Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 20
ОглавлениеAchtzehn
Bens Haus. Fachwerk. Himmelblau gestrichen. Im Erdgeschoß befand sich ein Juweliergeschäft. Der Hauseingang war gleich daneben. Hohe Fenster. Im zweiten Stock hingen Bambusrollos davor.
Das wird die Wohnung sein. Auf dem Klingelschild standen vier Namen.
Horst Herrlich.
Paul Listl.
Christine Beer.
Ben Schmitt.
Bevor mich der Mut verließ, drückte ich auf den Knopf. Die Tür öffnete automatisch. Ich ging hinauf in den zweiten Stock.
Ben lehnte lächelnd an der Tür. „Hallo Schönheit!“
Er trat schüchtern zur Seite und ließ mich eintreten. Irgendwer stritt sich mit jemanden. WG-Leben! Ich war enttäuscht, weil ich hoffte mit Ben alleine zu sein.
Wir standen in einem ewig langen Flur. Hohe Wände. „Das ist ein sehr schönes altes Haus“, sagte ich. Ben legte seinen Arm um meine Taille und führte mich zum Ende des Flurs. „Nur ganz kurz …“, flüsterte er in mein Ohr.
In einer großen Wohnküche saßen fünf Leute an einem langen alten Tisch auf völlig unterschiedlichen bunten Stühlen. Alle sahen mich neugierig an. Da war Mona das Barmädchen. Sie hatte glasige Augen, als wäre sie besoffen.
Ben stellte mir Christine vor. Ein Mädchen mit einem lustigen, kugelrunden Gesicht und langen wuscheligen Haaren. Sie hatte die gleichen Augen wie Mona.
Paul hatte eine Glatze und trug ein Ziegenbärtchen.
Ein langhaariger Typ mit einem Backblech mit Keksen in den Händen, drehte sich zu mir und sagte: „Hallo Prinzessin. Ich bin Cheesly. Wir sind im ‚Hell’s‘ schon mal crashmäßig aneinander geraten“. „Ich habe gesagt, du sollst das Blech wieder in den Ofen schieben. Die sind noch nicht soweit. Mann!“, schimpfte Christine.
Ich dachte, diese unappetitlich aussehenden Dinger isst sowieso keiner.
Ein Typ mit rabenschwarzer Punkfrisur lehnte mit einer Bierflasche in der Hand am Kühlschrank und lachte. Er hieß Sam.
Ben drehte mich in Richtung Flur und zeigte mir den Rest der Wohnung. Das Wohnzimmer bestand aus zwei großen Zimmern. Eine Zwischentüre gab es nicht. Vier Sofas in komplett unterschiedlichen Designs, waren in einem Viereck aufgestellt. Davor standen kleine Tische. Unter den Möbeln lag ein ausgelatschter riesiger Perserteppich. Zwei Fernseher.
Im anderen Raum standen Schaukelstühle. Regale mit Stereoanlagen, CDs, alten Schallplatten, Büchern und Zeitungen. An den Wänden hingen Konzertplakate von inzwischen heiliggesprochenen Rockgrößen.
Auf einem orientalischen Tisch stand eine Wasserpfeife.
Wir gingen weiter den Flur entlang. Meine Schuhe klackten auf dem alten Parkettboden. Das war mir irgendwie unangenehm.
An den Zimmertüren der Mitbewohner klebten Poster. Christine mochte Lady Gaga. An Bens Tür klebte Robert Plant. Am anderen Ende des Flurs befand sich ein großzügiges Badezimmer. Mitten im Raum stand eine weiße Badewanne auf Löwenpranken. Ansonsten war es sehr unordentlich. Es gab eine Gästetoilette und eine kleine Abstellkammer.
Ich fand die Wohnung als Übergangslösung nicht schlecht.
