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3 Verhaltensspezifika 3.1 Klassifikation und Wandel der Definition der Glücksspielstörung

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Erstmalig wurde das »Pathologische Glücksspiel« 1980 im DSM-III aufgenommen. Bis zur Veröffentlichung des DSM-5 (2013) wurde es unter dem Code F63.0, also im Kapitel der Impulskontrollstörungen geführt; übrigens ebenso im ICD-10. Definiert wurde das Störungsbild als anhaltendes bzw. wiederkehrendes und sich im Verlauf steigerndes Glücksspielverhalten, welches trotz damit verbundener negativer Konsequenzen aufrechterhalten wird. Die Zuordnung als Impulskontrollstörung war nie wirklich zufriedenstellend, denn statt der vollen Komplexität des Störungsbildes wurde lediglich der Teilaspekt der verminderten Impulskontrolle in den Vordergrund gestellt. Vergleicht man das pathologische Glücksspiel mit anderen Impulskontrollstörungen, wie der Kleptomanie oder Pyromanie, wird deutlich, dass sich gravierende Unterschiede auftun, insbesondere hinsichtlich des Symptomverlaufs. Während sich zum Beispiel die Pyromanie als periodisch auftretendes dysfunktionales Verhalten manifestiert und somit also zwischen den Symptomausbrüchen unauffällige Phasen liegen können, findet sich beim pathologischen Glücksspiel eher eine kontinuierlich exazerbierende Symptomschwere, der etwa im diagnostischen Kriterium der Toleranzentwicklung bereits im DSM-IV Rechnung getragen wird. Zudem sind die Komorbiditätsraten beider Störungen sehr gering, was auf unterschiedliche pathogene Mechanismen schließen lässt (Mann et al. 2017).

Mit der Zunahme wissenschaftlicher Untersuchungen und klinischer Studien offenbarten sich bald auffällige Parallelen zu Substanzabhängigkeiten. Diese Parallelen betrafen einmal die Symptomebene, wie die übereinstimmend für beide Störungsbilder definierten diagnostischen Kriterien wie Toleranzentwicklung, Entzugssymptomatik, Kontrollverlust und Fortführung des Konsums trotz negativer Konsequenzen verdeutlichen.

Die vielen Ähnlichkeiten zwischen Substanzabhängigkeit und Glücksspielstörung auf neurobiologischer Ebene, die etwa die spezifische Reizreaktivität betreffen, sowie die automatische Anreizhervorhebung von mit dem Verhalten in Zusammenhang stehenden konditionierten Hinweisreizen (Grant et al. 2016), werden in diesem Band im Detail in Kapitel 4 besprochen.

Diese Erkenntnisse führten schließlich dazu, dass immer mehr Fachleute aus Theorie und Praxis in dem Verhalten eine substanzungebundene Abhängigkeitserkrankung, bzw. Verhaltenssucht sahen (Grüsser und Thalemann 2006; Bilke-Hentsch et al. 2014). National wie international hatte dieser sich ankündigende Paradigmenwechsel fast schon dogmatische Debatten zur Folge, welche bisweilen den Eindruck erweckten, weniger auf Fakten als vielmehr auf persönlichen Befindlichkeiten zu beruhen. Im Endeffekt entschied sich diese Debatte im Jahr 2013, als die American Psychiatric Association das DSM-5 vorstellte (APA 2013). Es mutete fast schon wie ein kleiner klassifikatorischer Quantensprung an, dass das bisherige Kapitel der Substanzabhängigkeiten umbenannt wurde und nun auch »suchtartige Verhaltensweisen« einschloss, deren erster Vertreter die sogenannte »Gambling Disorder«, zu Deutsch Glücksspielstörung repräsentierte.

Im kürzlich vorgestellten ICD-11 (WHO 2018) erfolgt die Einordnung der Glücksspielstörung ebenfalls im Kapitel der »Substanzabhängigkeiten und suchtartigen Verhaltensweisen«. Interessant ist, dass es zwei verschiedene Codiermöglichkeiten gibt und die Glücksspielstörung danach einteilt, ob sie sich vorwiegend auf Offline-oder Online-Glücksspiele bezieht. Definiert ist das Störungsbild als eine über die Zeit anhaltende oder wiederkehrende Nutzung von Glücksspielen, welche sich durch drei Aspekte kennzeichnet:

1. Verminderte Kontrolle über die Verhaltensausübung, etwa hinsichtlich Häufigkeit, Dauer, Kontext und Beendigung

2. Überhöhte Bedeutung, die dem Verhalten beigemessen wird, sodass es einen lebensbestimmenden Charakter annimmt und andere Interessen und Aktivitäten des Alltags beeinträchtigt

3. Fortführung der Glücksspielnutzung trotz dadurch verursachter Schwierigkeiten und negativer Konsequenzen

Weiter wird festgehalten, dass das Verhalten zu einer klinisch signifikanten Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus führt und die Symptome über einen Zeitraum von zwölf Monaten vorhanden sein müssen.

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