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1 Einleitung

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Glücksspiele, frei definiert, versteht man darunter zumeist in Gesellschaft anderer Menschen stattfindende Freizeitaktivitäten, bei denen sich die Teilnehmenden miteinander oder mit einer dritten Partei in einem Spiel messen, das einen materiellen Einsatz erfordert und dessen Ausgang zu einem großen Teil vom Zufall bestimmt wird und wiederum die Aussicht auf einen materiellen Gewinn bietet.

Bereits 3.000 Jahre vor Christus waren Glücksspiele der Menschheit bekannt, dies zumindest lässt sich aus den Funden sechsseitiger Würfel in Teilen Chinas und Mesopotamiens schließen. Auch frühe Niederschriften, etwa aus der Indischen Hochkultur weisen bereits auf das Glücksspiel, bzw. dessen negative Seiten, hin, wenn da von Menschen zu lesen ist, die beim Spiel ihr gesamtes Hab und Gut eingebüßt haben. Entsprechend waren schon rund 500 Jahre vor Christus erste Bemühungen dessen, was wir heute als »Responsible Gambling« (verantwortungsbewusstes Spielen) bezeichnen, zu verzeichnen, als Themistokles für ein Spielverbot für Staatsbeamte plädierte. Auch der Römische Kaiser Justinian verbot im Römischen Reich etwa 500 nach Christus jedwede Teilnahme am Glücksspiel und die Folgejahrhunderte waren geprägt durch wechselnde Einstellungen innerhalb verschiedener Gesellschaftsschichten und abhängig vom jeweiligen Kulturkreis, schwankend zwischen moralischen Bedenken, gesellschaftlichem »Must-have«, harmlosem Freizeitvergnügen und gern gesehener staatlicher Einnahmequelle.

Der Überlieferung zu Folge wurde 1762 das Sandwich erfunden, als sich John Montagu, 4. Earl of Sandwich, nicht von einer stundenlangen Partie des Glücksspiels Cribbage lösen konnte, trotzdem Hunger verspürte und sich Fleisch zwischen zwei Brotscheiben servieren ließ, um es bequem während des Spiels verzehren zu können. Im 17. Jahrhundert wurde schließlich das Roulette populär, Lotterien hatte es zuvor schon gegeben und 1866 erschien Fjodor Dostojewskis »Der Spieler«. Zwei Jahre später schloss der Norddeutsche Bund alle Spielbanken, 1933 hoben dies die Nationalsozialisten wieder auf. Im Jahre 2008 trat der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft und mit ihm mehr oder weniger klar geregelte oder durchsetzbare Bemühungen, das Spielverhalten der Bevölkerung, das gesamtgesellschaftlich nun irgendwo zwischen Vergnügen, Zwielicht und Glücksrittertum angesiedelt wird, in kontrollierte Bahnen zu lenken.

Als klinisch relevantes Phänomen wurde die Spielsucht übrigens erstmalig im Jahre 1561 in der Abhandlung »Über das Würfelspiel oder die Heilung der Leidenschaft, um Geld zu spielen« des Arztes und Philosophen Paquier Joostens thematisiert. Ein damals schon großer Titel für ein fraglos großes Phänomen, das ebenso fraglos noch größeres Leiden als die Leidenschaft selbst zu verursachen vermag.

Was die Heilung dieses Phänomens angeht, so stehen Medizin und Psychotherapie auch mehr als 400 Jahre später noch immer vor mehr Rätseln als dass sie klare Antworten hätten. Es scheint, als sei die Behandlung des pathologischen Glücksspiels an ihre Grenzen gestoßen, nachdem in den frühen 1980er Jahren, kurz nachdem das pathologische Glücksspiel erstmals als eigenständige Diagnose in das DSM-III aufgenommen worden war, die Forschung hierzu einen kleinen Boom erleben durfte. 40 Jahre später müssen wir festhalten, dass das, was damals beachtenswert und vielversprechend war, heute zwar noch immer gerne und oft therapeutische Anwendung findet, gleichzeitig aber dringend notwendige therapeutische Innnovationen zwar vielerorts schwer vermisst, aber nur selten umgesetzt werden.

In diesem Band möchten wir Interessierten von daher nicht nur einen aktuellen Überblick zu verschiedenen Aspekten jener Störung, die seit Veröffentlichung des DSM-5 den Namen »Glücksspielstörung« trägt, bieten, sondern insbesondere auch Denkanstöße für eine neue therapeutische Herangehensweise bei der Behandlung dieses Störungsbildes geben. Eine Heilung dessen, was Leiden schafft, sei an dieser Stelle nicht versprochen, wohl aber ein Fingerzeig zu einem innovativeren therapeutischen Umgang.

Glücksspielstörung

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