Читать книгу Schneeflöckchen Weißröckchen - K. Spitschka - Страница 16

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Vierzehn

Ich finde Moni im Straßengraben. Der Körper verrenkt, die Augen gebrochen. Ich laufe zu ihr nach Hause und läute ihre Eltern aus dem Bett. Ihr Vater rennt mit mir zurück. Er beschimpft mich laut schreiend. Dann hält er endlich die Klappe. Moni ist tot!

Der Mann sitzt da mit seiner Tochter im Arm und heult.

Ich will den Notarzt rufen aber er brüllt „Ich bin Arzt! Verschwinde! Ich bin doch Arzt!“

Ich drehe mich um und gehe zurück ins ‚Hell’s‘. Cheesly kommt auf mich zu. Ich sage: „Moni ist tot!“ Er zuckt mit den Schultern. „Echt?“ Dann stellt er sich zu Robert an die Bar. Sie flüstern miteinander und lachen.

Das ist mein immer wiederkehrender Alptraum.

In der Badewanne ist das Wasser rosafarben. Hübsch. Die Toilettenschüssel zieht mich magisch in die Knie. Übergebe mich. Mir geht‘s beschissen. Ein Blick zu meinem Medizinschränkchen. Beruhigend. Schweinespeed! Valium! Windowpanes! Klingeling!

„Bäumel?“

„Frau Bäumel? Werner! Gestern wurden wir während unseres Gesprächs unterbrochen. Danach hatte ich leider keine Zeit sie zurückzurufen. Ich musste zu meinem Mann in die Klinik! Er hat sich beim Golfen das Knie verdreht! Ich hoffe, sie haben nicht den ganzen Tag vergeblich bei mir angerufen? Hallo?“

ICH ATME. ALSO BIN ICH.

„Nein. Doch. Aber es ging niemand ran“, lüge ich.

„Nachdem sie nicht im Geschäft erschienen sind, wollte ich nachfragen wie’s ihnen heute geht?“

„Es geht mir besser. In ein paar Tagen bin ich wiederhergestellt. Ich hätte mich heute auf jeden Fall noch bei ihnen gemeldet“. Sie räusperte sich ausgiebig. Sie glaubte mir kein Wort! „Lisa ich mache ihnen folgenden Vorschlag. Wir beide treffen uns heute Mittag. Sagen wir um 11Uhr30 im ‚Alex‘? Versuchen wir gemeinsam einen Weg zu finden, damit sie noch ein paar Tage zu Hause bleiben können. Aber ich will sie auf jeden Fall sehen! Haben sie mich verstanden?“

Ich sage zu.

Ich steige unter die Dusche. Das Wasser tut mir gut. Ich habe überall Kratzspuren. Die Wunde am Oberschenkel brennt wie die Hölle. Gewaschen und desinfiziert tapse ich in mein Ankleidezimmer. Mir ist kalt. Aber draußen scheint die Sonne. Jede Hose ist mir zu weit. Am Ende trage ich eine Jeans, die ich mit einem Gürtel festzurre. Der schwarze Rolli ist wahrscheinlich nicht passend aber er riecht gut. Ich kann weder Socken noch Schuhe finden. Ein Saustall ist das!

Mein Schuhschrank war mal gut bestückt...

Ich hatte mal einen Tick. Schuhtick…

Aber dann habe ich die Schuhe vertickt. Ha, ha, ha, ha!

Ich hatte mal einen Tick! Ha, ha, ha! Den Schuhtick vertickt! Ha, ha, ha!

MANN. MANN. MANN.

Im Wohnzimmer lagen, warum auch immer, mindestens 20 Paar Strümpfe auf dem Fußboden. Alle gebraucht! Während ich mir davon welche anziehe, fällt mein Blick auf die Dachterrasse. Alle Pflanzen sind hinüber. Wo war eigentlich meine Mutter?

Die Frau mit dem grünen Daumen? Ha, ha, ha, ha!

Die Frau mit dem grünen Daumen würde bei diesem Anblick auf die Palme gehen! Ha, ha, ha!

Auf die Palme! Ha, ha, ha! … Scheiße nochmal!

ICH DREH DURCH!

Wie soll ich in diesem Zustand ins ‚Alex‘ kommen?

Ich könnte fliegen! Ha, ha, ha, ha!

Ich probiere es mit Kaffee. Mein High Tech Automat besitzt nur leider kein einziges Böhnchen. Tee? Ist auch aus! Im Kühlschrank bewegt sich der Inhalt auf mich zu!