Ben zog mich zurück zu seiner Tür. Er nahm mich in den Arm und schob seine Zunge in meinen Mund. Das kam überraschend! Meine Kniegelenke verabschiedeten sich auf der Stelle! Er küsste mich leidenschaftlich und drückte seinen Body fordernd an den meinen. Bevor ich mich einigermaßen im Griff hatte, ließ er mich los.
„Komm‘ in mein Reich!“, sagte er und trat in sein Zimmer. Es roch angenehm frisch! An der Wand stand ein zweitüriger Schrank. Er hatte ein großes Bett aus Bambus und einen Schreibtisch. Darüber wachte Led Zeppelin. Ein Tuch über der Lampe sorgte für romantisches Licht. Vor dem Bett stand ein kleiner Holztisch. Drum herum lagen orientalische Kissen. „Ich weiß, das ist nichts Besonderes aber ich kann hier vorrübergehend billig wohnen!“, sagte er mit seiner tiefen rauchigen Stimme so leise, dass ich mich anstrengen musste um ihn zu verstehen.
Ich nahm ihn in den Arm und gab ihm seinen Kuss zurück. Draußen auf dem Flur ging die Streiterei um die Kekse weiter. Dazwischen hörte ich, wie Robert lautstark begrüßt wurde. Hoffentlich hatte er Irmi nicht dabei!
Ben hielt mich ganz fest. Er sah mich mit seinen dunklen Augen an. Gleich vergesse ich wieder zu atmen!
„Willst du was essen?“
„G.. gerne!“
Er führte mich galant zu einem der Kissen und zündete die rote Kerze an, die auf dem Tisch stand. Dann schaltete er den CD Player ein. Ein schickes Teil das man wie ein Bild an die Wand hängen konnte. Stairway to Heaven. „Bin gleich wieder da“, flüsterte er und ging hinaus.
There’s a lady who’s sure all that glitters is gold,
And she’s buying a stairway to heaven.
When she gets there she knows, if the stores are all closed,
With a word she can get what she came for.
Ooh, ooh, and she’s buying a stairway to heaven.
There’s a sign on the wall but she wants to be sure,
Cause you know sometimes words have two meanings.
In a tree by the brook there’s a songbird who sings,
Sometimes all of our thoughts are misgiven.
Ooh, it makes me wonder, ooh it makes me wonder, …
Ben hatte die Sushi Platte in der Hand. „Robert ist eben gekommen. Was ist denn mit dir? Ist dir kalt? Du hast ja Gänsehaut?“
Er stellte den Teller ab und kam zu mir.
„Diese Musik ist genial!“, sagte ich.
„Meine Musik!“
Er zog mich hoch und fing an mit mir zu tanzen. Wir streichelten und küssten uns und fielen auf Bens Bett.
And as we wind on down the road,
Our shadows taller than our souls,
There walks a lady we all know
Who shines white light and wants to show
How everything still turns to gold.
Ich hatte meinen ersten Orgasmus! Ich hätte nie gedacht, dass man beim Sex derart die Kontrolle verlieren konnte. Ich war total nass geschwitzt und schämte mich.
Ben zog mich an sich. „Ich werde dich nie wieder gehen lassen!“ Ich küsste diesen schönen Mann. Er lächelte. „Sushi wird zwar nicht kalt, aber wir könnten es wenigstens mal probieren, sonst muss ich es wieder in den Kühlschrank stellen. Du strahlst ein Hitze aus Baby, ich glaube ich …“
„Später“, flüsterte ich und das erotische Spiel begann von vorne.
„Weißt du eigentlich wie schön du bist? Ich muss dich immer anschauen. Mann. Ich bin so glücklich dass wir uns begegnet sind. Ich liebe dich!“, sagte er und küsste mich.
Eine weitere halbe Stunde später saßen wir beide endlich auf den Kissen. Nackt. Jeder ein Glas eiskalten Weißwein in der Hand. Das Sushi war wunderbar! „Man könnte auch Sushi Tee oder Reiswein dazu trinken“. Ben erklärte, dass in der Sojasoße Ingwerraspel seien, der Fisch Belag wäre vom Wolfsbarsch, Thunfisch, Makrele und Lachs.
