu und zog ihn diesmal in meine Höhle.
Am Sonntag trennten wir uns schweren Herzens. „Peter hat gefragt, ob wir zwei Bock hätten mit ihnen vier Tage an den Gardasee zu fahren. Wir sollen im Geschäft plötzlich alle Übersunden abbauen. Ich hätte Zeit für Italien, wenn du möchtest? Wir würden in der Nacht losfahren. Was meinst du?“
„Mit dir fahre ich ans Ende der Welt!“, sagte ich und küsste ihn traurig zum Abschied. Ben sagte er würde Peter kontaktieren, denn Tina würde sich um die Zimmer kümmern. AHA! Die beiden haben schneller ihre Telefonnummern ausgetauscht als wir zwei!
„Ich liebe dich, Lisa!“, sagte Ben und küsste mich nochmal. „Ich liebe dich auch!“
Einen Tag bevor wir mit Tina und Peter losfahren wollten, hatte Ben in Bremen eine Wohnung gefunden. Ein Einzimmerappartement, großzügig geschnitten, kleine Küche mit einer Theke, Badezimmer und separate Toilette. Nicht übel! Die Entfernung zwischen uns beiden betrug höchstens 10 Minuten! Wir freuten uns wie zwei kleine Kinder!
Ich sprach Jack auf den AB, dass wir mit Tina und Peter für vier Tage an den Gardasee verschwinden würden. Sie rief nicht zurück.
Am Mittwoch übergab ich Irmi zwei dringende Aufträge, die unbedingt erledigt werden mussten. „Hast du mir zugehört? Was hast du denn?“ fragte ich die Frau, die sich dauernd am Arm kratzte und nicht bei der Sache war.
„Was ist los? Hör‘ bitte auf dich zu kratzen! Das ist ja ekelhaft! Schau‘ du blutest schon!“
„Gehen wir ein Käffchen trinken?“, fragte sie.
„Nein! Wir holen uns den Kaffee aus der Teeküche und quatschen hier. Außerdem habe ich noch was zu tun, ich fahre morgen weg!“
Sie kratzte sich schon wieder. „Okay! Ich geh‘ los und hol den Kaffee!“, sagte sie und schlürfte aus meinem Zimmer. Sie kam mit zwei Flaschen Cola zurück. „Kaffee ist alle!“
„Egal! Setz‘ dich und komm‘ auf den Punkt!“ schnauzte ich sie an.
„Robert hat an meinen Vorhang gepisst!“
Ich musste mich verhört haben. „Was?“
„Robert hat an meinen Vorhang gepisst. Zweimal!“
„Was?“, fragte ich fassungslos.
„Er ist zu mir gekommen, obwohl wir gar nicht verabredet waren. Es war sehr spät. Ich habe schon geschlafen. Er war total neben der Spur. Er hat sich zu mir ins Bett gelegt und ist ohne ein Wort eingeschlafen. Dann ist er in der Nacht aufgestanden. Vielleicht dachte er, er wäre auf der Toilette. Er hat einen meiner pinkfarbenen Schals im Schlafzimmer angepisst. Ich habe das nicht mitbekommen. Am Morgen ist er aus dem Bett und hat wieder draufgepisst. Das habe ich gesehen! Ich habe ihn angeschrien und Dreckschwein zu ihm gesagt! Er hat blöd geguckt, sich hingelegt und ist wieder eingeschlafen. Ich habe Putzzeug geholt und den Teppich sauber gemacht. Der Vorhang ist in der Waschmaschine“.
KREISCH!
WENN ICH DAS JACK ERZÄHLE!
„Du hast ihn hoffentlich rausgeschmissen?“, fragte ich ernst, obwohl ich mich kaputtlachen könnte. Sie konnte mir nicht in die Augen sehen. „Ich glaube er schläft noch“.
UNFASSBAR! „Du fährst sofort nach Hause und wirfst ihn raus! Ende! Sofort Schluss machen! Klar? Irmi, der Typ schadet dir nur! Los mach‘ dich auf der Stelle vom Acker und erledige das!“
Sie sah mich verzweifelt an. „Ich trau mich nicht!“
„Kannst du nicht deinen Bruder anrufen?“, fragte ich.
Sie kratzte sich wieder. „Nein! Ich habe ihn angelogen, weil er das ‚Hell’s‘ kennt und keineswegs begeistert ist von dem Laden“.
„Gut! Dann fahren wir beide zusammen hin. Los komm‘!“
Vor meinem Mini bekam sie Zweifel und zögerte. „Du steigst sofort ins Auto. Beeilung!“ Ich gab Gas. Als wir bei Irmi ankamen, konnten wir gerade noch sehen, dass Robert sich auf den Sozius eines Motorrades schwang und mit dem Fahrer davonbrauste.
„Wer hat ihn da abgeholt?“, fragte ich Irmi.
Sie tupfte mit dem Taschentuch ihren blutenden Arm ab. „Hunter! Glaube ich …“
Dieser Hunter flog eindeutig unterm Radar!
