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Merke: Explorationsbedarf reflekieren

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Falls Sie mit Patienten mit vorwiegend anderen Störungen als Suchterkrankungen arbeiten, lohnt sich gegebenenfalls die Frage, ob Sie, in welcher Form auch immer, psychopathologische »Randerscheinungen«, wie die Glücksspielstörung oder auch internetbezogene Störungen, wie die Computerspielsucht bei Ihren Patienten oder Klienten explorieren.

Eine andere Erklärung wäre, dass bei vielen Betroffenen die Symptome ohne externe Hilfe remittieren, nach welchem Zeitraum auch immer. Tatsächlich gibt es diverse Studien, die zeigen, dass Remission bei Symptomen der Glücksspielstörung nichts Ungewöhnliches ist. Wer, wann und unter welchen Umständen remittiert, ist dabei allerdings völlig offen und die gängigen Störungsmodelle ( Kap. 7) liefern hierzu ebenfalls keine Erklärungen.

Falls die Hypothese der Spontanremission zutreffend ist, stellt sich die Frage danach, ob Psychotherapie bei einem ohnehin unbeständigen Phänomen wie der Glücksspielstörung überhaupt sinnvoll ist, schließlich könnte man einfach abwarten. Betrachtet man aber die immense Belastung, denen Betroffene mit einer Glücksspielproblematik und deren Angehörige ausgesetzt sind, liegt auf der Hand, dass Hilfestellungen für diese Menschen unerlässlich sind. Je früher das Störungsgeschehen beendet oder zumindest abgemildert wird, desto besser. Tendenziöse Diskussionen über die Notwendigkeit einer Behandlung sind also gänzlich unangebracht.

Eine dritte Erklärung liefert die Phänomenologie des Störungsbildes selbst. Eine Glücksspielstörung entwickelt sich nicht schlagartig, sondern in aller Regel schleichend, beginnend mit einem noch lustvollen Spiel, welches sich zunehmend intensiviert und etabliert und schließlich zu vielfältigen Problemen und der Unfähigkeit, davon Abstand nehmen zu können, führt. Damit verbunden sind kognitive Verzerrungen, wie etwa die subjektive Überzeugung, jederzeit das Spielen bleiben lassen zu können – wenn man nur wollte. Dieser Gedanke stellt sicherlich einen prominenten Hinderungsgrund dar, auf externe Hilfe zurückzugreifen. Hodgins und el-Guebaly (2000) erfuhren in einer Befragung von Betroffenen, die sich mittlerweile im Hilfesystem befanden, von über 80 % der Befragten, dass diese lange Zeit versuchten, das Problem aus eigener Kraft in den Griff zu kriegen.

Die wenigen Studien, die der Frage nach der Therapiemotivation nachgegangen sind, deuten entsprechend auf etwas hin, das man als »Rock-Bottom-Phänomen« bezeichnen könnte. Die meisten Personen, die sich in spezialisierten Beratungsstellen für Glücksspielstörungen vorstellen, erleben in dieser Zeit eine sich akut zuspitzende Krise (Evans und Delfabbro 2005; Productivity Commission 1999). Dieses »ganz unten angekommen sein«, diese akute Krise kann ihren Ursprung in rechtlichen Schwierigkeiten haben, darin, dass dem Partner das Verhalten aufgefallen ist oder dem Arbeitgeber oder dass dem Betroffenen die finanziellen Verbindlichkeiten über den Kopf wachsen oder sich zuletzt ein besonders empfindlicher Verlust im Spiel ereignet hat. Es sind nicht selten akute Auswüchse der Störung, die für Betroffene den Gang zum Hilfesystem ebnen, kurzfristig zumindest, denn auch nach einer ersten Kontaktaufnahme ist nicht garantiert, dass Betroffene im therapeutischen Kontakt bleiben.

Therapieabbrüche sind in der Behandlung psychischer Störungen keine Ausnahmeerscheinung, allerdings sind sie bei Suchterkrankungen besonders häufig anzutreffen. Laut einer systematischen Literaturübersicht von Melville et al. (2007), bricht ungefähr ein Drittel der Patienten mit einer Glücksspielstörung die Therapie ab. Dabei sind Setting und Art der erhaltenen Psychotherapie unerheblich. Die Übersichtsarbeit, die Daten von insgesamt zehn klinischen Studien auswertete, identifizierte auch Faktoren, die einen Therapieabbruch begünstigen. Hier zeigte sich, dass sozidemografische Variablen keinen Einfluss hatten. Auch komorbide Störungen, die spezifische Form der Glücksspielstörung sowie die Schwere der Symptome wirkten sich nicht auf einen Therapieabbruch aus. Allerdings fanden die Autoren Hinweise darauf, dass bestimmte subklinische Merkmale eine Rolle spielten. Hier waren es insbesondere hohe Ausprägungen der Persönlichkeitsmerkmale Impulsivität und Neurotizismus. Die erlebte Stressbelastung sowie vergleichsweise geringere soziale Unterstützung durch das private Umfeld des Patienten stellten weitere Einflussfaktoren dar, ebenso wie der Chronifizierungsgrad der Störung.

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