Ich tauchte einen Scampi in die Soße und wollte Ben damit füttern, als Paul ohne anzuklopfen in Bens Zimmer trat. „Sorry! Hast du Kohle?“ fragte er und starrte auf meine Titten. Ben war sofort auf den Beinen und schob Paul aus dem Zimmer.
Ich hörte nur gezischte böse Worte. Ben kam wieder herein, nahm den Geldbeutel aus seiner Jeans, zog 50 Euro heraus und verschwand damit nach draußen.
Nackt!
Als er wieder in sein Zimmer kam, sagte er, dass das Zimmer so günstig ist weil hier ausschließlich Bekloppte wohnen würden. Ich hörte nicht richtig zu. Ich genoss diesen Anblick!
WUSSTE ER WIE SCHÖN ER WAR?
„Ist ja nur vorrübergehend! Was hältst du von einem Abendspaziergang, meine Schöne?“ Ich war perplex! Einen Abendspaziergang? Mick und ich waren drei Jahre zusammen, aber einen Abendspaziergang hatten wir nie gemacht.
Allerdings hatte ich mit Mick auch nie einen Orgasmus. Zumindest keinen echten!
Händchen haltend gingen wir beide still durch die Straßen von Ottersberg. Ben erzählte von seinen Eltern und seinem Bruder, den er anscheinend sehr mochte. Ein Bruder, der von Geburt an der Liebling seiner Eltern war. Ein Bruder, der ihn unbewusst immer mehr ins Abseits drängte. Ben hatte als Kind sehr darunter gelitten. Aber Roman war eben 5 Jahre jünger und das Nesthäkchen.
Ben erzählte wie sehr er seine Großmutter liebte! Sie wäre eine Wucht! Ich müsste sie auf jeden Fall vor seinen Eltern kennenlernen.
Zu seinem Vater hatte er ein gespanntes Verhältnis. Er konnte ihm nichts Recht machen. Weder privat, noch in der Firma. Beschissener Weise war er Bens unmittelbarer Vorgesetzter.
Roman ging noch zur Schule. Die Mutter war Hausfrau mit einem kleinen Nebenjob in einer Näherei.
Ich erzählte ihm, dass mein Vater Elektriker ist und meistens auf Montage sei. Meine Mutter leitete eine Abteilung für einen amerikanischen Konzern. Ich beschrieb ihm unser Haus und meine Wohnung. „Meine Eltern und ich verstehen uns gut, sonst wäre mir nie in den Sinn gekommen, Schulden zu machen und das Dach auszubauen. Mein Vater hat mir sehr viel geholfen!“
„Ich werde dich bald besuchen, wenn du erlaubst!“, flüsterte er. Ich fand Bens Schüchternheit unwiderstehlich! Ich küsste ihn und lächelte. „Ich erlaube es!“
Ben war ganz anders. Mick brauchte immer Publikum und vor allem Applaus!
Wir gingen zurück zu Bens Haus. Ich blieb bei meinem Mini stehen. „Es ist spät. Ich werde jetzt nach Hause fahren!“
Er drückte sich an mich. „Bleib heute Nacht bei mir!“ Ich sah in seine Augen und ging mit ihm hinauf in seine Wohnung.
Jack hatte natürlich Recht!
Im Wohnzimmer waren Mitbewohner und Freunde versammelt. Musik im Hintergrund, Gelächter. „He! Halt!“ Riefen sie. Sofort reinkommen. Ben behielt mich im Arm und ging mit mir zu ihnen. Sieben Augenpaare starrten uns an.
„Wow! Ihr passt aber gut zusammen!“ kreischte Christine.
Pfeifkonzert!