„Wir gehen rauf in deine Wohnung!“ Irmi öffnete; wir sahen uns alle Räume an. Alles normal. Sie sagte, dass nichts fehlen würde. „Möchtest du einen Kaffee?“, fragte sie, während sie den Vorhang aus der Maschine nahm. „Nein Danke. Ich muss zurück. Ben und ich fahren morgen mit Tina und Peter nach Italien. Ich habe noch was zu tun.“
„Wo genau fährt ihr hin?“
„Gardasee. Sirmione“.
Sie knüllte den Vorhang zusammen.
„Irmi! Den kannst du später ewig lange bügeln!“
„Ich war in Limone und in Riva!“
Ich nahm ihr den Vorhang aus der Hand und legte ihn über eine Stuhllehne.
„Was ist? Fährst du wieder mit mir zurück oder nimmst du dir den Rest des Tages frei?“ Sie drückte wieder an dem Vorhang herum und blickte auf den Boden. „Können wir vielleicht doch reden?“, flüsterte sie.
Ich ging genervt in ihr Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa. „Bring was zu trinken und setz dich. Klartext!“ Sie kam mit einer Flasche Wasser und schenkte zwei Gläser ein. Ihre Arme sahen bei dem hellen Licht schrecklich aus!
„Ich war ganz aus dem Häuschen gewesen, weil sich endlich mal jemand in mich verliebt hat. Noch dazu ein cooler Barkeeper! Einer der jeden Abend eine Menge Mädchen kennenlernt! Er ist mit mir Essen gegangen und ins Kino. Ins Bett! Es war perfekt! Für mich! Robert war es nicht Recht, dass ich so oft im ‚Hell’s‘ auftauchte. Ich habe mich geschmeichelt gefühlt weil ich dachte er wäre eifersüchtig. Ich tanze immer alleine und ab und zu hat mich ein Typ angemacht. Robert muss hinter der Bar zusehen! Wenn er zu mir kam hatte er ab und zu mal einen Joint dabei. Den rauchten wir und guckten Pornos. Danach schliefen wir zusammen. Wenn ich ehrlich bin, gefiel mir Roberts abgefahrenes Programm! Dann brachte er Ketamin mit. Robert schluckt das Zeug öfter. Ich hatte keinen Bammel, das was passieren könnte. Aber mit diesen Tropfen ging’s mir nicht gut! Ich habe manchmal schon vorm Frühstück was genommen oder bevor ich zur Arbeit fuhr. Ich bin im Geschäft in der Tiefgarage zweimal mit dem Auto an die Wand gefahren! (Heiliger Bimbam!) Ich konnte irgendwie den Abstand nicht richtig einschätzen… Manchmal muss ich mich übergeben. Robert sagt, das gibt sich. Aber das gibt sich nicht!
Wenn ich mich weigere was zu nehmen, findet er mich langweilig und kommt einfach ein paar Tage nicht! (Ich höre wohl nicht richtig!) Dann habe ich total Sehnsucht nach ihm. Ich habe ihm 1500 Euro geliehen! Ich glaube kaum, dass er mir das Geld zurückgibt. (Was ist los?) Er sagte er müsse Altschulden zahlen. Er wollte bei mir einziehen, damit er seine Schulden abbauen konnte, aber mein Bruder war dagegen. Die Wohnung gehört meinem Bruder, weißt du. Robert ist nicht gewalttätig, aber auf Droge ist er trotzdem komisch. Einerseits ist er mir gegenüber total einsilbig, anderseits telefoniert er ständig mit Mona. Mich nervt das! Ich weiß nicht was er dauernd mit der Tussi hat!“
„Irmi, bitte schieß den Idioten in den Wind! Der bringt dich in Schwierigkeiten! Früher oder später ist er tot oder im Gefängnis! Du bist 20 Jahre alt! Die große Liebe kommt erst noch!“ Ich trank mein Wasser aus und wollte nochmal Gas geben. Aber Irmi fing an zu heulen. „Es ist so schön nicht mehr alleine zu sein! Wenn man sich um jemanden kümmern kann! Er ruft mich jeden Tag an oder kommt zu mir ins Geschäft! Manchmal will er gar nicht mehr gehen!“
„Logen! Er hat alle Zeit der Welt! Ich glaube nicht, dass er außer Barkeeper noch einen Job hat, hab ich Recht? Was für einen Beruf hat Robert denn gelernt?“ Das Häuflein Elend zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“.
„Hat er dir denn nichts von sich erzählt?“ Sie kratzte sich wieder. Vielleicht kam das von den Drogen? „Doch! Er sagte mal, dass er im ‚Hell’s‘ so viel Kohle verdienen würde, dass er manchmal nicht weiß wohin damit!“
„Leiht sich aber von dir 1500 Euro? Hör doch auf! Das glaubt kein Mensch, dass man als Barkeeper reich wird! Komm‘, mach dich frisch und fahr‘ mit mir zurück ins Geschäft. Lass uns was in der Kantine essen, dann arbeiten wir unser Zeug weg.
Du musst auf andere Gedanken kommen. Dieser Robert hat dich nicht verdient! Er ist nicht ehrlich und er hat ein Drogenproblem und wenn du nicht besser auf dich aufpasst, hast du bald selber eins!“
Abends versuchte ich Jack zu erreichen. No way!