GUT! Geh‘ ich eben ohne!

Jetzt werde ich das Haus verlassen! Keine Panik! Ich sehe aus dem Küchenfenster. Ich fange an zu schwitzen. Ich trau‘ mich nicht!

Ich nehme meine schwarze Handtasche. Von ‚Liebeskind‘. Ein Geschenk meiner Mutter. Ich ziehe schwarze Stiefel an. Ein Schuster sollte sich die mal ansehen. Ich checke meinen Geldbeutel. Ich staune. Darin befinden sich 500 Euro!

Ich nehme erneut Anlauf … Als ich endlich im Auto sitze bekomme ich Bauchschmerzen. So stark, dass ich das Gefühl habe jeden Moment entleeren sich Magen und Darm gleichzeitig.

Langsam wird die Zeit knapp!

FAHR LOS VERDAMMTE SCHEISSE!

Erst mal auf der Straße, fahre ich doch recht flott durch die Bremer Innenstadt und stelle mein Auto im Parkhaus ab. Die Klamotten kleben an mir, aber ich habe es geschafft.

HERE I AM!

Zitternd peile ich einen Platz im Freien an und lasse mich erschöpft nieder. Ich kann mich kaum von diesem Ritt erholen, als die Werner in einem bunten ärmellosen Sommerkleidchen auf mich zu schwebt. Nackte braune Beine in hohen roten Riemchensandalen. Knallrote Fingernägel, weiße Sonnenbrille, weiße Kellybag, das schwarze Haar hochgesteckt. „Ich grüße sie Lisa!“

HALLO AUDREY!

Sie setzte sich kompliziert und strahlte wie für eine Zahnpasta Werbung. Ich bekam Migräne. „Ich gebe ihnen Recht! Sie brauchen tatsächlich noch ein paar Tage. Sie sehen schrecklich aus! Und sie sind sehr schmal geworden. Was sagt ihr Arzt?“

HALTS MAUL!

„Ich hatte eine Grippe und Magen Darm Probleme. Es geht wieder. Ich möchte nur nicht so viele Krankheitstage wie letztes Jahr zusammenbringen. Schadet meiner Karriere habe ich gehört!“

Sie nimmt ihren Timer aus der Tasche und klärt mich auf. „Ich ziehe ihnen rückwirkend Urlaub ab. Sie kommen am 30. Juni wieder ins Geschäft. Sie werden während der Sommerferien keine Stunde fehlen, damit die Urlaubsabwicklung für ihre Kolleginnen und Kollegen reibungslos läuft. Wir verstehen uns? Lisa?“

Ich konnte nicht antworten. Da vorne stand Mick mit einem Kinderwagen! Mein Mick!

„Frau Bäumel?“

Er lachte in den Kinderwagen hinein. Ein Baby quietschte zurück! Aus einem Feinkostladen stöckelte … ICH! Meine Doppelgängerin küsste meinen Ex, schob ihren Arm unter seinen und dann schlenderten die zwei glücklich von dannen. Mein Magen schlug Alarm. Ich rannte zur Toilette und übergab mich.

„Ich kann ihnen auch Zeit bis zum 7. Juli geben! Meine Güte!“, sagte die Werner geschockt, als ich zurück war.

„Frau Werner, ich schaffe das bis zum 30. Juni, glauben sie mir! Vielen lieben Dank! Ich muss jetzt gehen. Bitte nicht böse sein!“

Ich mache mich langsam auf den Weg zurück ins Parkhaus. Die Augen der Werner durchbohren meinen Rücken.

Mick geht’s gut! Mein Mick ist glücklich!

Ich komme unfallfrei nach Hause und bin froh, dass mir niemand begegnet ist. Vielleicht sind meine Eltern im Urlaub? Die Jalousien sind noch immer zu. Der Postkasten droht zu kollabieren. Ich hole das ganze Zeug heraus und lege es vor ihre Wohnungstür.

In meiner Wohnung raffe ich alle Schmutzwäsche zusammen und trage sie samt dem ekeligen Bettzeug in den Keller. Die Waschmaschine wird Tage lang beschäftigt sein. Ich sollte die Matratze raus auf die Terrasse schieben damit sie trocknen kann. Ich denke darüber nach … Viel zu anstrengend! Ich lege eine Wolldecke auf das feuchte Ding, das tut‘s auch. Um mich zu entspannen schlucke ich ein Valium zusammen mit Tinas Orangenlikör.

Tinaaaaa! Hollodiä! Die Königin vom Gardasee!

Schneeflöckchen Weißröckchen

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