Cheesly klopfte auf das leere Sofa und wollte, dass wir es uns gemütlich machten. Wir wären natürlich lieber alleine gewesen, aber damit ich hier nicht gleich schlechte Karten hatte, lächelte ich Ben ein – ‚geht klar‘ – zu.
Wir setzten uns und Sam ging zwei Pils holen. Mona sah aus, als würde sie in einem Horrorfilm den Oberzombie geben. Sie rückte den Plätzchenteller zurecht. Die Teile sahen aus wie Hundehaufen! Ben sprachen die Kekse wohl auch nicht an, denn er schob verärgert den Teller von uns weg.
Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Robert hatte ein Mädchen dabei, die einen Arm komplett tätowiert hatte. Sie knutschten ständig miteinander. Arme Irmi! Es schien Robert nicht zu stören, dass ausgerechnet ich zusehen konnte.
Alle rauchten wie verrückt. Ich rauchte eigentlich nicht, aber ich bediente mich trotzdem aus Bens Zigarettenpackung. Morgen würde ich Migräne haben!
Cheesly lag mit dem Bauch auf dem Teppich. Sein Oberkörper war nackt. Er hatte überall Tätowierungen die aus der Mode waren. Vorzugsweise Schiffe! Seine Haare waren ungepflegt. Er sah aus wie ein Penner. Aber wenn er lachte hatte er zwei tiefe Grübchen und das machte ihn irgendwie sympathisch. Und Cheesly lachte viel. Er aschte ständig auf einen runden Kreis im Teppich! Ich sah ihm fassungslos dabei zu. Der runde Kreis war nichts anderes als das ständig wiederkehrende geknüpfte Muster des Teppichs. Ich glaube, er war überzeugt, dass ein Aschenbecher vor ihm stand. Irre! Und das Merkwürdigste war, dass es keinen zu stören schien.
Ich stand auf und ging auf die Gästetoilette.
Als ich diese wieder verlassen wollte, drängte Ben zur Tür herein. Er nahm mich von hinten, dass mir hören und sehen verging und …. Ich genoss es!
Als wir ins Wohnzimmer zurückkehrten, hatte ich das Gefühl, sie sahen uns an dass wir eben Sex hatten. War mir das peinlich? Die Leute hier waren alle kaputt. Warum sollte mir das peinlich sein? Mona war eingeschlafen. Christine baute einen Joint. Cheesly hatte auf dem Teppich mehrere Kippen ausgedrückt und lachte noch immer. Die anderen führten eine Diskussion ob man zur Wahl gehen sollte oder nicht.
Ich wollte nun doch nach Hause. „Ich will nicht dass du gehst, aber vielleicht hast du Recht. Ich muss um 4Uhr30 aufstehen. Ich hatte nur die zwei Tage Urlaub um das Zimmer herzurichten. Wann musst du zur Arbeit?“
Wenn er nicht aufhörte mich so anzusehen, bleibe ich.
„7Uhr30. Es ist besser, wenn ich fahre. Wann sehe ich dich wieder?“ Ich hätte heulen können! Er hielt mich ganz fest. „Am Freitag bin ich wieder da. Abends. Kommst du um 19Uhr? Hierher? Zu mir?“
BIS DAHIN BIN ICH TOT!
„Ich bin um 19Uhr bei dir! Das Essen bringe ich diesmal mit!“ Wir küssten uns lange.
Er brachte mich hinunter zu meinem Auto. „Ich sterbe bis Freitag, Baby!“, sagte er traurig.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals. Küsste und streichelte ihn. Dann ließ er mich los und sah mir tief in die Augen. „Du bist ein Traum! Meine Frau! Vergiss das bloß nicht! Ich liebe dich! Fahr‘ heim bevor ich dich zurück in meine Höhle ziehe!“ Wir lachten, drückten uns ein letztes Mal. Ich fuhr heulend nach Bremen.
Duschen? Nä! Ich wollte Ben noch lange riechen...