Ben rief an und versprach mich morgen um 4 Uhr früh abzuholen. Ich hatte angeboten mit meinem Auto zu fahren aber er wollte seinem Camaro eine Freude machen. Er wäre noch nie in Italien gewesen. Scherzkeks! Tina und Peter fuhren im Beatle Cabrio. Jemand sollte uns das Gepäck hinterherfahren.
Ich aß mit meiner Mutter zu Abend und brachte sie auf den neuesten Stand.
„Haben nicht Zuhälter solche Autos?“ fragte sie kauend.
„Das Auto war Bens Jugendtraum und den hat er sich erfüllt! Er ist kein Zuhälter, falls du das meinst. Er arbeitet in einer Firma die Autobahnen baut als Gesteinslaborant!“, keifte ich.
„Schon gut! Aber du kennst den Mann erst kurze Zeit! Da fährt man doch noch nicht zusammen in den Urlaub!“
„Aber du kennst Tina und Peter seit mindestens zwei Jahren. Peter hat Ben gefragt ob wir mitkommen. Ich wäre gar nicht darauf gekommen. Du darfst nicht vergessen das Peter Polizist ist!“ Sie sah mich nachdenklich an. „Auch die Polizei hat sich schon geirrt!“
„Du redest so einen Müll! Unglaublich! Du kennst Ben überhaupt nicht!“ Jetzt hatte ich eine Scheiß Wut!
„Ich habe Mick wie meinen eigenen Sohn gemocht!“
DAHER WEHT DER WIND!
„Für deinen Vater und mich ist das nicht so einfach wie du denkst. Wir machen uns Sorgen um dich! Wir haben mit Mick als Schwiegersohn gerechnet! Außerdem habe ich deinen Ben bereits gesehen wie er am Sonntag aus dem Haus geschlichen ist. (HALLO?) Er macht auf mich einen brutalen Eindruck!“
Ich lachte schallend. „Da kann ich dich beruhigen! Ben hat viel bessere Manieren als Mick! Beziehungsweise hatte Mick überhaupt keine! Ben ist die Sanftheit in Person! Ich werde ihn euch vorstellen, wenn wir aus Italien zurück sind. Du wirst von ihm entzückt sein! Er ist ein Gentleman! Er hält mir die Tür auf! Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast, als ich dir Mick vorgestellt habe und wir zum ersten Mal zusammen Essen waren? …Der Junge hat keinen Anstand! So ein Flegel der einem nicht mal die Tür aufhält, dumm und arrogant!"
Meine Mutter riss beide Arme hoch. „Gut, gut, gut! Da habe ich mich tatsächlich sehr getäuscht! Umso mehr vermisse ich Michael jetzt!“ Sie gab mir einen Kuss. „Ich wünsche dir eine schöne Zeit, komm wieder gesund nach Hause!“
Peter hatte zwei Doppelzimmer in einer netten Pension gebucht. Die Zimmer waren groß, hell, luftig und schrecklich kitschig eingerichtet. Gehäkelte oder geklöppelte Vorhänge und Tischdecken. Röschen Tapeten! Ein Waschtisch mit einer Keramikkanne! Ein halbrunder Balkon mit weißem Eisengeländer und zierlichen Stühlchen. Romeo und Julia ließen grüßen …
Nach dem Frühstück bummelten wir Händchen haltend durch die wunderschöne alte Stadt, tranken Cappuccino, fuhren nach Malcesine oder Bardolino.
Wir kauften gerne frische Tomaten, Salami, Käse und Brot und machten am Ufer des Sees Picknick. Wir vier verstanden uns prima!
In der Nacht liebten wir uns in unseren Himmelbetten und schliefen selig. Es war schade, dass die vier Tage so schnell vorbei waren, deswegen wollten wir das bei nächster Gelegenheit wiederholen.
Als wir beinahe zu Hause waren fuhr Ben eine Autobahnausfahrt früher ab. Nach Ottersberg! „Weißt du was meine Schöne? Jetzt besuchen wir meine Eltern! Am Sonntagabend gibt’s bei denen kalten Braten. Da hab‘ ich jetzt Bock drauf!“
„Warum nicht!“ sagte ich fest entschlossen.
Wir strahlten uns an.
„Eigentlich wollte ich dir meine Oma zuerst vorstellen. Aber das Muttchen besuchen wir ein andermal. Okay?“ Ben hielt vor einem Doppelhaus. Gepflegter Vorgarten. Blühende Blumen. Zierbrunnen. Nett! Vor dem Haus saßen zwei Leute auf einer Gartenbank. Ben stieg aus, ging um das Auto herum und öffnete die Tür für mich. Wie bereits erwähnt; Ben war ein Gentleman!
Seine Eltern erhoben sich. Während Bens Mutter sofort im Haus verschwand, kam sein Vater auf uns zu. Ich lächelte ihn freundlich an.
„Ben! Komm‘ rein, aber lass das Fräulein lieber im Wagen! Die hat eine Familie kaputtgemacht!“, sagte sein Vater.